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Die Musen des Herodotus von Halikarnassus.

Übersetzt von Dr. J Chr F. Bähr.



Siebentes Bändchen. Polymnia.

Einleitung in das siebente Buch,

Mit dem siebenten Buch tritt der Geschichtschreiber in die zweite, ungleich wichtigere und bedeutendere Phase der hellenischen Befreiungskämpfe ein, deren Erzählung den Inhalt der drei letzten Bücher des Ganzen bildet, so weit es dem Geschichtschreiber vergönnt war, sein Werk fortzuführen.

Mit dem unglücklichen Ausgang des ersten eigentlichen Angriffs auf die Hellenen, wie er von Datis und Artaphernes, den Feldherren des Darius, auf dessen Befehl unternommen, bei Marathon sein Ende erreicht und gleiche Schmach über die Perser, wie gleichen Ruhm über die Griechen gebracht hatte, endigt das sechste Buch. Das siebente beginnt sofort mit Angabe der Kriegsrüstungen zu einem neuen Zuge, der freilich auch keinen andern Ausgang nehmen und die hingebende Tapferkeit der Hellenen noch mehr verherrlichen sollte. Durch die bei Marathon erlittene Niederlage war dem persischen König eben so sehr die Schwierigkeit der Eroberung von Hellas, als die Nothwendigkeit ungleich größerer und umfassenderer Kriegsrüstungen klar geworden: es erfolgten daher umfassende Rüstungen, die, wie der Geschichtschreiber versichert, drei Jahre lang ganz Asien, so weit es nur den Persern unterworfen war, in Bewegung setzten; von allen den unterthänigen Völkerschaften ward ein zahlreicheren Contingent an Mannschaft nebst den betreffenden Vorräthen verlangt und auf diese Weise ein neuer Zug vorbereitet, welcher jedoch durch die Empörung Ägyptens in dem Jahre darauf (486 v. Ch.) und noch mehr wohl durch den, wie es scheint, unerwarteten Tod des Darius selbst in dem folgenden Jahre (485 v. Ch.) einen Aufschub erlitt und nicht mehr ins Werk gesetzt werden konnte. Der Sohn und Nachfolger, Xerxes, dem nun die Durchführung dieser Aufgabe zugefallen war, scheint übrigens nicht blindlings in das so lange vorbereitete Unternehmen sich gestürzt zu haben; erst mußte Aegypten wieder zur Ruhe gebracht werden (484 v. Ch.), und auch dann, als dieß geschehen war, glaubte er, ungeachtet alles Drängens der an seinem Hof befindlichen hellenischen Emigranten, doch vorher noch einmal die Großen seines Reichs, die Glieder des herrschenden Stammes der Achämeniden, dem das königliche Haus selbst angehörte, zu einer Art von Reichsrath um sich versammeln zu müssen, um ihrer Zustimmung sich zu versichern. Und wenn in den Berathungen und Verhandlungen dieses obersten Reichstages, wie sie von dem Geschichtschreiber uns in größerer Ausführlichkeit dargelegt werden, eine griechische Färbung hier und dort unverkennbar hervortritt, hellenische Ansichten und Anschauungen den auftretenden Personen in den Mund gelegt werden und selbst der Einfluß der hellenischen Gnomologie und Sophistik kaum in Abrede zu stellen ist, so wird sich doch im Allgemeinen kein begründeter Zweifel erheben lassen an der Wirklichkeit dieser Berathungen, die auf einer altpersischen Stammessitte beruhen. Der Geschichtschreiber, bemüht, überall auf den Grund der von ihm geschilderten Ereignisse zurückzugehen, mochte darüber bei seinem Aufenthalt in dem Innern Asiens an Ort und Stelle die nöthigen Erkundigungen eingezogen und den wünschenswerthen Aufschluß darüber sich verschafft haben. Dasselbe mag wohl auch der Fall gewesen sein bei dem, was der Geschichtschreiber weiter, nachdem der Zug von Xerxes beschlossen und im folgenden Jahr (483 v. Ch.) ins Werk gesetzt war, in so genauer Weise über die Zusammenziehung des Heeres, über die Bildung und Zusammensetzung desselben aus den Contingenten der einzelnen Völker des weiten Perserreichs, sowohl was die Landmacht, als was die Seemacht betrifft, berichtet, wobei noch weiter in Betracht kommen seine Angaben über die Ausrüstung und Tracht dieser einzelnen Contingente[*] ), über ihre höheren Befehlshaber, die in der Regel Perser aus dem Stamme der Achämeniden, nähere oder weitere Verwandte des Königs, waren[**] ), und endlich seine Zahlangaben über den Bestand der Land und Seemacht im Ganzen wie im Einzelnen[***] ): hier mögen wohl persische Aufzeichnungen dem Geschichtschreiber zu Gebote gestanden haben, da ohne dieselben es ihm kaum möglich gewesen wäre, die betreffenden Angaben in solcher Vollständigkeit und Genauigkeit vorzulegen. Eben darum können wir auch nicht glauben, daß dem Geschichtschreiber mit Recht der Vorwurf der Uebertreibung, und zwar einer absichtlichen, um dadurch die Thaten der Hellenen in ein um so glänzenderes Licht zu stellen, gemacht werden kann; von einer Benützung hellenischer Quellen, aus welchen etwa diese Angaben entnommen sein könnten, ist keine Spur anzutreffen; außer da, wo Herodotus selbst auf die von ihm meist an Ort und Stelle eingezogene Erkundigung hinweist.

Derjenige Schriftsteller, welcher der Zeit nach dem Herodotus am nächsten steht, freilich aber auch in eine absichtliche Opposition gegen denselben getreten war, Ctesias, gibt allerdings hier weit geringere Zahlen, denen die späteren Schriftsteller sich meist anschließen[†] ), da ihnen außer Herodotus wohl kaum ältere Berichte vorlagen und Herodotus selbst wohl das Gedicht, in welchem der jüngere Chörilus den Perserzug verherrlicht hatte, schon der Zeit nach, kaum benutzen konnte, wie denn überhaupt von diesem Werke, wie von dem Dichter selbst, den man mit Herodotus in Verbindung gebracht und als dessen Schüler darzustellen versucht hat, durchaus keine Spur in dem Werke des Herodot anzutreffen ist.

Eben so werden auch die genauen Angaben über den Marsch des persischen Heeres, nachdem es von seinem Sammelplatz Kritalla in Kappadocien unter Führung des Xerxes nach der persischen Hauptstadt Kleinasiens, nach Sardes, gezogen war, kaum andern als persischen Quellen und Aufzeichnungen entnommen sein: wir rechnen dahin die genaue Angabe der Marschroute von Sardes aus an den Hellespont; die genaue Beschreibung der über denselben geschlagenen Schiffbrücken, selbst wenn hier Einiges auf die Aussagen der dort wohnenden, von Herodotus befragten Griechen kommen sollte; die Erzählung von dem Uebergang über die Brücke und der bei Doriscus gehaltenen Revue, und die weiteren genauen Angaben über den Weg, den die persische Armada von hier durch Thracien und Macedonien und von da durch Thessalien an die Thermopylen nahm, wo sie zuerst auf einen ernsten Widerstand stieß.

Mit der genauen Schilderung der für die Hellenen so ruhmvollen, ewig denkwürdigen Kämpfe bei den Thermopylen, wobei wir allerdings im Ganzen, wie im Einzelnen (bei so manchen ganz speciellen Angaben, wie z. B. über den Verrath des Ephialtes[*] ), über die Schicksale der beiden Spartaner, welche an dem Kampf bei den Thermopylen keinen Antheil genommen[**] ), mehr auf griechische, sorgfältig eingezogene Erkundigungen, so wie auf eigene Besichtigung der hier so genau beschriebenen Localitäten gewiesen sind, schließt das siebente Buch, welche; auf diese Weise, ungeachtet seiner im Vergleich zu den vorausgehenden Büchern größeren Ausdehnung, doch nur den Anfang dieses zweiten Kampfes der Hellenen um ihre Unabhängigkeit bringt. Denn der Geschichtschreiber, der uns die Lage des persischen Reichs, die dem Zuge der Perser vorausgegangenen Berathungen und Zurüstungen in ausführlicher Weise schildert, hatte, eingedenk seiner Aufgabe, eben so auch seinen Blick auf die andere Seite, auf Hellas selbst zu richten und in gleicher Weise die Lage desselben. die Vorkehrungen der Hellenen und die von ihnen auf die Nachricht von dem Heranrücken des übermächtigen Feindes zu ihrer Vertheidigung ergriffenen Maßnahmen seinen hellenischen Lesern vorzuführen. Und diese ganze Darstellung, die allerdings und mit Recht einen größeren Raum in Anspruch nimmt[*] ), wie ihn die Bedeutsamkeit des Gegenstandes erheischte, läßt uns zugleich einen tieferen Blick werfen in die politische Zerrissenheit der Hellenen, die hier zum erstenmal, wiewohl auch jetzt nicht ohne Ausnahmen, dazu gelangen, dem gegenseitigen Hader unter einander zu entsagen und Angesichts des drohenden Untergangs sich mit einander zu vereinigen wider den gemeinsamen Feind, damit aber die erste hellenische Eidgenossenschaft zu stiften, welche indeß, durch den äußeren Zwang und die Gefahr des Momentes hervorgerufen, noch keine bestimmt abgeschlossene Form gewinnen kann, sondern noch auf einer ganz allgemeinen Grundlage ruht. Damit hängen zusammen die in diesem Theile des siebenten Buches des Näheren berichteten Bemühungen der Hellenen des Mutterlandes, auch die außerhalb desselben blühenden Staaten, vor allem das mächtige und reiche Sicilien, zur Theilnahme und zum Beistand zu veranlassen, um auf diese Weise das gesammte Hellas wider den asiatischen Feind zu vereinigen.

Bei der Darstellung dieser Punkte, die einen so wesentlichen Theil dieses Buches einnehmen, war der Geschichtschreiber zunächst auf hellenische Quellen und persönliche Erkundigung, wie er sie überall einzuziehen suchte, gewiesen; daß er auch hier mit aller Genauigkeit, wie auch Gewissenhaftigkeit verfahren, zeigt schon die große Sorgfalt, mit welcher in einzelnen Fällen die über ein und dasselbe Ereigniß im Umlauf befindlichen Angaben vorgelegt und geprüft werden, um überall das Wahre und Richtige zu ermitteln. Insbesondere sind es nun hier zwei Punkte, welche unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen: einerseits die Mäßigung, womit der Geschichtschreiber über das später vielfach getadelte Argos, das aus Haß wider Sparta, wie aus Furcht vor demselben sich der Theilnahme an der gemeinsamen Verbindung der Hellenen entzieht, sich ausgesprochen hat[*] ); andererseits das Urtheil, das er über Athen und dessen Verdienst auch in diesem zweiten Kampf der Hellenen um ihre Unabhängigkeit offen auszusprechen sich nicht scheut[**] ), so sehr er auch weiß, daß dieses Urtheil nicht den ungetheilten Beifall seiner Zeitgenossen finden, im Gegentheil von der Mehrzahl derselben mißfällig werde aufgenommen werden. Wir werden darum in diesem Urtheil keine besondere Eingenommenheit des Geschichtschreibers oder eine besondere Parteinahme desselben für Athen (wo er längere Zeit sich aufgehalten) und gegen Sparta (das er übrigens auch besucht hat) zu erkennen haben, da er vielmehr aller Orten den Spartanern gerecht zu werden bemüht ist, deren Tapferkeit er auch in diesem Buche, in der Schilderung der Kämpfe bei den Thermopylen[***] ), wie in den dem Demaratus in den Mund gelegten Worten[†] ) über die Tapferkeit und aufopfernde Hingebung der Spartaner, alle Anerkennung zollt.

Aber die sorgfältige Prüfung Alles dessen, was die Athener in diesem Kriege wirklich geleistet, in welchem sie sich willig der obersten Führung Sparta's unterwerfen, hat ihn zu dieser Ueberzeugung geführt, die er darum auch offen auszusprechen sich nicht scheut, weil er damit nur eine Pflicht der Gerechtigkeit zu erfüllen glaubt. Manche nach der Zeit dieser Befreiungskämpfe, in der dem peloponnesischen Krieg vorausgehenden Zeit, so wie in den ersten Jahren desselben. namentlich in den dorisich-peloponnesischen Staaten in Umlauf gekommene, den Athenern ungünstige Auffassungen der Leistungen Athens in diesem Befreiungskampfe mögen den Geschichtschreiber veranlaßt oder doch bestimmt haben, mit seinem wohlbegründeten Urtheile nicht zurückzuhalten; eben darum aber möchten wir die Aufzeichnung dieses Theils der Herodoteischen Geschichte in die späteren Lebensjahre des Geschichtschreibers verlegen, als er nach Thurium bereits übergesiedelt war und von dort aus selbst weitere Ausflüge nach dem von ihm früher auf seinen ausgedehnten Reisen noch nicht besuchten Sicilien unternommen hatte, also immerhin auch eine geraume Zeit nach dem Jahre 444 v. Ch., der Zeit seiner Uebersiedelung. Auf einem solchen Ausfluge, der bei dem lebendigen Handelsverkehr der blühenden griechischen Städte des unteren Italiens wie Siciliens gewiß nichts Befremdliches hat. konnten diejenigen Erkundigungen eingezogen sein, auf welchen Alles das beruht, was uns über Gelo und seine Vorfahren. über die sicilischen Verhältnisse überhaupt, über die Kämpfe der sicilischen Griechen mit den Carthagern, gelegentlich der von den Hellenen des Mutterlandes an Gelo geschickten Gesandtschaft, erzählt wird[*] ). Dieser Ausflug nach Sicilien wird aber stattgefunden haben jedenfalls vor der großen Expedition, welche die Athener im Laufe des peloponnesischen Krieges dahin schickten, und vor der nicht minder großen. Niederlage, welche diese Expedition im dreizehnten Jahre dieses Krieges (413 v. Ch.) daselbst erlitt; denn da Herodotus Kap. 170 von einer Niederlage der Tarentiner und Rheginer, der größesten unter allen hellenischen, die er kenne, spricht, so kann er wohl jene weit größere Niederlage der Athener nicht gekannt haben, ja er wird sie, wie wir glauben, überhaupt nicht mehr erlebt haben, wenn er auch den Anfang des peloponnesischen Kriegs noch erlebt hat, aus dessen zweitem Jahre ein Ereigniß, die Ueberrumpelung von Platää (431 v. Ch.) in diesem Buche (Kap. 233) angeführt wird. Nach diesem Jahre wird also die Aufzeichnung dessen, was in diesem Buche enthalten ist, stattgefunden haben, mithin in den späteren Jahren des Lebens bis an dessen Ende hin. Und dieses scheint ihn vielmehr überrascht zu haben, ehe er noch die letzte Hand an sein Werk legen konnte, indem er Kap. 213 uns auf eine weitere Erörterung in einem späteren Theile seines Werkes verweist, welche sich in dem Werke, wie es uns jetzt vorliegt, nicht findet; diese zu geben kann den sonst so genauen Geschichtschreiber nur der inzwischen eingetretene Tod abgehalten haben.

Diese Annahme einer erst in den späteren Lebensjahren erfolgten Aufzeichnung dessen, was den Inhalt dieses Buches bildet, scheint selbst eine Bestätigung zu gewinnen durch die mehrfach, wo nur eine Gelegenheit sich bietet, eingestreuten allgemeinen Betrachtungen, wie z. B. die dem Artabanus im Gespräch mit dem König in den Mund gelegten Betrachtungen über das Menschenleben überhaupt und dessen Hinfälligkeit[*] ) über menschliche Klugheit gegenüber der jede Ueberhebung zu nichte machenden Gottheit, über Verläumdung u. dgl.[**] ) mehr, desselben Erklärung des Erscheinens und Träume[***] ) und Anderes der Art, was nicht sowohl auf eine Zeit jugendlicher Erregung und Begeisterung, als vielmehr auf die Periode des gereifteren Mannesalters, auf das an Erfahrungen jeder Art im Leben reicher gewordene spätere Lebensalter uns führen mus Insbesondere aber gehören auch dahin die mehrfach, wo nur eine passende Gelegenheit sich bietet, hervortretenden Beziehungen auf das, was wir in der Einleitung[†] ) schon als die religiöse Grundlage des Herodoteischen Werkes hervorgehoben haben, wir meinen den Glauben an eine höhere, über der Welt und den Menschen stehende Macht, welche menschliche Ueberhebung und menschlichen Uebermuth durch das Mißlingen der unternommenen Pläne und durch das Unglück straft, in welches sie den Uebermüthigen und Verblendeten stürzt, da, wo er es am wenigsten vermuthet, oder wo er am sichersten in dem Besitze des irdischen Glücks und der irdischen Macht sich wähnt, wie dieß hier bei Xerxes, dem allmächtigen Beherrscher des Orients, der Fall ist. Die strafbare Ueberhebung desselben gibt sich kund in den Reden, welche bei der Berathung über den Zug wider Hellas ihm, wie dem Mardonius in den Mund gelegt werden[*] ), während in den Entgegnungen des Artabanus diejenige Ansicht hervortritt[**] ), welcher der Geschichtschreiber selbst huldigt, Artabanus mithin gewissermaßen als der Träger und Vertreter der eigenen Ansichten erscheint. Nicht minder tritt diese Ueberhebung des Xerxes hervor in den ungeheuren Zurüstungen, die eben darum so sorgfältig von dem Geschichtschreiber berichtet werden, in den gewaltigen, bis dahin unerhörten Menschenmassen, die er, um seines Unternehmens, nach menschlichem Ermessen, völlig sicher zu sein, wider Hellas ziehen läßt. Es kommen aber dazu auch noch einige specielle Züge, die als besondere Zeichen seiner Erhebung hier angeführt werden. Wenn wir dahin auch den Versuch nicht zählen. die Landenge des Berges Athos mittelst eines für Seeschiffe fahrbaren Canals zu durchstechen[***] ), wiewohl er gewiß als etwas in jenen Zeiten Unerhörtes und Außerordentliches angesehen werden muß, so gehört doch dahin die Art und Weise. in welcher, nach der Darstellung des Geschichtschreibers, Xerxes wider den Hellespont wüthet[†] ), nachdem der Sturm die dort angelegte Schiffbrücke von einander gerissen, ja überhaupt der ganze Versuch, über den Hellespont eine Brücke, und zwar eine gedoppelte, zu schlagen[††] ) und durch eine über die Wogen des Meeres angelegte, für Fußvolk und Reiterei wie Wagen und Zugvieh gangbare Heerstraße die beiden, durch Gottes Fügung getrennten Welttheile, Asien und Europa, mit einander zu verbinden. Auch Aeschylus, der Dichter, in seinen religiösen Anschauungen dem Herodotus so verwandt, erkennt in diesem Unternehmen des Xerxes etwas Vermessenes und darum Strafbares, insofern der König sich erdreistet, dem Nacken des Hellespontus gleichsam ein Joch aufzulegen und, von thörichter Selbsterhebung befangen, über die Götter selbst sich zu erheben[*] ), darum auch der verdienten Strafe nicht entgehen kann. Diese erreicht ihn nun in dem, was in diesem siebenten Buche des Herodotus erzählt wird, noch nicht, da die Darstellung, wie schon oben bemerkt, bis zu diesem Punkt nicht reicht; sie ist den folgenden Büchern vorbehalten, in diesem siebenten aber gewissermaßen vorbereitet. Und was die Person des Xerxes betrifft, so hat ihn zwar der Geschichtschreiber als eine ritterliche Gestalt bezeichnet, mit welcher unter so vielen Tausenden seines Heeres Keiner an Schönheit und Größe sich messen oder um den Besitz der Herrschaft streiten könnte[**] ); auch verfehlt er nicht einzelne Züge von seiner Ritterlichkeit und Großmuth anzuführen, wie z. B. sein ganzes Verhalten gegen Demaratus[***] ), dessen beredter Sprache er freilich mit die Krone verdankte, oder die Behandlung der zur Buße an ihn geschickten Spartaner[†] ), oder der auf frischer That ertappten hellenischen Spione[††] ); aber in andern besondern Zügen, wie z B. in dem Verhalten zu dem reichen Pythius und der Hinrichtung des ältesten Sohnes[*] ), oder in der Mißhandlung des Leichnams des Leonidas[**] ), so wie in seinem ganzen Auftreten und gewaltigen Selbstgefühl, läßt er doch den stolzen und übermüthigen Despoten, den Beherrscher des Orients erkennen, der in seiner Ueberhebung keine Grenze kennt und seine Macht und Herrschaft nur durch die Erde selbst begrenzt sehen will[***] ), eben darum aber dem sicheren Verderben entgegen eilt. Und dieses sollen uns die beiden folgenden Bücher, gleichsam als die weitern Akte dieses großen Dramas. darstellen.



Inhalt des siebenten Buches.

Darius, ergrimmt über die Niederlage bei Marathon, ordnet neue Rüstungen in ausgedehnterem Maße an zur Unterwerfung von Hellas, drei Jahre lang; Abfall der Aegypter{(1),} Streit unter den Söhnen des Darius über die Ernennung eines Reichsverwesers in Abwesenheit des Königs und damit über die Thronfolge{(2.} Ernennung des Xerxes, durch den Einfluß des Demaratus und der Atossa{(3).} Tod des Darius und Thronbesteigung des Xerxes{(4).} Xerxes, noch unentschlossen, wird durch Mardonius angetrieben zu einem Feldzug wider die Griechen{(5),} so wie durch die zu ihm aus Griechenland gekommenen Aleuaden und Pisistratiden{(6).}

Die Wiederunterwerfung Aegyptens{(7).}

Berathung des Xerxes mit den von ihm zusammenberufenen Großen des Reichs (Reichsrath) über den wider Hellas vorzunehmenden Zug. Ansprache des Xerxes{(8).} Erwiderung und Zustimmung des Mardonius{(9).} Entgegenstehende, vom Zuge abmahnende Erklärung des Artabanus{(10).} Entgegnung des Xerxes{(11).} Traum desselben{12).} Entschluß desselben in Folge des Traumes, nicht gegen Hellas zu ziehen.{(13).} Wiederholter Traum{(14);} Berathung darüber mit Artabanus und Erklärung desselben über Traumgesichte überhaupt (15.16); Traum des Artabanug{(17)} und Erklärung desselben an Xerxes, der nun sich zum Kriegszug bestimmen läßt{(18),} bestärkt durch ein erneutes Traumgesicht{(19).} Wiederholte Zurüstungen, und Größe des Zugs, der alle früheren Kriegszüge an Ausdehnung jeder Art weit übertrifft{(20.21).}

Die Durchstechung der Landzunge, durch welche der Berg Athos mit dem Festlande zusammenhängt. Beschreibung des Berges{(22)} und der vorgenommenen Arbeit{(23-24).} Herbeischaffung des nöthigen Materials, um eine Brücke über den Strymon zu schlagen, so wie von hinreichenden Vorräthen für den Zug des Heeres, Anlage von Magazinen an verschiedenen Orten{(25).}

Aufbruch des persischen Heeres unter Führung des Xerxes von seinem Sammelplatz in Kappadocien nach Sardes durch Phrygien über Celänä{(26);} Aufenthalt daselbst und Bewirthung des Heeres durch den reichen Lyder Pythius{(27),} dessen Unterredung mit Xerxes{(28.29).} Weiterer Zug des Heeres über Colossä und andere Städte Phrygiens{(30);} der schöne Platanusbaum Ankunft in Sardes{(31),} und sofortige Absendung von Herolden nach Hellas, um zur Unterwürfigkeit aufzufordern{(32).}

Ueberbrückung des Hellespontus zwischen Abydus und Sestus{(33);} Zerstörung der Schiffbrücke durch einen Sturm{(34).} Bestrafung des Hellespontus durch Xerxes{(35).} Anlage einer neuen doppelten Brücke an derselben Stelle{(36).}

Aufbruch des Heeres von Sardes, und dabei eine Sonnenfinsterniß{(37);} Bitte des reichen Pythius um Entlassung seines ältesten Sohnes vom Kriegsdienst{(38);} Erwiderung des Xerxes und Hinrichtung des Sohnes{(39).} Ordnung des Heereszuges, die Nisäischen Rosse und der heilige Wagen des Zeus{(40),} der Wagen des Xerxes und die auserwählten Truppen hinter ihm mit dem übrigen Heer{(41).}

Abmarsch des Heeres aus Lydien durch verschiedene Städte Mysiens in die Landschaft von Ilium{(42).} Ankunft an dem Skamander und Besuch der Burg des Priamus durch Xerxes, der dort ein reiches Opfer darbringt, Fortsetzung des Marsches nach Abydus{(43).} Xerxes betrachtet von der Höhe eines für ihn errichteten Sitzes sein Heer und seine Flotte und läßt einen Wettkampf der Schiffe anstellen{(44);} Eindruck davon auf Xerxes{(45),} und in Folge dessen nochmalige Unterredung mit Artabanus über die Verhältnisse des menschlichen Lebens überhaupt{(46)} und insbesondere über den vorzunehmenden Kriegszug, über dessen Ausgang Artabanus Besorgniß hegt{(47.49),} welche Xerxes zu widerlegen sucht{(48.50);} der Rath des Artabanug, nachdem Xerxes nicht zu einer Aenderung seines Entschlusses zu bewegen ist{(51);} Erwiderung des Xerxes, womit er dem Artabanus die Verwaltung des Reichs in seiner Abwesenheit überträgt{(52).} Darauf Ansprache des Xerxes an die Großen des Reichs und die Oberbefehlshaber der einzelnen Heeresabtheilungen{(53).} Vorbereitungen zum Uebergang über den Hellespont und dargebrachte Opfer{(54).} Der Uebergang selbst und die dabei eingehaltene Ordnung{(55.56).} Spott eines Hellespontiers (56). Schlimme Wunderzeichen nach dem Uebergang{(57).}

Weg der Flotte wie des Landheeres vom Hellespont aus nach Doriscus{(58).} Beschreibung von Doriscus und der dortigen Ebene, an deren Strand die Flotte lagert{(59).} Zählung des Landheeres und Gesammtzahl desselben{(60).}

Die einzelnen Bestandtheile des Landheeres, ihre Tracht und Ausrüstung wie ihre Anführer: die Perser, die von Perseus abstammen{(61);} die Meder, vordem Arier genannt, die Cissier und Hyrkanier{(62);} die Assyrier und Chaldäer{(63),} die Baktrier und Saken{(64),} die Inder{(65),} die Arier, Parther, Chorasmier, Sogdier, Gandarier und Dadiken{(66);} die Kaspier, Sarangen und Paktyer{(67):} die User, Myker, Parikanier{(68);} die Araber und die über Aegypten wohnenden Aethiopier{(69);} die asiatischen Aethiopier{(70);} die Libyer{(71);} die Paphlagonen, die Ligyer, Matiener, Mariandyner und Syrer oder Kappadoken{(72);} die Phrygier, ursprünglich Briger, und deren Herkunft{(73);} die Lydier{(74);} die Thracier in Asien oder Bithyner{(75);} die Chalyber (?) und das Orakel des Ares{(76);} die Kabalier, Lasonier und Milyer{(77);} die Moschier, Tibarenen, Makronen und Mosynöken{(78);} die Maien und Kolchier, Alarodier und Saspiren{(79);} die Bewohner der Inseln des persischen Meerbusens{(80).}

Eintheilung des Fußvolkes und Führer der einzelnen Abtheilungen{(81);} die Oberfeldherren{(82);} die Leibwache der zehntausend Unsterblichen{(83).}

Die Reiterei: die Perser{(84);} die Sagartier und ihr Kampf mittelst Schlingen{(85);} die Meder, Cissier, Inder mit Wagen, die Baktrier, die Libyer mit Wagen, die Kaspier, Parikanier. die Araber mit Kameelen{(86).} Zahl der Reiterei und Ordnung derselben{(87);} Befehlshaber der Reiterei, insbesondere Pharnuches{(88).}

Die Flotte. Zahl der Dreirudrer (Kriegsschiffe), die von den einzelnen Völkern gestellt waren: die Phönicier, die Palästinischen Syrer und Aegyptier, deren Ausrüstung{(89);} die Cyprier und deren Ausrüstung{(90);} eben so die Cilicier und Pamphylier{(91),} die Lycier{(92),} die Dorer in Asien und die Karier{(93),} die Ionier, deren Abkunft und Rame{(94);} die Hellenischen Inseln des Aegeischen Meeres, die Aeolier. Hellespontier und Anwohner des Pontus{(95).} Die auf jedem Schiff befindlichen Seesoldaten, aus Persern, Medern und Saken, Vorzug der Sidonisch-Phönicischen Schiffe; die Führer der einzelnen Schiffe{(96);} die (Persischen) Oberfeldherren der gesammten Flotte; die Gesammtzahl der Schiffe{(97);} die namhaftesten Führer einzelner Schiffe und Contingente{(98),} insbesondere die Artemisia von Halicarnassus{(99).}

Besichtigung des Landheeres und der Flotte durch Xerxes{(100).} Unterredung des terres mit Demaratus{(101-105),} weiser dem seines Sieges sicher wähnenden König die Tapferkeit der Hellenen entgegenhält (102. 104), ohne jedoch Glauben zu finden (103.105).

Einsetzung des Magkames zum Befehlshaber in Doriscus (105), das er tapfer gegen alle Angriffe vertheidigt und darum durch jährliche Geschenke geehrt wird{(106),} eben wie Boges, der tapfere Vertheidiger von Eion{(107).}

Aufbruch von Doriscus und Fortsetzung des Marsches durch Thracien , Anschluß der Völker, die der Zug berührt, die Samothracischen Festen, , die Landschaft Briantica{(108);} Vorbeitrug an den Hellenismen Küstenstädten und einigen Seen{(109);} Thracische Völker, durch deren Land der Zug ging{(110;)} die Satren mit einem Orakel des Dionysus und den Bessen{(111);} die Festen der Pierier und das Pangäische Gebirge{(112');} weiterer Zug an dem Laude der Päonen, Doberer und Päoplen vorbei an den Strymon{(113);} Opfer der Magier bei dem Uebergang; die Persische Sitte des Begrabens Lebender{(114);} weiterer Zug an Argilus und an Stagirum vorbei nach Akanthus, Anschluß der dort wohnenden Völkerschaften{(115);} Belobung der Akanthier{(116);} Tod des Artachäes und Leichenbestattung, wie Verehrung nach seinem Tod{(117);} gewaltiger Aufwand der Städte für die Bewirthung des persischen Heeres{(118),} und Art der Bewirthung{(119),} der Scherz eines Abderiten darüber{(120);} Ordnung des Heerzuges bis Akanthus{(121).}

Fahrt der Flotte von dem Berg Athos an bis zu dem Vorgebirge Ampelus{(122)} und von da nach dem Thermaischen Meerbusen{(123),} wo es den König mit dem Landheer erwarten sollte. Zug des Landheeres von Akanthus durch das Binnenland{(124),} wo es von Löwen{(125)} und wilden Ochsen{(126)} angefallen wird. Das Lager bei Therma{(127).} Eine Seefahrt des Xerxes zur Betrachtung der Peneusmündung und des Tempethals{(128);} die Naturbeschaffenheit Thessaliens, das ursprünglich ein See war; dessen Flüsse{(129);} der Ausspruch des Xerxes über die Thessalier{(130)} Der Zug des Heeres durch Macedonien zu den Perrhäbern. Ankunft der zu den Hellenen geschickten Herolde{(131).}

Angabe der hellenischen Völker. welche dem Xerxes sich zu unterwerfen versprechen, und Beschluß der übrigen Hellenen wider dieselben{(132)} Grund der unterlassenen Sendung von Herolde nach Sparta und Athen{(133);} der Zorn des Talthybius und die beiden Spartaner, die ihn sühnen wollen{(134),} ihre Reise nach Susa und ihr Gespräch mit Hydarnes{(135),} ihr Verhalten vor Xerxes und dessen Großmuth{(136);} das Schicksal der Söhne beider Spartaner{(137).}

Stimmung der Hellenen, Angesichts des heranziehenden Perserheeres{(138).} Der Entschluß der Athener, dem nach des Geschichtschreibers Urtheil Hellas seine Befreiung verdankt{(139).} Wiederholte Befragung des delphischen Orakels durch die Athener, und die Sprüche des Gottes{(140.141);} verschiedene Meinungen über den Sinn dieser Sprüche{(142),} die Auslegung des Themistokles wird angenommen{(143);} noch ein anderer Antrag des Themistokles zur Verstärkung der attischen Seemacht{(144).}

Die Vereinigung der gutgesinnten Hellenen zu einem gemeinsamen Bunde, mit Wegfall aller früheren Feindschaften; Absendung von Spionen nach Asien, um das Heer des Xerxes auszukundschaften, wie von Gesandten nach Argos, Sicilien, Corcyra und Kreta um Beistand{(145).} Die nach Asien geschickten Spione werden dort ergriffen, aber von Xerxes freigelassen{(146);} Grund der Freilassung (wie auch in einem andern Fall) und Rückkehr der Spione nach Europa{(147).} Die Gesandten nach Argos und die bedingte Antwort der Argiver, nachdem sie das Orakel befragt{(148);} Gegenerklärung der Gesandten von Sparta und darauf deren Verweisung aus Argos mit abschlägiger Antwort{(149);} eine andere Sage von der A sendung eines Herolds durch Xerxes an die Argiver und dem Verhalten der letzteren{(150);} eine spätere Gesandtschaft Argiver an Artaxerxes, den Sohn des Xerxes{(151);} das Urtheil des Geschichtschreibers über das damalige Verhalten der Argiver{(152).}

Die Gesandten der Hellenen nach Sicilien zu Gelo: dessen Vorfahren , insbesondere Telines{(153);} Erhebung des Gelo durch feine kriegerische Tüchtigkeit unter der Herrschaft des Hippokrates{(154)} und nach dem Tode desselben zur Herrschaft von Gela und Syracus{(155),} das er durch Uebersiedelung der Bewohner anderer eroberten Städte sehr emporhebt{(156).} Ansprache der hellenischen Gesandten an Silo{(157)} und dessen au die Bedingung des Oberbefehls geknüpfte zusagende Antwort{(158);} Einsprache des spartanischen Gesandten{(159);} gemilderter Vorschlag des Gelo{(160),} Entgegnung des athenischen Gesandten{(161).} Abschlägige Antwort des Gelo{(162),} Rückreise der Gesandten und Sendung des Kadmus durch Gelo nach Delphi{(163)} frühere Schicksale des Kadmus und große Rechtlichkeit desselben{(164);} Krieg des Gela und Thero mit den durch Terillus und Anaxilas hrrbeigerufenen Carthagern unter Hamilkar{(165)} und siegreicher Kampf der Hellenen, Verschwinden des Hamilkar{(166);} die Sage der Carthager darüber{(167).} Dir Gesandtschaft nach Corcyra und die nur zum Schein zugesagte Unterstützung der Corcyräer{(168).} Die Gesandtschaft nach Kreta und das ben. Kretern ertheilte Orakel{(169);} der Tod des Kretischen Minos in Sicilien und der darauf dahin unternommene aber vergebliche Zug der Kreter, den minos zu rächen; Gründung der Stadt Hyria durch dir vom Sturm verschlagenen Kreter, so wie anderer Städte in Japygien, und Niederlage der Tarentiner und Naheginer im Kampf mit denselben{(170).} Entvölkerung Kreta's in Folge des Zugs nach Troja{(171).}

Gesandtschaft der Thessalier an diu auf dem Isthmus versammelten Bundesrath der Hellenen mit der Bitte um Unterstützung und Bewachung des olympischen Passes{(172);} Absendung eines hellenischen Heeres, das den Tempepaß besagt, aber, um nicht umgangen zu werden, und auf den Rath des Macedoniers Alexander, wieder sich zurückzieht{(173);} in Folge dessen werden die Thessalier medisch gesinnt{(174).}

Beschluß der Hellenen, den Thermopylenpaß zu bewachen und die Flotte bei Artemisium zu versammeln{(175);} Beschreibung beider Örtlichekeiten{(176);} Vollzug des Beschlusses{(177).} Die Anrufung der Winde durch die Delphier, zu Folge eines Götterspruchs{(178).}

Eine Vorhut von zehn persischen Schiffen verfolgt drei griechische Schiffe{(179),} von welchen das Trdzenische{(180)} und das Aeginetische, ungeachtet der Tapferkeit seines Führers Pythes{(181),} genommen wird, das dritte Attische aber auf den Strand geräth und von der Mannschaft, die sich rettet, verlassen wird, in Folge dessen zieht sich die Flotte der Griechen nach Chalcis zurück{(182);} die Sandbank Myrmex und die Ankunft der persischen Flotte bei dem Vorgebirge Sepias{(183).}

Nochmalige Zusammenrechnung der gesammten, bis dahin ohne Verluste gekommenen Macht der Perser zu Lande wie inden Schiffen{(184.185)} und des Gefolges{(186),} sammt dem übrigen Troß, und dessen täglicher Bedarf{(187).}

Aufstellung der Flotte bei Magnesia und heftiger Sturm{(188),} nach einer Sage durch den von den Athenern zum Beistand angerufenen Boreas{(189);} große Verluste der persischen Flotte durch den Sturm und Bereicherung des Aminokles durch die vom Meer an's Land geworfenen kostbaren Gegenstände{(190);} endliches Aufhören des Sturms nach mehrfachen Opfern und Beschwörungen{(191).} Die Hellenen, nachdem sie dem Poseidon, als Retter, Dankopfer dargebracht, kehren nach Artemisium zurück{(192).} Die persische Flotte segelt in den pagasäischen Meerbusen (die Sage von Herkules und den Argonauten) und ankert bei Aphetä{(193).} Fünfzehn persische Schiffe fallen in die Hände der Griechen mit ihren Führern Sandokes{(194),} Aridolis und Penthylus{(195).}

Xerxes mit dem Landheer zieht durch Thessalonien und Achaja nach dem Land der Melior{(196),} sein Verhalten zu Halus hinsichtlich des Heiligthums des Laphystischen Zeus, die Sage von Athamas und Phnxus{(197).} Der Marsch des Xerxes durch das Melische Land, die Trachinischen Felsen und Anticyra, die Flüsse Sperchius, Dyras und Melas{(198);} die Stadt Trachis und ihre Umgebung{(199);} der Fluß Phönix und die engste Stelle der Thermopylen, der Flecken Anthela, und der Versammlungsplatz der Amphiktyonen{(200)} Beide Heere einander gegenüber, Xerxes in Trachinia gelagert, die Hellenen in dem Engpaß der Thermopylen{(201).}

Zahl der von den einzelnen hellenischen Staaten nach den Thermopylen gesendeten Streitmacht{(202),} so wie der weiter aufgebotenen Opuntischen Lokrer und Phoker{(203);} ihre Führer, insbesondere der Oberfeldherr Leonidas und dessen Vorfahren bis auf Herkules{(204);} seine Erhebung zum Königthum und die von ihm mitgenommenen Spartaner und Thebaner{(205);} seine Sendung nach den Thermopylen als Vorhut, welcher nach den Karnien und Olympien das übrige Heer folgen sollte{(206);} Berathung der Hellenen bei den Thermopylen über ihr Verhalten bei dem Anzug des Persers{(207);} der von Xerxes abgesandte Späher{(208);} Gespräch des Xerxes mit Demaratus{(209);} vergeblicher Angriff der Meder und Cissier{(210)} und der Unsterblichen{(211);} eben so vergeblicher Angriff der Perser am folgenden Tag{(212).} Verlegenheit des Xerxes, aus der ihn der Verrath des Ephialtes reißt; dessen Tod{(213);} eine andere minder richtige Angabe von Onatas und Korydallus, als den eigentlichen Verräthern{(214);} Absendung des Hydarnes mit seiner Schaar nach dem von Ephialtes angegebenen Fußpfad über das Gebirge{(215),} Beschaffenheit dieses Pfades{(216).} Marsch der Perser auf diesem Pfade bis zur Höhe{(217),} wo sie auf die dort zur Wache aufgestellten Phoker stoßen, welche davon fliehen, und die Perser den Berg hinab steigen lassen{(218).} Berathung der Hellenen in den Thermopylen, alg sie sich umgangen sahen, und Abzug der Mehrzahl{(219);} Leonidas bleibt mit den Spartanern, in Folge eines Orakelspruches, und entläßt die übrigen{(220),} der Seher Megistias bleibt jedoch{(221)} so wie die Thespier und Thebaner; jene freiwillig, diese gezwungen{(222).} Angriff des Xerxes auf die aus dem Engpaß vorgerückten Hellenen und Sieg derselben{(223).} Tod des Leonidas und seiner Spartaner, so wie vieler Perser, darunter zweier Söhne des Darius{(224);} Kampf um den Leichnam des Leonidas, als die von Ephialtes geführte Schaar in den Rücken fällt, Tapferkeit der Hellenen{(225);} das Verhalten des Spartaners Dieneces{(226)} und zweier Brüder, so wie der Thespier{(227);} Bestattung der Gefallenen und ehrende Inschriften, für Alle, wie für die Spartaner und Megistias gesetzt{(228).} Die Aufopferung des zurückgebliebenen Eurytus und die Erhaltung des Aristodemus{(229);} eine andere Angabe darüber{(230);} die Beschimpfung des Aristodemus{(231)} und des Pantites, der sich erbangt{(232).} Der Uebergang der Thebaner zu den Persern und die Brandmarkung derselben{(233).} Gespräch des Xerxes mit dem Demaratus{(234)} und Rath desselben hinsichtlich der Fortsetzung des Krieges{(235} ; die Einsprache des Achämenes{(236),} dessen Meinung der König sich anschließt, aber den Demaratus nicht verletzt wissen will{(237).} Mißhandlung des Leichnames des Leonidas durch Xerxes{(238);} Erzählung der 'Art und Weise, in welcher Demaratus die Lacedämonier zuerst von dem Vorhaben des Xerxes, wider Hellas zu ziehen, benachrichtigt{(239).}


Siebentes Buch. Polymnia.

1.-2

Als die Nachricht von der Schlacht, welche bei Marathon stattgefunden, zu dem König Darius, dem Sohne des Hystaspes, gelangt war, gerieth er, da er schon vorher auf die Athener erbost war wegen des Einfalls in Sardes[*] ), noch weit mehr in Zorn und ward noch mehr angetrieben, wider Hellas zu Feld zu ziehen. Und alsbald sendete er Boten durch alle Städte[**] ) mit dem Befehl, ein Heer in Bereitschaft zu setzen, und legte er einer jeden (Stadt) noch weit mehr auf, als sie früher zu stellen hatte, an Schiffen[***] ) wie an Pferden, an Getreide und Fahrzeugen. Als nun dieser Befehl überall herum verkündet wurde, gerieth Asien drei Jahre lang in große Bewegung, und wurde die beste Mannschaft auserlesen und gerüstet, weil sie gegen Hellas zu Felde ziehen sollte. Im vierten Jahre[†][)] aber fielen die von Cambyses unterworfenen Aegyptier von den Persern ab: da wurde der König noch weit mehr getrieben, gegen beide Völker in den Krieg zu ziehen.



2.

Während nun Darius sich zum Zug wider Aegypten und Athen rüstete, entstand unter seinen Söhnen ein großer Streit über die Herrschaft, weil nach der Sitte der Perser; er erst dann, wenn er einen König ernannt, ins Feld ziehen sollte. Darius hatte nämlich schon früher, ehe er zur Regierung gelangt war, drei Söhne von seinem früheren Weibe, einer Tochter des Gobryas[*] ), und dazu waren, seit er König geworden, vier andere von der Atossa, der Tochter des Cyrus, gekommen; unter den früheren nun war Artabazanes der älteste, unter den nachher geborenen Xerxes: diese, die also nicht von derselben Mutter waren, stritten mit einander, Artabazanes, in so fern er von der gesammten Nachkommenschaft der älteste wäre, und weil es ja von allen Menschen so gehalten werde, daß der älteste die Herrschaft bekomme[**] ); Xerxes aber, weil er der Sohn der Atossa, der Tochter des Cyrus wäre, und Cyrus es sei, der den Persern die Freiheit erworben.



3.

Darius zögerte noch, seine Meinung auszusprechen, als zu derselben Zeit, in welcher dieß vorfiel, auch Demaratus erschien, des Aristo Sohn, welcher nach Susa hinaufgegangen war, nachdem er seines spartanischen Königthums beraubt worden und sich selbst Verbannung aus Lacedämon auferlegt hatte[***] ). Als dieser Mann von dem Zwist der Söhne des Darius gehört hatte, kam er, wie die Sage von ihm geht, zu Xerxes und rieth ihm, den Worten, die er gesagt, noch hinzuzufügen, daß er dem Darius geboren worden, als derselbe bereits König war und die Macht über die Perser besaß, Artabazanes aber, als Darius noch ein Privatmann war, mithin es meder billig noch gerecht sei, daß irgend ein Anderer ihm vorgehe in dem Besitz der königlichen Würde; da ja auch zu Sparta, wie ihm Demaratus angab, es so gehalten werde, daß, wenn Söhne da seien, geboren ehe ihr Vater König geworden, und ihm als König später ein Sohn nachgeboren würde, dieser Nachgeborne dann die Nachfolge im Königreich erlange[*] ). Von diesem Rath des Demaratus machte Xerxes Gebrauch, und Darius, in der Ueberzeugung, daß diese Behauptung richtig sei, ernannte ihn zum König. Nach meinem Ermessen würde indessen Xerxes auch ohne diesen Rath König geworden sein: denn die Atossa hatte alle Macht in Händen[**] ).



4.

Nachdem Darius den Xerxes zum König für die Perser ernannt hatte, wollte er sofort zu dem Feldzug schreiten. Allein nach diesen Vorfällen und nach dem Abfall Aegyptens, ein Jahr nachher, begab es sich, daß Darius selbst mitten unter diesen Zurüstungen starb[***] ), nachdem er in Allem sechs und dreißig Jahre geherrscht hatte: so war es ihm nicht mehr vergönnt, an den abgefallenen Aegyptern wie an den Athenern Rache zu nehmen. Nach dem Tode des Darius aber ging das Königreich auf seinen Sohn Xerxes über.



5.

Xerxes nun war keineswegs so eifrig darauf bedacht, gleich am Anfang wider Hellas zu Felde zu ziehen, sondern er zog vielmehr sein Heer wider Aegypten zusammen; da erschien aber der Mann, der bei ihm am meisten unter allen Persern vermochte, Mardonius, des Gobryas Sohn, welcher ein Vetter des Xerxes und des Darius Schwestersohn war, und wendete sich an ihn mit folgender Rede: "Gebieter! es gehört sich doch nicht, daß die Athener, welche den Persern schon so viel Uebel angethan haben, keine Strafe für das, was sie gethan, erleiden; darum magst du wohl jetzt das ausführen, womit du beschäftigt bist: hast du aber Aegypten, das sich übermüthig erhoben, wieder zur Ruhe gebracht, so ziehe mit deinem Heere wider Athen, damit du bei der Nachwelt einen guten Ruf gewinnest und auch später ein Jeder sich hüte, wider dein Land zu Felde zu ziehen. Es galt diese seine Rede zunächst der zu nehmenden Rache: aber er pflegte zu dieser Rede noch den Zusatz zu machen, daß Europa ein sehr schönes Land sei, welches fruchttragende Bäume mannigfacher Art trüge, einen herrlichen Boden besitze und es verdiene, in den Besitz des Königs allein unter den Sterblichen zu gelangen.



6.

Also sprach er, weil es ihn nach irgend einer neuen Unternehmung gelüstete und weil er selbst Statthalter von Hellas sein wollte; nach einiger Zeit auch gewann er den Xerxes und beredete ihn, dies zu thun: denn es war auch noch anderes dazu gekommen, was sein Bemühen, den Xerxes zu überreden, unterstützte. Es waren nämlich aus Thessalien von den Aleuaden[*] ) Boten angekommen, welche des Königs Hilfe wider Hellas anriefen und dabei asen Eifer anwendeten. Diese Aleuaden waren Könige von Thessalien; dann aber auch waren die Pisistratiden nach Susa hinauf gekommen[**] ) und führten dieselben Reden, wie die Aleuaden, sa sie drangen noch weit mehr mit ihren Bitten in ihn, weil sie den Onomakritus aus Athen[***] ) bei sich hatten, einen Weissager und Ordner der Orakelsprüche des Musäus; sie waren aber nach Susa gezogen, nachdem sie vorher mit demselben die Feindschaft ausgesöhnt hatten; Onomakritus war nämlich von Hipparchus, dem Sohne des Pisistratus, aus Athen vertrieben worden, weil er vom Lasus aus Hermione *) auf frischer That ergriffen worden war, als er in die Orakel des Musäus[**] ) einen Spruch einschob, des Inhalts, daß die bei Lemnus liegenden Inseln ins Meer sinken und verschwinden würden[***] ): deßwegen hatte ihn Hipparchus vertrieben, obwohl er vorher mit demselben viel verkehrt hatte. Damals aber war er mit jenen nach Susa gegangen, und so oft er vor das Angesicht des Königs kam, da die Pisistratiden viel Aufhebens von ihm machten, trug er einige dieser Orakelsprüche vor; war nämlich in denselben Etwas für den Barbaren Nachtheiliges enthalten, so sagte er davon Nichts: dagegen wählte er das am meisten Glück verheißende aus, bemerkte, wie es vom Schicksale bestimmt sei, daß der Hellespont von einem Perser überbrückt würde, und erklärte sodann den ganzen Zug. So kam dieser noch mit seinen Orakelsprüchen dazu, während die Pisistratiden und Aleuaden ihre Ansichten auseinandersetzten.



7.

Als Xerxes dadurch überredet war, den Feldzug wider Hellas zu unternehmen, veranstaltete er in dem nächsten Jahre[*] ) nach dem Tode des Darius zuerst einen Feldzug wider die abgefallenen (Aegyptier). Als er diese nun unterworfen und ganz Aegypten in noch weit härtere Knechtschaft gebracht hatte, als es unter Darius der Fall war, übergab er dasselbe dem Achämenes, seinem eigenen Bruder und Sohn des Darius. Aber einige Zeit nachher tödtete Inarus, des Psammetichus Sohn, ein Libyer, diesen Achämenes, welcher Statthalter von Aegypten war[**] ).



8.

Nach der Eroberung Aegyptens veranstaltete Xerxes, als er eben im Begriffe war, die Führung des Heeres, das gegen Athen bestimmt war, anzutreten, eine Zusammenkunft der angesehensten Perser[***] ), um deren Meinungen zu vernehmen und selbst vor Allen seinen Willen zu erklären.

1) Wie sie nun versammelt waren, sprach Xerxes Folgendes: Ihr Perser! ich gedenke nicht für mich diese Sitte bei euch einzuführen, sondern da ich sie überkommen habe, nach ihr mich zu richten; denn, wie ich von den Aelteren höre, sind wir nie ruhig geblieben, seit wir diese Herrschaft von den Medern bekommen haben, nachdem Cyrus den Astyages gestürzt hat[*] ): sondern also führt uns die Gottheit, und wenn wir ihr folgen, so schlägt es meist zu unserm Besten aus. Wie viele Völker nun Cyrus und Cambyses und mein Vater Darius bewältigt und ihrer Herrschaft hinzugefügt haben, das wißt ihr wohl und braucht man euch nicht anzugeben. Ich aber, seit ich den Thron bestiegen, dachte stets daran, nicht hinter denjenigen zurückzubleiben, welche früher diese Würde bekleidet, und keine geringere Macht den Persern zu gewinnen. Also darüber nachdenkend finde ich, daß auf der einen Seite Ruhm uns zu Theil wird und ein nicht geringeres, auch nicht schlechteres Land, als das, was wir jetzt besitzen, sondern ein viel erträglicheres, auf der andern Seite aber auch zugleich Rache und Vergeltung. Deßwegen habe ich euch jetzt versammelt, um euch vorzulegen, was ich zu thun gedenke.

2) Ich habe die Absicht, über den Hellespont eine Brücke zu schlagen und darüber ein Heer mitten durch Europa gegen Hellas zu führen, um an den Athenern Rache zu nehmen für Alles Das, was sie je den Persern und meinem Vater angethan haben. Ihr saht nun, wie auch Darius gedachte wider diese Männer zu Felde zu ziehen; allein er ist gestorben, ohne daß es ihm vergönnt war, Rache sich zu nehmen; darum will ich für Jenen und für die übrigen Perser nicht eher ruhen, als bis ich dieses Athen erobert und in Brand gesteckt habe, da es mich und meinen Vater zuerst beleidigt hat. Erstlich zogen sie nach Sardes zugleich mit Aristagoras von Milet, der doch unser Unterthan war, und steckten nach ihrer Ankunft die Haine und Heiligthümer in Brand **); was sie aber hernach uns angethan, als wir in ihrem Gebiet landeten unter Führung des Datis und Artaphernes[*] ), das wißt ihr wohl Alle.

3) Um dieser Ursachen willen bin ich fest entschlossen, wider sie zu Felde zu ziehen: auch finde ich bei näherer Ueberlegung noch folgende Vortheile dabei : wenn wir diese und ihre Nachbarn, welche das Land des Phrygiers Pelops[**] ) bewohnen, unterwerfen, so werden wir zeigen, daß das persische Land nur den Himmelsraum des Zeus zur Grenze hat; denn die Sonne wird fürwahr kein Land bescheinen, das noch an das unsere grenzt, sondern ich werde sie alle zugleich mit euch zu einem einzigen Land verbinden, nachdem ich durch ganz Europa hindurchgezogen bin. Denn wie ich höre, verhält es sich also, daß auch nicht eine Stadt von Männern und auch nicht ein Volk auf der Welt mehr da ist, welches im Stande wäre, mit uns in einen Kampf sich einzulassen, wenn diejenigen, die ich aufgezählt habe, beseitigt sind; also werden sowohl diejenigen, die es gegen uns verschuldet, das Joch der Knechtschaft tragen, als die, welche unschuldig sind.

4) Ihr aber werdet mir zu Gefallen also thun: wenn ich euch die Zeit angegeben, zu der ihr kommen sollt, so soll ein Jeder von euch bereitwillig erscheinen; wer aber dann kommt und ein auf's schönste gerüstetes Heer mitbringt, dem will ich Geschenke[***] ) geben, welche für die ehrenvollsten gelten in unserm Reich. Dieß also hat in dieser Weise zu geschehen. Damit ich aber nicht vor euch als ein Mann erscheine, der blos seiner Meinung folgt, lege ich euch die Sache vor und fordre einen Jeden von euch, der da will, auf, seine meinung zu sagen. Mit diesen Worten schloß er.



9.

Nach ihm aber sprach Mardonius[†] ): O Gebieter, du bist der beste von allen Persern, nicht blos von denen, die da gewesen sind, sondern auch von denen, die da sein werden: hast du doch nicht nur in allem Andern ganz gut und wahr gesprochen, sondern auch dann, daß du nicht zugeben willst, daß die Ionier, welche in Europa wohnen, uns verlassen, da sie doch unsrer nicht würdig sind: denn es wäre doch eine arge Sache, wenn wir, die wir Saken und Inder[*] ), wie Aethiopen und Assyrier und so viele andere große Völker, die den Persern gar nichts zu Leid gethan, blos um unsere Macht zu vermehren, unterworfen und unterthänig gemacht haben, an den Hellenen, die uns zuerst Unrecht zugefügt, uns nicht rächen wollten! was hätten wir denn zu fürchten ? welches Zusammenströmen von Massen, welche Mittel und Macht? kennen wir doch ihren Kampf, wir wissen, wie gering ihre Macht ist; haben wir doch ihre Söhne unterworfen, eben diejenigen, welche in unserm Welttheil wohnen; Ionier, Aeolier und Dorier[**] ) heißen sie. Ich selbst habe auch schon versucht, wider diese Männer zu Felde zu ziehen, auf Befehl deines Vaters[***] ): bis Macedonien war ich gezogen und wenig fehlte, daß ich nach Athen selbst gekommen wäre, ohne daß Jemand mir sich entgegen gestellt zum Kampfe. Und doch pflegen die Hellenen, wie ich höre, auf die unüberlegteste Weise Kriege mit einander anzufangen aus Uebermuth und Unverstand. Denn wenn sie einander den Krieg angekündigt haben, so begeben sie sich auf das schönste und ebenste Land, das sie ausfindig gemacht haben, und halten hier den Kampf, so daß die Sieger mit großem Nachtheil davon ziehen: von den Besiegten rede ich überhaupt nicht: denn sie gehen in der That ganz zu Grunde[†] ); nun sollten sie doch, da sie gleiche Sprache mit einander reden, lieber durch Herolde und Boten ihre Streitigkeiten mit einander schlichten[††] ) und jedes Mittel eser anwenden, als Kämpfe: sollten sie aber durchaus mit einander Krieg führen müssen, so sollten sie einen Platz ausfindig machen, auf welchem für beide Theile der Sieg am schwersten wird, und hier sich versuchen. Da nun die Hellenen auf eine solche schlechte Weise verfahren, sind sie, als ich bis nach dem macedonischen Lande gezogen war, gar nicht einmal dazu gekommen, in einen Kampf mit mir sich zu stellen.

Wer aber, o König, sollte wohl dir entgegentreten und dich bekämpfen wollen, da du die Heeresmacht aus ganz Asien und alle die Schiffe desselben mit dir führst? wie ich es ansehe, werden die Hellenen zu solcher Vermessenheit sich nicht versteigen. Sollte ich aber wirklich mich in meiner Ansicht irren und jene sich aus Unüberlegtheit verleiten lassen, mit uns in einen Kampf zu treten, so würden sie wohl erfahren, daß wir in Allem, was auf den Krieg sich bezieht, die besten auf der Welt sind. Es soll nun aber Nichts unversucht gelassen werden. Denn von selbst kommt Nichts, sondern Alles pflegt auf der Welt aus einem Versuch zu Stande zu kommen, Also schloß Mardonius, nachdem er des Xerxes Meinung in einer so gefälligen Weise darzustellen gewußt hatte.



10.

Während die übrigen Perser schwiegen und es nicht wagten, eine der vorliegenden Meinung entgegengesetzte auszusprechen, trat Artabanus auf, des Hystaspes Sohn, welcher des Xerxes Oheim war, sich darauf auch in der That verließ, und sprach also: (§. 1.) O König, wenn keine einander entgegenstehenden Meinungen ausgesprochen sind, so ist es nicht möglich bei einer Wahl die bessere zu wählen, sondern man muß die vorgetragene nehmen; sind aber mehrere Meinungen ausgesprochen, so geht es an, gerade wie wir das reine Gold selbst an sich nicht erkennen: reiben wir es aber an anderem Golde, so erkennen wir das bessere. Auch deinem Vater, meinem Bruder, dem Darius, rieth ich ab[*] ) von dem Feldzug wider die Scythen, weil diese Leute nirgends im Lande in einer Stadt wohnen[**] ); er folgte mir jedoch nicht, weil er hoffte, die herumziehenden Scythen zu unterwerfen , und kehrte dann von seinem Heereszug mit dem Verluste vieler tapferen Krieger zurück. Du, o König, willst nun gegen Männer zu Felde ziehen, welche weit besser sind, als die Scythen, und zur See wie Lande für die besten gelten; darum halte ich es für Recht, dir anzugeben, was dabei zu befürchten steht. (§. 2.) Du erklärst, du wollest über den Hellespont eine Brücke schlagen und dann ein Heer mitten durch Europa wider Hellas führen; hier kann es nun allerdings sich zutragen, daß du eine Niederlage erleidest, es sei zu Lande oder auch auf dem Meere oder auch auf beiden: denn die Hellenen sollen streitbare Männer sein; man kann dieß auch daraus abnehmen, daß ein so großes Heer, weiches mit Datis und Artaphernes in das attische Land gedrungen war, die Athener allein vernichtet haben. Ist es ihnen nun auch nicht in beiden Fällen gelungen, so wird doch, wenn sie sich auf deine Schiffe werfen und nach einem Siege zur See nach dem Hellespont schiffen und dann die Brücken abbrechen, die Sache, o König, wirklich bedenklich. (§. 3.) Ich schließe dieß keineswegs nach meiner eigenen Einsicht, sondern weil wenig fehlte, so hätte uns ja beinahe ein solches Unglück getroffen, als dein Vater, nachdem er eine Brücke über den thracischen Bosporus geschlagen hatte und den Fluß Ister überbrückt hatte, darüber zog wider die Scythen. Damals suchten die Scythen auf alle Weise durch Bitten die Ionier, welchen die Bewachung der Brücke über den Ister anvertraut war, zu bewegen, den Uebergang abzubrechen; und wäre damals Histiäus, der Herrscher von Milet, der Meinung der übrigen Herrscher gefolgt und hätte sich nicht widersetzt[*] ), so wäre es um die Macht der Perser geschehen gewesen. Wahrhaftig, es ist schon arg genug, nur zu hören, daß die ganze Macht des Königs an einem einzigen Manne hing. (§. 4.) Darum wolle du nicht in irgend eine Gefahr der Art dich stürzen, wo dich nicht die Nothwendigkeit dazu drängt, sondern folge mir: entlasse für jetzt diese Versammlung; hernach aber, wenn es dir gefällt und du die Sache für dich vorher überlegt hast, eröffne uns, was dir am besten zu sein scheint. Denn es ist doch nach meinem Ermessen der größeste Gewinn, sich wohl zu berathen. Mag dann auch Etwas entgegen getreten sein, so ist die Berathung darum doch gut gewesen und ist der Entschluß dem Zufall unterlegen; wer sich aber schlecht berathen, der hat, wenn ihn der Zufall begünstigen Sollte, nur einen glücklichen Fund gethan, und nichts desto weniger sich schlecht berathen[*] ). (s. 5.) Siehst du, wie die Gottheit die hervorragenden Thiere mit dem Blitze trifft und nicht sich erheben läßt, während die kleinen Thiere sie nicht reizen? siehst du, wie sie stets auf die größesten Wohnungen und auf Bäume der Art die Blitze schleuderte denn die Gottheit pflegt Alles, was hervorragt, zu vernichten. So wird nun auch ein großes Heer von einem kleinen in folgender Weise zu Grunde gerichtet. Wenn die Gottheit aus Neid[**] ) Furcht oder Donner unter sie wirft, so gehen sie zu Grunde auf eine ihrer selbst unwürdige Weise: denn die Gottheit läßt nicht zu, daß ein Andrer stolz sich erhebe über sie selbst. (s. 6.) Uebereilung nun bringt bei jeder Sache Fehler hervor, aus welchen große Nachtheile hervorzugehen pflegen; in der Zurückhaltung aber liegt Heil, das man, wenn auch nicht im ersten Augenblick als solches erscheint, doch mit der Zeit zu erkennen vermag. Dieses also, o König, ist mein Rath. (§. 7.) Du aber, Mardonius, Sohn des Gobryas, höre doch auf solche nichtige Reden über die Hellenen führen, die es wahrhaftig nicht verdienen, so geringschätzig angesehen zu werden; denn dadurch, daß du die Hellenen verläumdest, reizest du den König selbst einem Feldzug, und darum eben scheinst du mir allen Eifer anzuwenden; und doch sollte dieß nicht geschehen; denn Verläumdung ist eine sehr arge Sache, in so ferne zwei dabei sind, welche Unrecht thun, und Einer, der Unrecht leidet. Der Verläumder nämlich thut Unrecht, da er von einem Abwesenden Nachtheiliges aussagt, und eben so thut auch der Andere Unrecht, in so ferne er glaubt, ehe er genaue Kenntniß erhalten hat. Der aber, welcher von der Rede abwesend ist, leidet in Bezug auf beide darin Unrecht, daß er von dem Einen verläumdet ist, und von dem Anderen für schlecht gehalten wird[*] ). (s. 8.) Wenn aber nun durchaus ein Feldzug wider jene Männer stattfinden soll, wohlan, so soll der König selbst im Perserlande verbleiben; wir beide aber wollen unsere Kinder den Gefahren des Krieges hingeben und du selbst sollst das Heer vorführen, nachdem du die Männer ausgewählt, , welche du willst, und ein Heer erhalten hast, so groß, als du es nur wünschest; und wenn dem Könige die Sache so ausgeht, wie du sagst, so sollen meine Söhne getödtet werden, und auch ich zu diesen; wenn es aber geht, wie ich vorhersage, so sollen deine Söhne dieß erleiden und mit ihnen auch du, wenn du zurückgekehrt bist. Willst du aber dieß nicht eingehen, sondern durchaus ein Heer wider Hellas führen, so glaube ich noch Mancher von denen, die hier zurückgeblieben sind, wird es hören, daß Mardonius, nachdem er großes Unheil über die Perser gebracht, von Hunden und Vögeln zerrissen worden[**] ), entweder irgend wo in dem Lande der Athener oder auch der Lacedämonier, wenn nicht schon vorher auf dem Wege, und daß du dann auch erkannt haben wirst, was das Männer sind, gegen welche du den König beredest zu Felde zu ziehen.



11.

Dieses sprach Artabanus: Xerxes aber, von Zorn ergriffen, erwiderte ihm mit Folgendem; Artabanus, du bist ein Bruder meines Vaters: dieß wird dich retten, so daß du nicht den verdienten Lohn so nichtige Reden empfängst; dafür lege ich dir, weil du feige und muthlos bist, diese Schmach auf, daß du nicht mit mir gegen Hellas ziehst, sondern hier zu bleiben hast bei den Weibern; ich aber werde auch ohne dich Alles, was ich gesagt habe, ausführen; denn ich möchte nicht ein Sohn des Darius sein[***] ), des Sohnes des hystaspes, des Sohnes des Arsames, des Sohnes des Ariaramnes, des Sohnes des Teispes, des Sohnes des Cyrus, des Sohnes des Cambyses, des Sohnes des Teispes, des Sohnes des Achämenes[*] ), ohne mich gerächt zu haben an den Athenern, da ich wohl weiß, daß, wenn wir ruhig bleiben werden, jene gewiß nicht ruhig bleiben, sondern sogar gegen unser Land zu Felde ziehen werden, wenn man aus dem, was von ihnen geschehen ist, einen Schluß machen darf, da sie ja Sardes in Brand gesteckt und nach Asien gezogen sind. Daher ist es in keinem Falle möglich auszuweichen, sondern es gilt jetzt einen Kampf, zu handeln oder zu leiden, entweder muß all dieses Land unter die Hellenen, oder jenes Alles unter die Perser kommen; denn ein Mittleres zwischen der Feindschaft gibt es nicht. Daher wird es uns wohl anstehen, für das, was wir bereits vorher erlitten, uns zu rächen, damit ich dann auch die Gefahr erkenne, in die ich gerathen werde, wenn ich wider solche Männer mein Heer führe, welche doch schon Pelops, der Phrygier[**] ), der ein Unterthan meiner Väter war. in solcher Weise unterworfen hat, daß bis auf diesen Tag die Menschen selbst, wie ihr Land, den Namen dessen tragen, der sie unterjocht hat.



12.

So weit ward das Gespräch geführt. Kaum aber war die Nacht eingetreten, so regte den Xerxes die Meinung des Artabanus sehr auf, und da er in der Nacht sich die Sache überlegte, fand er, daß es für ihn nicht gut sei, wider Hellas zu Felde zu ziehen: nachdem er aber zu, einem andern Beschluß gekommen war, verfiel er in Schlaf: und in dieser Nacht sah er, wie von den Persern erzählt wird, folgendes Traumgesicht[*] ). Es kam ihm vor, wie wenn ein großer und wohlgestalteter Mann neben ihm stehe und zu ihm spräche: Also andern Sinnes bist du ,o werfer, und willst nicht wider Hellas ein Heer führen, nachdem du den Persern geboten, ein Heer zu sammeln? Du thust nicht wohl daran, nun anderen Sinnes zu werden, und ist auch nicht Einer da, der dir beistimmen wird, sondern, wie du am Tage entschlossen warst zu thun, diesen Weg gehe. Nachdem der Traum diese Worte gesprochen, flog er, so kam es dem Xerxes vor, davon.



13.

Als aber der Tag angebrochen war, nahm Xerxes auf diesen Traum gar keine Rücksicht, sondern versammelte eben die Perser, die er auch vorher versammelt hatte, und sprach zu ihnen Folgendes: Ihr Perser verzeiht mir, daß ich meinen Entschluß geändert; denn ich bin noch nicht auf die Höhe der Weisheit gelangt, und diejenigen, welche mir rathen Jenes zu thun, weichen keinen Augenblick von mir. Zwar brauste, als ich die Meinung des Artabanus gehört hatte, sofort meine Jugend auf, so daß ich unziemlichere Worte gegen einen alten Mann ausstieß, als es hätte geschehen sollen. Indessen jetzt bin ich zur Einsicht gekommen und will seiner Meinung folgen. Da ich also mich anders besonnen und nicht wider Hellas zu Felde zu ziehen gedenke, so bleibt ruhig zu Hause. Als die Perser dieß gehört hatten, warfen sie voll Freude sich in aller Ehrfurcht vor ihm nieder.



14.

Als es aber Nacht geworden war, trat wiederum dasselbe Traumgesicht zu Xerxes im Schlafe und sprach zu ihm: o Sohn des Darius, du hast also wirklich vor den Persern kund gegeben, daß du den Feldzug abgesagt, und meine Worte für nichts achtest, wie wenn du sie von Niemand gehört hättest: darum wisse nun wohl, daß, wenn du nicht sogleich den Feldzug unternimmst, daraus Folgendes für dich erwachsen wird: wie du groß und stark in geringer Zeit geworden bist, so wirst du auch wieder niedrig werden in Schnelligkeit[*] ).



15.-16

Da gerieth Xerxes in große Furcht über das Traumgesicht, sprang von seinem Lager auf und schickte einen Boten ab, den Artabanus zu rufen. Als dieser darauf angekommen war, sprach Xerxes zu ihm Folgendes: Artabanus! es war im ersten Moment unbesonnen von mir, gegen dich um deines guten Rathes willen thörichte Reden zu führen: indeß nach nicht langer Zeit ward ich andern Sinnes und erkannte, daß ich das thun mußte, was du mir angerathen hast. Nun aber bin ich in der That nicht im Stande dieß zu thun, auch wenn ich wollte: denn seit ich umgewandt bin und andern Sinnes geworden, ist mir ein Traum erschienen, der durchaus nicht will, daß ich dieß thue; jetzt ist er sogar unter Drohungen weggegangen. Wenn nun der, welcher den Traum schickt, ein Gott ist, und dessen Wille es durchaus ist, daß ein Feldzug wider Hellas geschieht, so wird derselbe Traum auch zu dir kommen, mit ähnlichen Aufträgen wie an mich. Dieß könnte aber, wie ich mir denke, in der Weise geschehen, wenn du meine ganze Kleidung nahmest und anlegtest, hernach auf meinen Thron dich setzen, und alsdann auf meinem Lager schlafen würdest.


***
16.

Dieß sprach zu ihm Xerxes. Artabanus aber wollte der an ihn ergangenen Aufforderung zuerst nicht Folge leisten, weil er es nicht angemessen fand, auf den königlichen Thron sich zu setzen[**] ); als er aber am Ende genöthigt wurde, that er, was ihm befohlen war nachdem er Folgendes gesagt hatte: o König, bei mir gilt es gleich vier, weise zu sein und dem, der einen guten Rath gibt, bereitwillig zu folgen: beides kommt zwar auch dir zu, allein der Umgang mit schlechten Menschen führt dich irre, gerade wie dem Meere, das doch unter Allem das nützlichste ist für die Menschen, einfallende Winde, wie man behauptet , nicht gestatten, so zu diesen, wie es von Natur aus ist[*] ). Mich aber verletzte, als ich von dir geschmähet ward, nicht so sehr der Schmerz über die erlittene Kränkung, als der Umstand, daß, als zwei Meinungen den Persern vorlagen, von welchen die eine den Uebermuth steigerte, die andere ihn beschwichtigte und nachwies, wie schlimm es sei, die Seele zu lehren, stets noch mehr gewinnen zu wollen als man hat, du unter solchen vorliegenden Meinungen die für dich und die Perser nachtheiligere wähltest. (s. 2.) Jetzt nun, nachdem du zur besseren dich gewendet, kommt, wie du sagst, während du den Zug wider die Hellenen einstellen wirst, über dich in Folge einer göttlichen Schickung ein Traumgesicht, welches dir nicht gestatten will, den Zug aufzugeben. Aber, o Sohn, dieß ist eben nichts Göttliches. Denn die Träume, welche die Menschen umschwirren, sind so beschaffen, wie ich dich belehren will, da ich um viele Jahre älter bin wie du[**] ). Es pflegen nämlich meistens solche Traumgesichter vorzukommen, welche sich auf das beziehen, woran man bei Tage denkt, wir aber haben in den Tagen zuvor uns gar zu sehr mit diesem Feldzug beschäftigt. (§. 3.) Wenn dieß aber wirklich Nichts der Art ist, wie ich es ansehe, sondern irgendwie ein Gott daran Antheil hat, so hast du, dieß Alles kurz zusammengefaßt , dahin dich ausgesprochen, daß dann auch mir wie dir der Traum mit dem gleichen Befehl erscheine: es muß aber derselbe mir eben so gut erscheinen, wenn ich deine Kleidung anhabe, als die meine, und eben so gut, wenn ich auf deinem Lager ruhe, als auf dem meinen, wenn er anders überhaupt erscheinen will. Denn was es auch ist, was im Schlafe dir erscheint, es ist doch wahrhaftig nicht so sehr einfältig, daß es, wenn es mich sieht, nach deiner Kleidung auf den Gedanken kommen wird, du wärest es: wenn es aber mich ganz und gar nicht beachten, und auch nicht einer Erscheinung würdigen wird, mag ich nun meine Kleidung anhaben oder die deine, sondern wenn es dich besuchen wird, so muß man dieß schon beachten. Denn, wenn es wirklich anhaltend dich besuchen sollte, so würde auch ich selbst behaupten, daß es göttlich sei. Wenn es nun aber von dir beschlossen ist, daß also geschehe, und es nicht möglich ist, dieß abzuwenden, sondern ich auf deinem Lager nun schlafen soll, wohlan, so soll es von meiner Seite geschehen, und das Traumgesicht dann auch mir erscheinen. Bis dahin aber werde ich bei meiner Meinung bleiben.




17.

Nachdem Artabanus dieß gesprochen hatte, in der Hoffnung, den Xerxes eines Bessern zu belehren, that er wie ihm befohlen war; er zog die Kleidung des Xerxes an, setzte sich auf den königlichen Thron, und so wie er eingeschlafen war, kam zu ihm im Schlaf dasselbe Traumgesicht, das auch den Xerxes besuchte, stellte sich über sein Haupt und sprach Folgendes: du bist also wirklich jener Eine, der den Xerxes von dem Zuge wider Hellas abbringen will, in dem Glauben, für ihn damit zu sorgen; aber es wird dir weder nachher, noch für jetzt gelingen, abzuwenden, was das Schicksal will. Was Xerxes, wenn er nicht hört, erdulden soll, ist ihm selbst offenbart.



18.

Diese Drohung glaubte wirklich Artabanus von dem Traumgesicht zu vernehmen, und war es ihm, als wollte dasselbe ihm die Augen mit glühendem Eisen ausbrennen. Mit einem gewaltigen Schrei sprang er auf, setzte sich dann neben den Xerxes, und als er die Erzählung von dem Traumgesicht beendigt hatte, sprach er noch weiter zu ihm Folgendes: ich habe, o König, da ich im Leben schon so viele große Dinge durch kleinere dahinsinken sah, dir widerrathen, deiner Jugend in Allem nachzugeben, weil ich weiß, wie schlimm es ist, nach Vielem zu trachten, und eingedenk bin des Ausganges, welchen der Zug des Cyrus wider die massageten nahm[*] ), so wie des Zuges des Cambyses wider die Aethiopen[**] ), überdem auch den Darius gleitet habe auf seinem Feldzug wider die Scythen[***] ); und ich dieß weiß, war ich der Ansicht, du würdest, wenn du ruhig bliebest, von allen Menschen glücklich gepriesen sein. Da nun von Seiten der Gottheit ein Antrieb kommt und die Hellenen, wie es den Anschein hat, nach göttlicher Fügung Vernichtung trifft, so wende ich mich selbst um und bin anderer Meinung. Du aber eröffne den Persern, was von Seite des Gottes dir zugeschickt wird, und gebiete ihnen nachzukommen deinem früheren Befehl in Bezug auf die Rüstung: mache es also, damit, da die Gottheit es dir bietet, Nichts von deiner Seite fehle. Nach diesen Worten fühlten sich beide durch das Traumgesicht gehoben, und so wie es Tag geworden war, legte Xerxes den Persern Alles vor, und Artabanus, welcher früher allein offen abgerathen, sprach nun eben so offen sich dafür aus.



19.

Während nun Xerxes sich anschickte zum Kriegszug, erschien ihm nachher im Schlafe ein drittes Gesicht, welches die Magier, als sie es vernommen hatten, dahin deuteten, daß es auf die ganze Erde sich beziehe und alle Menschen ihm unterwürfig sein würden. Dieses Traumgesicht war folgender Art. Dem Xerxes kam es als wäre er mit einem Oelzweig[†] ) bekränzt; von dem Oelbäume verbreiteten sich die Zweige über die ganze Erde; nachher aber wäre der Kranz, der um das Haupt lag, verschwunden. Nachdem die Magier den Traum also gedeutet hatten, zog von den versammelten Persern sogleich ein Jeder in seine Statthalterschaft und war voll Eifer, dem Befehle nachzukommen, weil ein Jeder die in Aussicht gestellten Geschenke[*] ) erhalten wollte; auch Xerxes war bemüht, sein Heer in der Weise zusammen zu ziehen, indem er jeglichen Ort des Festlandes durchforschte.



20.-21

Denn vier volle Jahre hindurch[**] ) seit der Eroberung von Aegypten war Xerxes mit der Ausrüstung des Heeres und mit allem dem, was dem Heere nöthig war, beschäftigt; im Laufe des fünften Jahres[***] ) erst begann er den Feldzug mit einer gewaltigen Menschenmasse. Denn unter allen Kriegszügen, welche wir kennen, war dieser in der That bei weitem der größeste; so daß der Zug des Darius wider die Scythen gar nicht in Vergleich mit diesem kommen kann, und eben so wenig der Zug der Scythen[†] ), als diese bei der Verfolgung der Cimmerier in das medische Land einfielen, fast das ganze obere Asien[††] ) unterwarfen und behaupteten, weßwegen später Darius sich rächen wolle[†††] ), desgleichen der Zug der Asen nach Ilium[§] ) der Sage nach, und der Zug der Myser und Teuker[§§] ), welcher vor dem tropischen Kriege stattfand, als diese Völker bei dem Bosporus nach Europa hinübersetzten und alle Thracier sich unterwarfen, dann auch an das jonische Meer[*] ) herabstiegen und bis zu dem Flusse Peneius[**] ) nach Süden zogen.


***
21.

Alle diese Kriegszüge, und wenn auch noch andere außer diesen stattgefunden haben, sind nicht mit diesem Einen zu vergleichen, denn wo war ein Volk, welches Xerxes nicht aus Asien führte wider Hellas? wo ein Wasser, das zum Trinken ausreichte[***] ), die großen Ströme ausgenommen? denn die einen stellten Kriegsschiffe, die andern waren zum Fußvolk eingetheilt, den andern war Reiterei auferlegt, den andern Schiffe zum Transport der Pferde, zugleich mit den ins Feld ziehenden Reitern: andere mußten zu den Brücken lange Schiffe stellen, andere Lebensmittel und Schiffe[†] ).




22.

Und weil bei der ersten Umfahrt um den Athos die Flotte so sehr gelitten[††] ), ließ Xerxes seit wohl drei Jahren Vorbereitungen neffen in Bezug auf den Athos; von den Triremen nämlich, welche bei Eläus[†††] ) im Chersones lagen, kam mancherlei Kriegsvolk herangezogen, welches unter Peitschenhieben graben mußte und bei dieser Arbeit mit einander abwechselte, sogar die um den Athos Herumwohnenden hatten mitzugraben: und Bubares[§] ), des Megabazus Sohn, und Artachäes[*] ), des Artäus Sohn, beides Perser[**] ), führten die Aufsicht über das Werk. Denn der Athos[***] ) ist ein großes und namhaftes Gebirge, das sich in das Meer hinein zieht und von Menschen bewohnt ist; da aber, wo es in das feste Land ausgeht, sieht es wie eine Halbinsel aus und ist eine Landzunge von etwa zwölf Stadien (in der Breite); es ist dieß eine Ebene, welche von dem Meere der Akanthier[†] ) aus bis zu dem entgegengesetzten Meere bei Torone reicht, mit einigen nicht bedeutenden Hügeln; an dieser Landzunge , in welche der Athos ausgeht, liegt Sane, eine hellenische Stadt[††] ): die Städte aber, welche innerhalb[†††] ) Sano, also im Innern des Athos liegen, welche der Perser aus Festländern zu Inselbewohnern zu machen gedachte, sind folgende: Dion, Olophyxus, Akrothoon, Thyssus, Kleonä[§] ); dieß sind die Städte, welche auf dem Athos liegen.



23.-24

Es gruben aber die Barbaren, nachdem sie den Platz nach den einzelnen Völkern abgetheilt und bei der Stadt Sane eine schnurgerade Linie gezogen hatten, auf folgende Weise; weil nämlich der Graben tief wurde, standen die Einen, welche gruben, ganz unten, und Andere reichten den jedesmal ausgegrabenen Schutt Andern, welche über ihnen auf Leitern standen, und diese wieder 'Andern, bis sie zu den ganz oben Stehenden kamen, welche die Erde heraustrugen und wegwarfen. Es hatten aber, mit Ausnahme der Phönicier, alle Andern eine doppelte Arbeit, weil die abschüssigen Ränder des Grabens einfielen; da nämlich der obere wie der untere Theil des Grabens gleich weit angelegt ward, so mußte es wohl so kommen. Die Phönicier aber zeigten auch hier, wie bei andern Arbeiten, ein besonderes Geschick. Denn so wie sie den Antheil, so viel ihnen zufiel, bekamen, gruben sie in der Weise, daß sie den oberen Theil des Grabens noch einmal so breit machten, als der Graben überhaupt werden sollte, und dann machten sie, als die Arbeit fortschritt, denselben immer enger, und so kamen sie denn bis ganz nach unten, wo ihre Arbeit mit den Uebrigen völlig gleich war. Auch ist dort eine Wiese, wo sie einen Markt zum Einkaufen hatten, es wurde ihnen nämlich gemahlene Frucht in Menge aus Asien zugeführt.


***
24.

Wie ich nun bei näherer Erwägung finde, so ließ Xerxes blos aus Stolz diesen Graben anlegen, weil er seine Macht zeigen ein Denkmal von sich hinterlassen wollte. Denn während er ohne alle Mühe die Schiffe über die Landzunge bringen lassen sonnte[*] ), ließ er für das Meer einen Graben anlegen, von einer Breite, daß zwei Dreiruderer zugleich mit ihrem Ruderwerk hindurchschiffen konnten . Denselben Arbeitern, welche den Graben anzulegen hatten, war weiter anbefohlen worden, auch über den Fluß Strymon[*] ) eine Brücke zu schlagen.




25.

Dieses nun veranstaltete er in solcher Weise; dann ließ er auch Taue für die Brücken anschaffen aus Bybms[**] ) und aus weißem Flachs, womit die Phönicier und Aegypter[***] ) beauftragt waren, ferner Vorräthe an Lebensmitteln für das Heer anlegen, damit das Heer eben so wenig wie das gegen Hellas mitgenommene Zugvieh Hunger leide; nach näherer Erkundigung der Oertlichkeiten aber ließ er die Magazine da anlegen, wo es am gelegensten war, dann aber von allen Seiten aus Asien auf Last, und Transportschiffen dahin die Vorräthe bringen. Das meiste nun brachten sie nach dem Orte in Thracien, welcher Leute Akte )[†] ) heißt, Andere waren beordert nach Tyrodiza im Lande der Perinthier[††] ), Andere nach Doriscus[†††] ), Andere nach Eion am Strymon[§] ), Andere nach Macedonien.



26.

Während diese nun die ihnen aufgegebene Arbeit leisteten, zog das ganze Landheer, welches sich inzwischen gesammelt hatte, mit Xerxes nach Sardes, nachdem es von Kritalla[§§] ) in Kappadocien aufgebrochen war: denn dort, so lautete der Befehl, sollte das ganze Heer sich versammeln und dann mit Xerxes selbst weiter ziehen. Wer nun von den Statthaltern mit einem auf das schönste gerüsteten Heere dahin kam und die von dem König ausgesetzten Geschenke[§§§] ) empfing, vermag ich nicht anzugeben, denn ich weiß überhaupt nicht, ob es zu einem Wettstreit darüber gekommen ist. Nachdem dann das Heer über den Fluß Halys[*] ) gesetzt und Phrygien betreten hatte, zogen sie durch dasselbe und gelangten nach Celänä[**] ). wo die Quellen des Fusses Mäander[***] ) aufsprudeln, so wie eines anderen Flusses[†] ), der nicht geringer ist als der Mäander und den Namen Katarraktes (b. i. Wasserfall) führt, indem er auf dem Markte selbst von Celänä entspringt und von da in den Mäander fällt, und ist in dieser Stadt auch der Schlauch des Silenen Marsyas aufgehängt, welcher, wie die Sage der Phrygier lautet, vom Apollo geschunden (als Schlauch) aufgehängt worden ist[††] ),



27.

In dieser Stadt verweilte Pythius, des Atys[*] ) Sohn, ein Lydier, welcher das ganze Heer des Königs, wie den Xerxes selbst, gastlich aufnahm und auf das herrlichste bewirthete, auch sich zu Geld erbot, das er zu dem Kriege beisteuern wollte. Wie Pythius dieses Anerbieten stellte, so frug Xerxes die anwesenden Perser, was denn Pythius für ein Mann sei und wie viel Geld er besitze, weil er solche Anerbietungen mache. Diese erwiderten darauf: o König, das ist derselbe, der auch deinen Vater mit der goldenen Platane[**] ) und Rede beschenkt hat, er ist jetzt wohl der reichste unter allen Menschen, die wir kennen, nach dir.



28.-29

Xerxes, voll Verwunderung über die letzten Worte, frug dann selbst zum andernmal den Pythius, wie viel Geld er besitze, worauf dieser erwiderte: o König, ich will es dir nicht verhehlen, und auch nicht den Vorwand nehmen, als wüßte ich nicht mein Vermögen, sondern nach bestem Wissen dir es genau angeben. Denn, so wie ich hörte von deinem Zuge nach dem hellenischen Meere, untersuchte ich, weil ich dir zu dem Kriege Geld geben wollte, Alles genau und fand bei der Berechnung, daß ich zweitausend Talente[*] ) Silbers besitze und vierhundert mal zehntausend Dariken[**] ) in Gold, weniger siebentausend: damit will ich dir ein Geschenk machen; ich selbst habe genug zu leben von meinen Sklaven und Grundstücken.


***
29.

Also sprach Dieser; Xerxes, über diese Worte erfreut, erwiderte ihm: Lydischer Gastfreund, seit ich das persische Land verlassen, habe ich bis jetzt noch Niemand getroffen, welcher mein Heer gastlich bewirthen wollte, noch ist irgend Jemand vor mein Antlitz getreten, welcher von freien Stücken sich erboten, Geld zu dem Kriege beizusteuern , außer dir. Du hast nun mein Heer herrlich bewirthet und bietest mir auch große Summen an. Dafür verleihe ich dir nun folgende Ehren: ich mache dich zu meinem Gastfreunde und werde die vierhundert mal zehntausend Stateren aus meinem Schatze voll machen, indem ich dir die siebentausend gebe, damit zu den viermal hunderttausend keine siebentausend dir fehlen, sondern die ganze Summe durch mich vollgemacht wird: behalte du für dich, was du selbst erworben hast, und zeige dich stets als einen solchen: denn wenn du dieses thuest, wird es dich nicht gereuen, weder für jetzt, noch für die Zukunft.




30.

Nachdem er dieß gesagt und auch ausgeführt hatte, zog er immer weiter. An der phrygischen Stadt, welche Anaua heißt und an einem See liegt, aus welchem Salz gewonnen wird, zog er vorbei und kam so nach Kolossä; einer großen Stadt Phrygiens[***] ), bei welcher der Fluß Lycus in einen Erdschlund sinkt und verschwindet, alsdann aber kommt er wieder nach einer Strecke von etwa fünf Stadien zum Vorschein und ergießt sich gleichfalls in den Mäander. Von Kolossä brach das Heer auf nach den Grenzen der Phrygier und Lyder und kam nach der Stadt Kydrara[*] ), wo eine von Krösus aufgerichtete Säule steht, welche durch eine Inschrift die Grenzen bezeichnet.



31.

Als nun das Heer aus Phrygien nach Lydien eingebogen war, theilt sich der Weg, der eine führt links nach Karien, der andere rechts nach Sardina; schlägt man diesen ein, so muß man jedenfalls über den Fluss Mäander setzen und an der Stadt Kallatebus[**] ) vorbei ziehen, in welcher Handwerker aus der Tamariske und aus Waizen Honig bereiten; diesen Weg schlug nun Xerxes ein und hier fand er eine Platane[***] ), die er um ihrer Schönheit willen mit goldenem Schmuck beschenkte und einem der Unsterblichen[†] ) zur Bewachung übergab; am zweiten Tage darauf traf er in der Stadt der Lyder ein.



32.

Sowie er in Sardes angekommen war, schickte er zuerst Herolde nach Hellas, welche Erde und Wasser[*] ) verlangen und für den König ein Mahl bestellen sollten; nur nach Athen und Lacedämon sendete er keine Boten[**] ), um Erde zu verlangen, sonst aber nach allen andern Orten; er schickte aber deßhalb zum zweitenmal und ließ Erde und Wasser verlangen, weil er fest glaubte, daß alle diejenigen, welche früher auf die Sendung des Darius es nicht gegeben, nun aus Furcht es geben würden; und weil er dieß eben genau erfahren wollte, schickte er nochmals. Hernach aber rüstete er sich zum Zuge nach Abydus.



33.

Inzwischen aber hatten die Andern über den Hellespont eine Brücke von Asien aus nach Europa geschlagen. Auf der Halbinsel nämlich am Hellespont zieht sich zwischen der Stadt Sestus und Madytus[***] ) ein rauher Vorsprung der Küste in das Meer hinein, Abydus gegenüber, wo nicht lange Zeit hernach die Athener unter der Führung des Kant Opus, des Sohnes des Ariphron, den Perser Artayktes, den Statthalter von Sestus, gefangen nahmen †) und lebendig ans Brett annagelten[††] ), weil er in das Heiligthum des Protesilaus[†††] ) nach Cläus[§] ) Frauen mit sich nahm und Frevel trieb.



34.

Nach diesem Vorsprung nun führten die, welche dazu befehligt waren, von Abydus aus die Brücken, die Phönicier mittelst weißem Flachs die eine, die Aegypter die andere mittelst Byblus[*] ); es beträgt aber die Strecke von Abydus nach dem jenseitigen Ufer sieben Stadien[**] ). Und bereits war der Uebergang über das Meer durch die Brücken gebahnt, als ein gewaltiger Sturm sich erhob, welcher dieß Alles zusammen schlug und von einander riß.



35.

Als Xerxes dieß vernahm, ward er sehr unwillig und befahl, dem Hellespont mit der Peitsche dreihundert Hiebe ertheilen und in die Tiefe ein paar Fesseln hinabzusenken; ich habe aber noch weiter gehört, daß er zugleich auch Leute abschickte, welche den Hellespont brandmarken sollten. Während der Hiebe war den Leuten aufgegeben , barbarische und frevelhafte Worte auszurufen: "o du bitteres Wasser, unser Gebieter legt dir diese Strafe auf, weil du ihn beleidigt hast, obschon dir von ihm nichts zu Leide geschehen ist. Und der König Xerxes wird über dich schreiten, magst du wollen oder nicht. Dir bringt mit Recht kein Sterblicher Opfer, weil du ein verschlagener und trüber Strom bist." Das Meer also befahl er auf diese Weise zu züchtigen[***] ) und denjenigen, welche über das Schlagen der Brücken des Hellesponts gesetzt waren, ließ er die Köpfe abschlagen[*] ).



36.

Diejenigen nun, welchen dieses traurige Geschäft übertragen war, vollzogen es; die Brücken aber schlugen andere Baumeister, und zwar auf folgende Weise: sie stellten Fünfzigruderer und Dreiruderer zusammen, auf der nach dem Pontus Euxeinus gerichteten Seite dreihundert sechzig, auf der andern dreihundert vierzig[**] ), jene nach dem Pontus zu in schräger Richtung[***] ), die andere dem Hellespont zu nach der Strömung, um die Spannung der Taue zu erhalten; nachdem sie die Schiffe zusammengestellt, warfen sie Anker von gewaltiger Länge sowohl an der einen Brücke nach dem Pontus zu, wegen der von innen her wehenden Winde, als an der andern Brücke nach Abend und nach dem ägäischen Meere zu, von wegen des Südost und des Südwindes; dann ließen sie zum Durchfahren eine Lücke zwischen den Fünfzigruderern, und zwar an drei Stellen, damit man nach Belieben mit kleinen Schiffen in den Pontus schiffen könne, und eben so aus dem Pontus heraus. Nachdem sie dieß gethan hatten, spannten sie vom Land aus die Taue an, welche sie mittelst hölzerner Winden drehten, wobei sie nicht mehr jede der beiden Arten von Tauen besonders anwendeten, sondern sie vertheilten auf jede der beiden Brücken, zwei von Fachs und vier von Byblus: an Dicke und Schönheit waren sie gleich, nur waren verhältnissmäßig die flachsenen schwerer, von welchen die Elle ein Talent wog[*] ) Nachdem aber die Brücke zum Uebergang geschlagen war, zersägten sie Holzblöcke, machten dieselben gleich der Breite der Brücke, legten sie dann in aller Ordnung über die ausgespannten Taue, und nachdem sie die Balken in der Reihe neben einander gelegt, da verbanden sie wiederum dieselben; nachdem sie dieß gethan, trugen sie Holzbretter darauf, und als sie auch diese in aller Ordnung gelegt, trugen sie Erde darüber auf; alsdann stampften sie die Erde fest und zogen zu beiden Seiten einen Zaun, damit das Zugvieh, wenn es über das Meer hin sähe, so wie die Pferde nicht scheu würden.



37.

Als aber die Anlage der Brücken und die Arbeit am Athos fertig geworden war, sowie an den Mündungen des Grabens die Dämme, welche der Brandung wegen gemacht worden waren, damit die Mündungen des Grabens sich nicht anfüllten, und dann auch die Nachricht von der gänzlichen Vollendung des Grabens selbst eingetroffen war, da begann das Heer, nachdem es überwintert hatte, mit dem Anfang des Frühlings, wohl gerüstet, von Sardes nach Abydus aufzubrechen. Als es aber im Aufbruch begriffen war, verließ mit einem mal die Sonne ihre Stelle am Himmel und verschwand, ohne daß Wolken an demselben waren, sondern bei ganz heiterem Wetter: statt des Tages wurde es Nacht[**] ). Als Xerxes dieß sah und erkannte, wurde er nachdenkend und frug die Magier, was die Erscheinung bedeuten wolle. Diese aber erklärten, daß den Hellenen die Gottheit das Verschwinden ihrer Städte andeute, indem, wie sie behaupteten, die Sonne die Zukunft den Hellenen zeige, der Mond aber ihnen. Als Xerxes dieß vernommen hatte, war er voll Freude und setzte den Zug fort.



38.

Wie er demnach sein Heer fortziehen ließ, kam der Lydier Pythius[*] ), voll von Furcht wegen der Erscheinung am Himmel, und ermuthigt durch die Geschenke, zu Xerxes und sprach zu ihm Folgendes :o Gebieter, ich möchte wohl wünschen, die Gewährung einer Bitte zu erlangen, welche zu gewähren dir leicht ist, für mich aber so wichtig wird. Xerxes, welcher dachte, er werde Alles eher verlangen als das, was Gegenstand seiner Bitte war, versprach ihm zu willfahren und bat ihn, nun auch zu sagen, was er verlange. Jener, so wie er dieß vernommen, sprach darauf guten Muthes Folgendes: o Gebieter, ich habe fünf Söhne, und es trifft sich, daß sie alle mit dir zu Felde ziehen sollen wider Hellas. Darum, o König, habe Mitleiden mit mir, der ich in einem solchen Alter stehe, und laß einen meiner Söhne, den ältesten, von dem Heere los, damit er die Sorge für mich selbst und für mein Vermögen übernehme; die vier andern aber nimm mit dir; möchtest du denn, wenn du vollbracht, was du im Sinne hast, wieder zurückkehren.



39.

Darüber gerieth Xerxes sehr in Zorn und erwiderte ihm mit Folgendem: o du schlechter Mensch, du hast dich unterstanden, während ich selbst wider Hellas zu Feld ziehe und meine Söhne und Brüder, Anverwandte und Freunde mitnehme, deines Sohnes zu erwähnen, obwohl du mein Unterthan bist und mit deinem ganzen Hause sammt dem Weibe mir folgen solltest! Jetzt sollst du es erfahren, daß in den Ohren der Menschen sein Sinn wohnt, der, wenn er Gutes vernommen hat, den Körper mit Wohlbehagen erfüllt, wenn er aber das Gegentheil davon gehört hat, aufbraust; da du nun Gutes gethan und anderes Gute weiter angeboten hast, wirst du dich nicht rühmen, an Wohlthaten den König übertroffen zu haben; da du nun aber bis zur Unverschämtheit dich verstiegen, so wirst du nicht den verdienten Lohn empfangen, sondern einen geringeren, als diesen. Du nämlich und deinen vier Söhnen rettet die Gastfreundschaft das Leben; aber der Eine, an dem du am meisten hängst, soll mit dem Leben dafür büßen. Nachdem er dieß geantwortet, befahl er sogleich denen, welche mit diesem Dienste beauftragt waren, den ältesten der Söhne des Pythius ausfindig zu machen und dann mitten entzwei zu hauen; wenn sie dieß gethan, sollten sie beide Hälften besonders legen, die eine zur Rechten des Wegs, die andere zur Linken, und sollte das Heer zwischen denselben durchziehen.



40.

Als Jene dieß vollzogen hatten, so zog hernach das Heer zwischen durch. Voran zogen zuerst die Packknechte und das Zugvieh, nach diesen ein Heer von mannigfachen Völkern, durcheinander gemischt und nicht von einander gesondert; da aber, wo über die Hälfte vorbei war, war ein Zwischenraum übrig gelassen, und hatten Jene keine Verbindung mit dem König. Voran zogen nun tausend Reiter, aus allen Persern auserwühlt, mit abwärts zur Erde gesenkten Lanzen, hernach die zehn heiligen Rosse, welche Nisäische heißen, aufs herrlichste geschmückt. Nisäische Rosse werden sie aber deßwegen genannt: In Medien ist eine große Ebene, welche die Nisäische heißt; diese Ebene ist es nun, welche diese großen Pferde liefert[*] ). Hinter diesen zehn Rossen hatte der heilige Wagen des Zeus[**] ) seine Stelle, gezogen von acht weißen Rossen; hinter diesen Rossen folgte zu Fuß ein Wagenlenker, welcher die Zügel hielt, weil eben kein Mensch auf diesen Sitz hinauf steigt; hinter diesem kam Xerxes selbst auf einem Wagen mit Nisäischen Rossen; an der Seite ging sein Wagenlenker, welcher Patiramphes hieß, des Otanes, eines Persers[*] ), Sohn.



41.

In dieser Weise nun zog Xerxes von Sardes aus; indeß stieg er, so oft es ihn gut dünkte, aus diesem Wagen aus in einen Reisewagen. Hinter ihm zogen Lanzenträger, die besten und edelsten der Perser, tausend an der Zahl, welche die Lanzen, wie gewöhnlich, hielten; nach diesen kam eine andere Schaar von tausend Reitern, aus den Persern ausgewählt, und nach dieser Schaar zu Pferd zehntausend aus den übrigen Persern auserlesene Männer; diese waren zu Fuß; tausend Mann von ihnen hatten an ihren Speeren statt der unteren Spitze des Schaftes goldene Granaten und schlossen die übrigen ringsherum ein; die neuntausend Mann, welche innerhalb dieser sich befanden, hatten silberne Granaten. Goldene Granaten hatten auch die, welche die Lanzen auf die Erde hin senkten, und Aepfel[**] ) diejenigen, welche dem Xerxes zunächst folgten. An jene zehn tausend (zu Fuß) reihten sich zehn tausend persische Reiter an. Nach der Reiterei war ein Zwischenraum von zwei Stadien[***] ) gelassen; hernach zog der übrige Haufen durch einander gemischt.



42.

Es nahm aber das Heer den Weg aus Lydien nach dem Flusse Kaikus †) und dem Mysischen Lande; von dem Kaikus zog es dann, das Gebirge Kane zur Linken lassend, durch das Atarnischc Gebiet[*] ) nach der Stadt Karine. Von dieser aus ging es dann durch die Ebene von Thebe, an der Stadt Atramyttium und an der Pelasgischen Stadt Antandrus vorbei[**] ); den Ida ließ das Heer links liegen[***] ) und kam so in das Ilische Land. Hier nun erstmals, als das Speer am Fuße des Ida die Nacht zubrachte, fielen Donnerschläge und Blitze auf dasselbe und erschlugen eben daselbst zahlreiches Volk.



43.

Als aber das Heer an dem Skamander[†] ) angelangt war, dem ersten Fluß (seit sie nach dem Aufbruch von Sardes sich auf den Weg gemacht hatten), dessen Wasser ausging und für das Heer und das Vieh nicht ausreichte, begab sich Xerxes, wie er an diesen Fluß gekommen war, hinauf zu dem Pergamum[††] ) des Priamus, weil er Verlangen hatte, dasselbe zu sehen[*] ). Und nachdem er es besehen und über Jegliches Kunde eingezogen hatte, opferte er der Ilischen Athene[**] ) tausend Rinder, die Magier brachten den Heroen[***] ) Trankopfer dar. Nachdem sie dieß nun gethan, fiel des Nachts ein Schrecken in das Lager: mit Tagesanbruch zog man daher weiter von da, und blieb die Stadt Rhöteum, Ophryneum und Dardanus[†] ), welche Stadt nahe bei Abydus liegt, zur Linken, zur Rechten aber die Gergithischen Teutrer[††] ).



44.

Als sie aber bei Abydus angelangt waren, wünschte Xerxes das ganze Heer zu sehen. Es war nämlich schon vorher eben daselbst auf einem Hügel ein hervorragender Sitz aus weißem[*] ) Stein eigens errichtet worden; die Abydmer hatten denselben gemacht, in Folge eines früheren Befehls des Königs. Hier nun setzte er sich und betrachtete, herabsehend an dem Gestade, das Landheer, wie die Schiffe; wie er nun beides betrachtete, verlangte ihn, einen Wettkampf der Schiffe anzusehen, und als dieß geschah, und die Phönicier aus Sidon[**] ) siegten, hatte er an dem Wettkampfe wie an dem Heer seine Freude.



45.

Als er aber den ganzen Hellespont von den Schiffen bedeckt sah und alle Gestade wie die Ebene der Abydener voll von Menschen, da pries sich Xerxes glücklich, nachher aber weinte er.



46.

Wie dieß Artabanus, sein Oheim, bemerkte, derselbe, der zuerst freimüthig seine Meinung ausgesprochen hatte[***] ), indem er dem Xerxes den Feldzug wider Hellas zu unternehmen widerrieth, so richtete er an Xerxes, den er weinen sah, die folgende Frage : o König! wie steht doch das, was du jetzt, und was du zuvor gethan hast, völlig im Widerspruch mit einander! denn erst hast du dich glücklich gepriesen und dann weinst du. Worauf Xerxes sprach: es ergriff mich nämlich ein Gefühl des Mitleidens, als ich bedachte, wie kurz das ganze menschliche Leben sei, da doch von diesen Vielen keiner mehr in hundert Jahren am Leben sein wird. Jener aber erwiderte ihm darauf mit folgenden Worten: Wir haben in unserem Leben noch Anderes, was beklagenswerther ist als dieses, auszustehen: denn in einem so kurzen Leben gibt es keinen noch so glücklichen Menschen, unter diesen sowohl, wie unter allen Andern, welchem es nicht in den Sinn käme, oftmals und nicht einmal, lieber todt zu sein, als lebendig[†] ). Denn die Unfälle, welche eintreten, und die Krankheiten, welche uns zerrütten, machen, daß das Leben, so kurz es auch ist, lang zu sein scheint. So ist der Tod, da das Leben voller Mühen ist, die erwünschteste Zuflucht für den Menschen geworden; die Gottheit aber, welche ein süßes Leben uns hat kosten lassen, wird darin als neidisch[*] ) befunden.



47.-49

Xerxes erwiderte darauf mit folgenden Worten: Artabanus, über das menschliche Leben, das nun einmal so ist, wie du es dargestellt hast, wollen wir nicht weiter reden und darum auch nicht der schlimmen Dinge gedenken, da wir in guten uns befinden. Sage mir aber Folgendes: wenn dir das Traumgesicht nicht in solcher Weise ganz deutlich erschienen wäre, würdest du an der alten Meinung halten und mir von dem Feldzug wider Hellas abrathen, oder würdest du andern Sinnes geworden sein? wohlan, darüber sprich dich vor mir ganz bestimmt aus. Dieser gab ihm darauf die Antwort: o König! das Traumgesicht, das uns erschienen ist, möge so, wie wir beide es wünschen, in Erfüllung gehen. Ich aber bin bis jetzt noch voll von Furcht und gar nicht recht bei mir, wenn ich über so manches Andere nachdenke, insbesondere aber, wenn ich sehe, wie du zwei der wichtigsten Dinge ganz zu Feinden hast.



48.

Xerxes erwiderte darauf mit Folgendem: Wunderlicher Mann! was meinst du denn für Dinge, die mir am feindseligsten sein sollen ? unterliegt etwa das Landheer in Bezug auf die Zahl einem Tadel und scheint dir das Heer der Hellenen bei weitem zahlreicher zu werden als das unsrige? oder soll unsere Seemacht der der Hellenen nachstehen ? oder sollen wir sogar in diesem Beidem hinter ihnen zurückstehen? wenn dir in dieser Beziehung unserer Macht Etwas abzugehen scheint, so könnte man noch ein anderes Heer schleunigst versammeln.


***
49.

Artabanus gab darauf die Antwort: o König! kein verständiger Mensch wird an diesem Heere Etwas aussetzen können oder an der Zahl der Schiffe: und wenn du noch mehrere zusammenbrächtest, so werden doch die zwei Dinge, die ich meine, noch weit feind-Betrachtungen seliger dir werden; diese beiden sind: Land und Meer. Denn nirgendswo, wie ich glaube, findet sich ein so großer Seehäfen, welcher, wenn ein Sturm sich erhebt, diese deine Flotte aufnehmen und die Erhaltung der Schiffe dir verbürgen könnte. Und doch bedarfst du nicht blos Eines solchen Hafens, sondern längs des ganzen Festlandes, an welchem du ja hinfuhrst, hast du deren nöthig. Da nun keine Häfen zur Aufnahme deiner Schiffe vorhanden sind, so merke wohl, daß die Zufälle über die Menschen gebieten[*] ) und nicht die Menschen über die Zufälle. (§. 2.) Und nun, nachdem ich von den beiden Dingen das Eine dir angegeben, komme ich zu dem Andern. Das Land steht dir feindselig entgegen in folgender Weise: wenn gar kein Widerstand dir entgegen treten will, so wird es um so feindseliger für dich werden, je weiter du vorwärts gehst und unvermerkt immer weiter kommst: denn im Glücke kennt der Mensch keine Sättigung. Und darum eben, weil Niemand Widerstand leisten wird, so wird auch, glaube ich, mit der Zeit das Land immer länger und wird uns noch eine Hungersnoth bringen[**] ). Der wird aber der tüchtigste Mann sein, der bei der Berathung[***] ) ängstlich ist und jeden Fall, der eintreten kann, erwägt, bei der Ausführung aber allen Muth zeigt.



***
50.

Ihm erwidert Xerxes mit Folgendem: Artabanus! deine Auffassung von Allem dem ist eine ganz richtige, allein fürchte dich doch nicht vor Allem und bedenke nicht gleich Alles so. Denn wolltest du wirklich bei jeder Sache, die vorkommt, Alles auf gleiche Weise bedenken, so würdest du nie Etwas zu Stande bringen; es ist aber besser, guten Muthes bei jeder Sache lieber die Hälfte der Gefahren zu ertragen, als aus einem Vorgefühl von Furcht bei jeder Sache gar Nichts zu ertragen. Wenn du aber bei dem Widerspruch gegen eine jede Behauptung nicht das, was sicher und fest ist, nachweisest, so mußt du darin auf gleiche Weise dem Irrthum unterworfen sein, wie der, welcher das diesem Entgegengesetzte gesagt hat. Dieß steht sich nun ganz gleich. Wie aber ist es irgend einem Menschen möglich, das was sicher und fest ist, zu erkennen? ich glaube es nimmermehr. Daher pflegt derjenige, welcher handeln will, gewöhnlich Gewinn daraus zu ziehen, während es bei denen, welche Alles überlegen und zaudern, nicht besonders der Fall ist. (§. 2.) Du siehst, bis zu welcher Macht das persische Reich gestiegen ist. Wenn nun jene Könige, welche vor mir gewesen sind, gleicher Meinung wie du gewesen wären, oder auch, ohne solcher Meinung zu sein, solche Rathgeber, wie du, gehabt hätten, so hättest du nimmermehr es erlebt, daß Persien so weit sich gehoben: sie scheuten aber die Gefahren nicht und haben dadurch das Reich bis zu dieser Höhe gebracht. Denn große Dinge wollen durch große Gefahren errungen sein. Wir nun, indem wir es Jenen gleich zu thun versuchen, ziehen in der schönsten Zeit des Jahres aus, und wenn wir ganz Europa unterworfen haben, werden wir wieder zurückkehren, ohne daß uns irgendwo eine Hungersnoth getroffen, oder irgend etwas Unangenehmes uns widerfahren ist. Denn erstlich führen wir selbst auf unserem Zuge viele Nahrungsmittel mit uns: und dann werden wir das Getreide aller Derer erhalten, deren Land und Volk wir betreten: gegen Ackerbau treibende, und nicht unstet herumschweifende Männer ziehen wir ja zu Felde.




51.

Nach diesen Worten spricht Artabanus zu ihm also: o König! da du durchaus keiner Besorgniß Raum geben willst, so nimm doch meinen Rath an: denn es ist nothwendig, über manche andere Dinge noch weiter sich zu besprechen. Cyrus, des Cambyses Sohn, unterwarf sich ganz Jonien[*)] mit Ausnahme der Athener, so daß es zinspflichtig ist den Persern; ich rathe dir nun, diese Männer in keiner Weise wider ihre Väter[**] ) zu führen: denn wir sind auch ohne diese im Stande, über die Feinde die Oberhand zu gewinnen. Denn sie müssen entweder, wenn sie uns folgen, die ungerechtesten werden, in so fern sie ihre Mutterstadt[*)] in Knechtschaft bringen, oder die gerechtesten, indem sie dieselbe befreien helfen. Wenn sie nun die Ungerechtesten werden, so bringen sie uns damit gar keinen größern Gewinn, und wenn sie die Gerechtesten werden, so werden sie im Stande sein, deinem Heere großen Schaden zuzulegen. Nimm dir nun auch den alten Spruch zu Herzen, der so wahr ist: daß nicht zugleich mit dem Anfang das ganze Ende erscheint.



52.

Darauf erwiderte Xerxes: "Artabanus! unter allen Meinungen , die du vorgetragen hast, irrst du gerade in dieser am meisten, indem du fürchtest, es möchten die Ionier umschlagen, von welchen wir einen ganz sicheren Beweis haben, wofür du mit allen Andern, welche mit Darius wider die Scythen zu Felde gezogen sind, Zeuge sein kannst, daß es in ihrer Macht lag, das ganze Persische Heer zu Grunde zu richten, wie zu erhalten; sie aber erwiesen uns Gerechtigkeit und Treue, und nichts Schlimmes[**] ). Ueberdem aber haben sie in unserem Lande ihre Kinder, Weiber und Habe zurückgelassen, und es läßt sich nicht denken, daß sie irgend etwas Schlimmes unternehmen werden. Also fürchte du auch dieß nicht, sondern sei gutes Muthes und bewahre mein Haus und mein Reich: denn dir allein von Allen überlasse ich meinen Scepter[***] ).



53.

Nachdem Xerxes dieß gesprochen und den Artabanus nach Susa[†] ) abgeschickt hatte, ließ er zum zweitenmal die angesehensten der Perser zu sich entbieten. Als sie dann vor ihm erschienen waren, sprach er zu ihnen Folgendes: ich habe euch versammelt, um euch zu bitten, daß ihr als tapfere Männer euch zeigt und die früheren Thaten der Perser, welche groß und viel werth sind, nicht zu Schanden machet. Darum laßt uns, ein jeder Einzelne wie wir Alle zusammen, mit Eifer ans Werk gehen: denn geht es zusammen, so wird es für Alle gut ausfallen. Deßwegen ermahne ich euch, mit aller Kraft im Kriege euch zu halten, denn, wie ich erfahre, ziegen wir gegen tapfere Männer zu Felde; werden wir über sie Herr, so wird kein anderes Heer auf der Welt uns mehr Widerstand leisten. Jetzt aber wollen wir hinüber gehen, nachdem wir zu den Göttern gefleht[*)] , welche über das Persische Land walten.



54.

An diesem Tage nun rüsteten sie sich zum Uebergang: an dem folgenden aber warteten sie auf den Aufgang der Sonne, den sie sehen wollten, und verbrannten vielfaches Räucherwerk auf den Brücken und bestreuten den Weg mit Myrten. Wie aber die Sonne aufging, spendete Xerxes aus einer goldenen Schale ins Meer und flehte zur Sonne, es möchte ihm kein Unfall der Art begegnen, daß er abstehen müßte von der Unterwerfung Europa's, bevor er an den Grenzen desselben angelangt sei. Nachdem erdas Gebet verrichtet, warf er die Schale in den Hellespont, so wie einen goldenen Mischkrug und ein Persisches Schwert, welches sie Acinaces[**] ) nennen. Ich kann nun nicht bestimmt angeben, ob er dieß ins Meer warf, als Weihgeschenk für die Sonne, oder ob er es bereitete, den Hellespont gegeißelt zu haben, und ob er dafür das Meer beschenkte.



55.-56

Nachdem er dieß gethan hatte, zog auf der einen der beiden Brücken, der nach dem Pontus zu, das Fußvolk hinüber und die gesammte Reiterei, auf der andern Brücke, nach dem ägäischen Meere zu, das Zugvieh und die Dienerschaft. An der Spitze voran zogen die zehntausend Perser[*] ), alle bekränzt; nach diesen kam das aus mannigfachen Völkerschaften gemischte Heer. An diesem Tage also setzten diese über; am folgenden Tage zuerst die Reiter und die, welche die Lanzen nach unten hielten; auch diese waren bekränzt; hernach folgten die heiligen Rosse und der heilige Wagen[**] ), auf diesen Xerxes selbst und die Lanzenträger und die tausend Reiter; hinter diesen das übrige Heer; auch die Schiffe fuhren ab nach der entgegengesetzten Küste. Ich habe aber gehört, daß der König sogar zuletzt von Allen darüber gegangen sei.


***
56.

Als Xerxes nach Europa übergesetzt war, betrachtete er das Heer, das unter Peitschenhieben hinüber zog; es dauerte aber der Uebergang seines Heeres sieben Tage und sieben Nächte, ohne allen unterlaß. Da soll, als Xerxes den Hellespont überschritten hatte, ein Hellespontier ausgerufen haben: o Zeus, warum nimmst du die Gestalt eines Persers an und den Namen Xerxes, statt Zeus, um Hellas gänzlich zu verderben, und führest alle diese Menschen mit dir? denn du konntest ja auch ohne dieselben dieß thun.




57.

Als aber Alle hinübergesetzt waren und weiter sich auf den Weg machten, erschien ihnen ein großes Wunderzeichen, woraus sich Xerxes gar nichts machte, obwohl es leicht zu deuten war. Ein Pferd nämlich brachte einen Hasen zur Welt. Es war dieß nun leicht zu deuten dahin, daß Xerxes wider Hellas ein Heer führen wolle, in aller Pracht und Herrlichteit, aber zurückkommen werde an denselben Fleck, um seine Person Gefahr laufend. Es war ihm auch ein anderes Wunderzeichen widerfahren, als er bei Sardes sich befand; ein Maulesel nämlich gebar einen Maulesel[*] ), welcher doppelte Schamtheile hatte, männliche wie weibliche, die männlichen waren oberhalb.



58.

Auf beide Wunderzeichen nahm Xerxes gar keine Rücksicht, sondern zog weiter und mit ihm das Landheer: die Flotte aber fuhr aus dem Hellespont heraus Und nahm den Weg längs dem Lande, in entgegengesetzter Richtung von dem Landheer: die Flotte nämlich fuhr nach Abend zu, um nach dem sarpedonischen Vorgebirg[**] ) zu gelangen , wo ihr befohlen war, nach der Ankunft zu warten. Das Heer zu Lande aber nahm seinen Weg nach Sonnenaufgang hin durch die Chersones, wobei es das Grab der Helle, der Tochter des Athamas, zur Rechten hatte, und zur Linken die Stadt Kardia[***] ). Darauf zog es mitten durch eine Stadt, welche den Namen Agora[†] ) (Markt) hat, und bog von da um den sogenannten Melasbusen[††] ) und den Fluß Melos, dessen Wasser damals für das Heer nicht ausreichte, sondern ausging, überschritt darauf diesen Fluß, nach welchem auch dieser Meeresbusen den Namen trägt, und wendete sich nach Abend, an der Aeolischen Stadt Aenus[†††] ) und dem See Stentoris vorbei, bis nach Doriscus[§] ) kam.



59.

Doriscus ist ein Küstenland von Thracien und eine große Ebene, durch welche ein großer Fluß Hebrus fließt, an dem die königliche Veste erbaut worden war, die eben Doriscus genannt ist, und stand darin eine persische Besatzung, von Darius dahin gelegt seit jener Zeit, da er wider die Scythen zu Felde zog. Dieser Platz schien dem Xerxes geeignet, um hier das Heer aufzustellen und abzuzählen, und führte er dieß auch aus. Sämmtliche Schiffe nun, welche nach Doriscus gelangt waren, führten die Befehlshaber der Flotte auf Befehl des Xerxes an das Gestade, das an Doriscus stoßt, an welchem die samothracische Stadt Sale erbaut ist und Zone[*] ), und zuletzt an demselben Serrium, ein namhaftes Vorgebirge: diese Gegend gehörte vor Alters den Kikonen[**] ). Nach diesem Gestade führten sie die Schiffe, brachten sie ans Trockne und besserten sie aus; Xerxes aber veranstaltete in dieser Zeit bei Doriscus eine Zählung des Heeres.



60.

Wie hoch nun das Contingent eines jeden einzelnen Volkes der Zahl nach sich belief, vermag ich nicht mit Bestimmtheit anzugeben; denn es wird eben von Niemandem angegeben: aber die Gesammtzahl des Landheeres stellte sich auf siebenzehn mal hundert tausend Mann[***] ). Die Zählung nämlich geschah in folgender Weise: sie führten auf einen Platz eine Schaar von zehntausend Mann, drängten diese, so gut sie konnten, zusammen und beschrieben dann um dieselben von außen her einen Kreis; nachdem sie denselben gezogen, ließen sie diese zehntausend heraus und zogen rings herum an dem Kreis ein Gehege, welches so hoch war, daß es einem Mann bis an den Nabel ging. Nachdem sie dieses gemacht hatten, führten sie dann in den rings herum eingehegten Raum Andere hinein, bis daß Alle auf diese Weise gezählt waren; nach der Zählung ordneten sie dieselben völkerweis .



61.

Es waren aber, die ins Feld zogen, die Folgenden: Perser, welche auf folgende Weise gekleidet waren: auf dem Kopfe hatten sie sogenannte -jaren, d. i. Hüte, welche vorwärts herab fielen[*] ), an dem Leib bunte Röcke mit Aermeln versehen, mit eisernen Schuppen, welche wie Fischschuppen aussahen[**] ), um die Kniee Hosen[*] ) und statt der großen Schilde kleine geflochtene[**] ), unter diesen hingen Köcher; dann hatten sie kurze Speere und große Bogen mit Pfeilen von Rohr[***] ), dazu noch Dolche[†] ), die an der linken Hüfte von dem Gürtel herab hingen; ihr Führer war Otanes[††] ), der Vater der Amestris, der Gemahlin des Xerxes. Diese wurden vor Alters von den Hellenen Kephener genannt, sie selbst und die, welche um sie herum wohnen, nennen sie Artäer. Als nämlich Perseus, der Sohn der Danae und des Zeus, zu Kepheus, dem Sohne des Vetus, gekommen war und dessen Tochter Andromeda zum Weibe nahm, ward ihm ein Sohn geboren, welchem er den Namen Perses gab[†††] ); diesen ließ er daselbst zurück, da Kepheus ohne männliche Nachkommenschaft war, und von diesem hatten sie ihren Namen.



62.

Die Meder aber zogen zu Felde, in derselben Weise gekleidet: denn diese Kleidung ist zunächst die Medische und nicht die Persische. Die Meder hatten zum Führer den Tigranes, aus dem Stamme der Achämeniden; sie wurden vor Alters von Allen Arier §genannt[§] ); als aber die Kolchierin Medea aus Athen zu diesen Ariern kam[*] ), veränderten auch sie ihren Namen. So behaupten die Meder selbst von sich. Die Kissier[**] ) welche im Heere sich befanden. waren im Uebrigen geneset wie die Perser, nur trugen sie statt der Gurte Binden Diese Kissier befehligte Anaphes, des Otanes Sohn. 'Auch die Hyrkanier[***] ) waren angethan wie die Perser, zum Führer hatten sie den Megapanus, welcher nach diesem Kriege Statthalter von Babylon war.



63.

Die Assyrier[†] ), die im Heere sich befanden, hatten auf dem Kopf eherne Helme geflochten; auf eine ganz fremde, nicht wohl zu beschreibende Weise, dann führten sie Schilde, Speere und Dolche, ähnlich den Aegyptischen, dazu noch Keulen von Holz, die mit Eisen beschlagen waren, und linnene Harnische. Diese wurden von den Hellenen Syrer genannt[*] ), von den Barbaren waren sie Assyrier genannt worden: unter ihnen befanden sich auch Chaldäer. Es befehligte aber dieselben Otasves, Sohn des Artachäus.



64.

Die Baktier[**] ) zogen zu Felde mit einer der Medischen ganz ähnlichen Kopfbedeckung, mit Bogen von Rohr, nach Landessitte, und kurzen Lanzen. Die Saken[***] ) aber, welche Scythen sind, trugen auf dem Kopf spitz auslaufende, gerade stehende Turbane, und hatten Hosen angelegt, sie führten Bogen, nach Landessitte, und dazu auch noch Streitäxte. Diese, welche eigentlich Amyrgische Scythen sind, nannten sie Saken: denn die Perser nennen alle Scythen Saken. Die Baktrier und Saken befehligte Hystaspes, der Sohn des Darms und der Atossa, der Tochter des Cyrus.



65.

Die Inder[†] ) waren angethan mit Kleidern, die von Bäumen[*] ) verfertigt waren, und hatten Bogen und Pfeile von Rohr[**] ), oben darauf war Eisen. Also gerüstet nun Waren die Inder; in dem Heere waren sie zugetheilt dem Pharnazathres, dem Sohne des Artabates .



66.

Die Arier[***] ) waren ausgerüstet mit medischem Bogen, im Uebrigen aber wie die Baktrier. Es befehligte die Arier Sisamnes, der Sohn des Hydarnes. Die Parther und Chorasmier, die Sogder[†] ) und Gandarier und Dadiken[††] ), welche den Feldzug mitmachten, hatten dieselbe Rüstung wie die Baktrier. Ihre Befehlshaber waren folgende: die Parther und Chorasmier befehligte Artabazus, des Pharnaces Sohn, die Sogder Azanes, des Artäus Sohn, die Gandarier und Dadiken Artyphius, des Artabanus Sohn.



67.

Die Kaspier[†††] ) zogen zu Felde in Flausröcke gekleidet und führten Bogen von Rohr nach Landes Sitte, sowie kleine Schwerter. Also waren sie gerüstet und hatten zum Führer den Ariomardus, den Sohn des Artyphius. Die Saranger[§] ) aber stachen hervor in ihren gefärbten Kleidern: sie hatten eine Fußbedeckung, die bis zum Knie hinaufreichte; dann medische Bogen und Lanzen[§§] ); Pherendates, des Megabazus Sohn, war ihr Führer. Die Paktyer[§§§] ) trugen gleichfalls Fausröcke und hatten Bogen nach Landes Sitte, sowie Dolche; zum Führer hatten sie den Artyntas, den Sohn des Ithamathres.



68.

Die Utier, Myker[*] ) und Parikanier waren gekleidet wie die Perser; ihre Befehlshaber waren folgende: die Utier und Myker befehligte Arsamenes, des Darius Sohn, die Paritanier Siromitres, des Oeobazus Sohn.



69.

Die Araber[**] ) hatten weite, am Leib mit einem Gürtel befestigte Mäntel und führten lange, nach rechts zu spannende Bogen. Die Aethioper[***] ) waren in Panthera und Löwenfelle gekleidet und hatten Bogen, welche aus dem Stiel des Palmbaums verfertigt waren in der Länge von nicht weniger als vier Ellen und darauf kleine Pfeile von Rohr; statt des Eisens war ein scharfer Stein daran angebracht, mit welchem man auch, die Siegelringe schneidet; dazu hatten sie Speere, auf welchen ein spitz auslaufendes Horn einer Gazelle, nach Art einer Lanzenspitze, angebracht war: auch hatten sie noch (mit Eisen) beschlagene Keulen. Wenn sie zur Schlacht zogen, überstrichen sie den einen Theil ihres Leibes mit Gyps, den andern mit Mennig[†] ), Die Araber und die über Aegypten wohnenden Aethioper befehligte Arsames, der Sohn des Darius und der Artystone[††] ), der Tochter des Cyrus, von welcher Darius, da er sie am meisten unter seinen Weibern liebte, ein Bild aus getriebenem Golde hatte fertigen lassen. Die über Aegypten wohnenden Aethioper und die Araber[†††] ) befehligte also Arsames.



70.

Die Aethioper[*] ) aber von Sonnenaufgang her (denn es befanden sich im Heere zweierlei Aethioper) waren den Indern zugetheilt, in Gestalt waren sie von den anderen gar nicht verschieden, sondern nur in der Sprache und im Haarwuchs. Denn die Aethioper von Sonnenaufgang haben gerade Haare, die aus Libyen aber haben unter allen Menschen ein am meisten gekräuseltes Haar. Diese Aethioper aus Asien waren meist wie die Inder gerüstet, auf dem Kopf aber trugen sie Stirnfelle von Pferden, welche sammt den Ohren und der Mähne abgezogen waren, und diente die Mähne statt des Helmbusches, während die Ohren der Pferde aufrecht stehen blieben; statt der Schilde gebrauchten sie Kranichfelle, die sie vor sich hielten.



71.

Die Libyer[**] ) zogen in einer Kleidung von Leder und führten Speere, die angebrannt waren; zum Führer hatten sie den Massages, den Sohn des Oarizus.



72.

Die Paphlagonier[***] ), welche ins Feld zogen, hatten auf dem Kopfe geflochtene Helme und führten kleine Schilde, nicht sehr große Lanzen, und dazu noch Wurfspeere und Dolche; an den FüßenAber der Gott war fern zu den Aethiopen gegangen, Bassern, getheilt zwiefältig, am äußersten Saume der Erde, Dort, wo Helios Licht aufsteigt, hier wo es hinabsinkt,In gleicher Weise unterscheidet Herodotus, der schon oben (In, 94) die Asiatischen Aeihiopen unter den blutern der persischen Monarchie aufgeführt hatte, hier sorgfältig zwischen den Aethiopen, welche bei Sonnenaufgang, also im Osten, in Asien wohnen, und denen, welche bei Sonnenuntergang, im Westen, in Libyen (Africa) wohnen, oberhalb Aegypten und durch ihren Haarwuchs als ein Negerstamm sich darstellen, während die asiatischen Aethiopen sich den Indern nähern, und auch, wie zu III, 94 bereits bemerkt worden, in deren Nähe, in den Landschaften Gedrosien und Karamanien wohnen, mithin eher als ein Volk indischer Abstammung erscheinen, trugen sie Schuhe, welche nach Landes Sitte bis zu den Waden hinaufreichten. . Die Lygier *), Matiener[**] ), Mariandyner[***] ) und Syrier[†] ), welche mit dem Heere zogen, hatten dieselbe Rüstung wie die Paphlagonier. Es werden aber diese Syrier von den Persern Kappadoken genannt. Die Paphlagonier nun und die Matiener befehligte Dotus der Sahn des Megasidrus; die Mariandyner, Lygier und Syrier Gobryas, des Darius und der Artystone Sohn.



73.

Die Phryger hatten eine der Paphlagonischen ganz nahe kommende Tracht und waren nur wenig von ihnen verschieden. Diese Phryger wurden, wie die Makedonen behaupten, Bryger genannt, so lange als sie in Europa neben den Makedonen wohnten; als sie aber nach Asien hinübergezogen waren, veränderten sie mit dem Lande auch den Namen in Phryger[††] ). Die Armenier[†††] ), welche Abkömmlinge der Phryger sind, waren eben so wie die Phryger gerüstet: diese beiden zusammen befehligte Artochmes, welcher eine Tochter des Darius zur Frau hatte.



74.

Die Lyder waren bewaffnet beinahe wie die Hellenen; diese Lyder wurden vor Alters Meionen[§] ) genannt und änderten dann ihren Namen, nach dem Lydus, dem Sohne des Atys. Die Myser[§§] ) hatten auf dem Kopfe Helme nach Landes Sitte, kleine Schilde und führten angebrannte Wurfspeere. Dieselben sind Abkömmlinge der Lyder und werden nach dem Berg Olympus[§§§] ) Olympiener genannt. An der Spitze der Lyder und Myser stand Artaphernes[*] ), des Artaphernes Sohn, welcher mit Datis den Einfall nach Marathon gemacht hatte.



75.

Die Thracier, welche an dem Kriegszug Antheil nahmen, hatten Fuchsfelle auf dem Kopfe, um den Leib trugen sie Röcke und darüber hatten sie Mäntel von bunter Farbe geworfen; an Fuß und Wade trugen sie Schuhe von Hirschfellen, dazu hatten sie noch Wurfspeere, kleine leichte Schilde und kleine Dolche. Diese wurden, nachdem sie nach Asien hinübergezogen waren, Bithyner genannt, vorher hießen sie, wie sie selbst angeben, Strymonier, weil sie am Strymon wohnten; sie wären aber, sagen sie, durch Teukrer und Myser aus ihren Wohnsitzen vertrieben worden[*] ). Diese asiatischen Thracier befehligte Bassaces, der Sohn des Artabanus.



76.[**] )

. . . . . sie hatten kleine Schilde aus Rindsfellen und ein Jeder führte zwei Speere, wie sie im Gebrauch sind wider die Wölfe, auf dem Haupte trugen sie eherne Helme und auf den Helmen befanden sich Ochsenohren und Hörner von Erz, und darauf noch Helmbüsche: die Waden hatten sie mit purpurrothen Binden eingewickelt. Bei diesen Männern befindet sich ein Orakel des Ares.



77.

Die Mäonischen Kabeleer, welche Lasonier heißen[***] ; trugen dieselbe Kleidung wie die Cilicier, welche ich dann, wenn ich zu der Abtheilung der Cilicier in meiner Erzählung gekommen bin, an: geben werde. Die Milyer[†] ) hatten kurze Lanzen und Kleider, welche mit Spangen versehen waren; einige von ihnen hatten Lyeische Bogen und auf dem Haupte Helme von Hundsfellen bereitet. Alle diese befehligte Badres, des Hystaspes Sohn.



78.

Die Moscher[††] ) hatten auf dem Kopfe Helme von Holz und führten kleine Schilde und Lanzen, auf welchen große Spitzen waren. Die Tibarener, Matronen und Mosynöken[*] ), welche mit zu Felde zogen, waren gekleidet wie die Moscher: an ihrer Spitze standen folgende Führer: die Moscher und Tibarener führte Ariomardus an, der Sohn des Darius und der Parmys, der Tochter des Smerdis, des Sohnes des Cyrus; die Matronen und Mosynöken Artayktes, der Sohn des Cherasmis, welcher Statthalter war von Sesius[**] ) am Hellespont.



79.

Die Maren[***] ) hatten auf dem Kopfe geflochtene Helme nach Landesart, dann kleine lederne Schilde und Wurfspeere. Die Kolcher[†] ) hatten auf dem Haupt hölzerne Helme, dann kleine Schilde aus Rindsfellen, kurze Lanzen und dazu noch Messer, Es befehligte die Maren und Kolcher Pharandates, des Teaspis Sohn. Die Alarodier und Saspeiren[††] ) zogen zu Felde bewaffnet wie die Kolchis und standen unter dem Befehl des Masistius, des Sohns des Siromitres.



80.

Die Inselvölker, welche von dem rothen Meere aus folgten, nämlich von den Inseln, auf welchen der König die Landesverwiesenen, wie man sie nennt, ansiedelt[†††] ), hatten eine der Medischen ganz nahe kommende Kleidung und Bewaffnung: diese Inselvölker befehligte Mardontes, des Bagäus Sohn, welcher bei Mykale[§] ) befehligte und in der Schlacht umkam im andern Jahre nach diesem.



81.

Dieß waren die Völker, welche zu Feld zogen und dem Fußvolk zugetheilt waren: die Befehlshaber dieses Heeres waren diejenigen, welche genannt worden sind: es waren eben diese, welche das Heer geordnet und abgezählt hatten; sie hatten auch die Führer von Tausend und Zehntausend ernannt, die Führer von Zehntausend aber setzten die Führer über Hundert und über Zehn ein; auch waren noch andere Führer der Abtheilungen und Völker[*] ). Die also, welche genannt worden sind, waren die Befehlshaber[**] ).



82.

Diese aber und das gesammte Landheer standen unter folgenden Feldherren: Mardonius, des Gobryas Sohn[***] ), Tritantaichmes, der Sohn des Artabanus[†] ), nach dessen Meinung der Feldzug wider Hellas gar nicht hatte stattfinden sollen, Smerdomenes, des Otanes Sohn (diese beiden waren Brudersöhne des Darius und Vettern des Xerxes), Masistes, des Darius und der Atossa Sohn, Gergis, des Arizus Sohn, und Megabyzus, des Zopyrus Sohn.



83.

Dieß waren die Feldherren über das gesammte Landheer, mit Ausnahme der Zehntausend: diese auserwählte Schaar von Persern[††] ) befehligte Hydarnes, des Hydarnes Sohn. Es wurden diese Perser die Unsterblichen darum genannt, weil, wenn Einer von ihnen aus dieser Zahl abging, entweder durch Tod oder durch Krankheit, ein anderer sofort genommen wurde; daher sie nie stärker oder schwächer waren als zehntausend. Diese Perser waren am meisten geschmückt vor allen Andern und waren auch die Tapfersten; sie hatten eine solche Bekleidung, wie sie angegeben worden ist, außerdem aber zeichneten sie sich aus durch das viele und reichliche Gold, das sie an sich hatten, auch führten sie Reisewagen mit sich, und darin ihre Kebsweiber und eine zahlreiche, wohl gekleidete Dienerschaft. Lebensmittel für sie führten, abgesondert von den übrigen Soldaten, Kameele und Zugvieh.



84.

Es dienten aber folgende Völker zu Pferde; es stellten nämlich nicht alle Reiterei, sondern blos folgende: die Perser, und waren dieselben auf gleiche Weise gekleidet, wie ihr Fußvolk, nur auf dem Kopfe hatten einige eine Bedeckung von Erz und Eisen in getriebener Arbeit.



85.

Ferner die Sagartier[*] ), wie sie heißen, ein herumziehendes Volk von persischer Abkunft, auch der Sprache nach, sie haben eine Tracht, welche zwischen der persischen und der Pactyischen die Mitte hält: diese stellten eine Schaar von acht tausend Reitern; sie führen aber keine Waffen von Erz oder Eisen, mit Ausnahme von Dolchen, dafür aber haben sie Fangstricke, welche aus Riemen geflochten sind[**] ): auf diese verlassen sie sich, wenn sie in den Krieg ziehen. Der Kampf dieser Männer ist aber folgender Art. Wenn sie den Feinden nahe gekommen sind, werfen sie die Stricke aus, welche an der äußersten Spitze Schlingen haben, und mittelst dieser zieht man das, was man erfaßt, es sei ein Pferd oder ein Mensch, an sich: wer aber in dieses Netz verwickelt ist, ist verloren. Das ist der Kampf derselben, und waren sie den Persern zugetheilt.



86.

Die Meder hatten dieselbe Kleidung, wie die zu Fuß, eben so auch die Kissier. Die Inder waren zwar auch eben so gekleidet, wie die zu Fuß dienenden, führten aber Reitpferde und Wagen[***] ), an welchen Pferde und wilde Esel[†] ) gespannt waren. Auch die Baktrier waren eben so gekleidet, wie die bei dem Fußvolk, eben so auch die Kaspier. Die Lydier waren ebenfalls gerade so gekleidet, wie die zu Fuß; auch sie führten Alle Wagen. Ebenso hatten die Kaspeiren[*] ) und Paritanier dieselbe Kleidung wie die zu Fuß; dasselbe war der Fall bei den Arabern, welche alle Kameele führten, die an Schnelligkeit den Pferden nichts nachgaben[**] ).



87.

Das waren die einzigen Völker, welche Reiter stellten, und belief sich die Zahl der Reiterei auf achtzig tausend Mann, ohne die Kameele und die Wagen. Die übrigen Reiter nun waren nach Abtheilungen geordnet, die Araber aber bildeten die letzte Abtheilung nach den andern; denn da die Pferde den Geruch der Kameele gar nicht vertrugen[***] ), so waren sie zuletzt aufgestellt, damit die Reiterei nichts zu fürchten hätte.



88.

Die Befehlshaber der Reiterei waren Armamithras und Tithäus, die Söhne des Datis[†] ). Pharnuches, der dritte Befehlshaber der Reiterei, war krank zu Sardes zurückgeblieben: denn bei dem Aufbruch aus Sardes war ihm ein unerwünschter Unfall zugestoßen. Unter die Füße des Pferdes nämlich, auf dem er ritt, war ein Hund gelaufen: das Pferd, welches denselben vorher nicht erblickt hatte, ward scheu, bäumte sich aufrecht und warf den Pharnuches herunter. Nach dem Fall spie er Blut und ging die Krankheit in eine Zehrung über, mit dem Pferd aber machten die Diener sofort auf der Stelle, wie er gebot: sie führten es an den Platz, wo es ihren Herrn heruntergeworfen hatte, und schnitten ihm am Knie die Schenkel ab. Auf diese Weise war Pharnuches der Führung entbunden.



89.

Die Zahl der Dreirudrer belief sich auf zwölfhundert und sieben: es stellten dieselben folgende Völker: die Phönicier zugleich mit den Syrern in Palästina[*] ) stellten dreihundert, und war die Mannschaft auf folgende Weise ausgerüstet: auf dem Kopfe hatten sie Helme, welche fast ganz nach hellenischer Art gefertigt waren, sie hatten linnene Harnische angelegt und führten Schilde, die ohne einen Reif waren , sowie Wurfspeere. Diese Phönicier wohnten vor Alters, wie sie selbst angeben, an dem rothen Meere und zogen von da weg über Syrien hin, dessen Küstenstriche sie bewohnen[**] ) Es wird aber dieser Strich von Syrien und die ganze Strecke bis Aegypten Palästina genannt. Die Aegyptier lieferten zweihundert Schiffe; auf dem Kopfe trugen sie geflochtene Helme, dann hatten sie hohle Schilde, welche mit großen Reifen versehen waren, Speere zum Seekämpfe und große Streitäxte; auch trug die Mehrzahl von ihnen Harnische und führte große Messer. Also waren diese ausgerüstet.



90.

Die Cyprier stellten hundert und fünfzig Schiffe und waren folgendermaßen gerüstet: ihre Könige hatten Binden um ihr Haupt gelegt, die übrigen hatten Leibröcke und alles Uebrige wie die Hellenen . Von diesen gibt es so viele Volksstämme: die einen sind von Salamis und Athen, die andern von Arkadien, die andern von Cythnus[***] ), die andern von Phönicien, die andern von Aethiopien, wie die Cyprier selbst angeben[†] ).



91.

Die Cilicier[††] ) stellten hundert Schiffe; diese hatten auf dem Kopf Helme nach der Landessitte, statt der Schilde eine ähnliche aus Rindsfellen gemachte Schutzwehr, und waren mit wollenen Leibröcken bekleidet; ein Jeder hatte zwei Wurfspeere und ein Schwert, beides ganz nach Art der ägyptischen Messer gearbeitet. Diese wurden vor Alters Hypachäer genannt, erhielten aber dann nach dem Cilix. dem Sohn des Agenor, einem Phönicier, ihren Namen[*] ). Die Pamphylen[**] ), welche mit hellenischen Waffen gerüstet waren, stellten dreißig Schiffe. Diese Pamphylen stammen ab von denen, welche aus Troja zugleich mit Amphilochus[***] ) und Kalchas[†] ) zerstreut worden waren.



92.

Die Lycier stellten dreißig Schiffe, trugen Harnische und Beinschienen, hatten Bogen von Cornelkirschholz und unbefiederte Pfeile

von Rohr, sowie Wurfspieße, dazu Ziegenfelle, die über die Schultern hingen, und auf dem Kopf Hüte mit Federn ringsherum (in; auch führten sie Dolche und Sicheln. Die Lycier aber hießen (früher) Termilen, da sie aus Creta stammten; ihren Namen erhielten sie nachher von Lycus, dem Sohne des Pandion, einem Athener[*] ).



93.

Die Asiatischen Dorier[**] ) stellten dreißig Schiffe und hatten hellenische Waffen, da sie auch aus dem Peloponnes stammen. Die Kanier stellten siebenzig Schiffe, waren in Allem wie die Hellenen gerüstet, hatten aber auch Sicheln und Dolche. Wie diese früher genannt wurden, ist in dem ersten Theile meiner Erzählung angegeben[***] ).



94.

Hundert Schiffe lieferten die Ionier[†] ), welche wie die Hellenen gerüstet waren Es wurden aber die Ionier, so lange Zeit sie im Peloponnes das jetzt Achaia genannte Land bewohnten und ehe Danaus[††] ) und Xuthus[†††] ) in den Peloponnes kamen, wie die Hellenen angeben, Aegialische Pelasger[§] ) genannt, nach Ion aber, dem Sohne des Xuthus, Ionier.



95,

Die Bewohner der kleinen Inseln stellten siebenzehn Schiffe, waren gerüstet wie die Hellenen. Auch diese waren ein Volk Pelasgischer Abkunft, welches nachher das Jonische genannt wurde auf dieselbe Weise wie die Ionier der Zwölfstädte, welche von Athen stammen[*] ) Die Aeolier[**] ) lieferten sechzig Schiffe und waren gleichfalls wie die Hellenen gerüstet; auch sie hießen vor Alters Pelasger, wie der Hellenen Angabe lautet. Die Hellespontier ***) mit Ausnahme der Abydener[†] ) — denn diesen war vom König befohlen worden, zu Hause zu bleiben und die Brücken zu bewachen — also alle andern aus dem Pontus, welche den Feldzug mitmachten, stellten hundert Schiffe; sie waren ebenfalls wie die Hellenen gerüstet, auch sind sie Abkömmlinge der Ionier und Dorier.



96.

Es befanden sich aber auf allen diesen Schiffen Perser, Meder und Saken als Soldaten[††] ). Die am besten fahrenden Schiffe unter denselben stellten die Phönicier und unter den Phöniciern die Sidonier[†††] ). Alle diese, so wie diejenigen von ihnen, welche dem Landheer zugetheilt worden waren, hatten jegliche ihre Führer aus ihrem Volk. deren Namen ich hier jedoch nicht weiter angegeben, weil ich es für die geschichtliche Darstellung nicht für nothwendig halte[§] ). Denn es verdienten dieß die Führer jedes einzelnen Volkes nicht, und dann waren bei jedem Volke eben so viele Führer, au Städte desselben; diese aber folgten nicht als Feldherren, sondern wie die übrigen Unterthanen des Königs, welche ins Feld zogen. Denn die Feldherren, welche die ganze Macht in Händen hatten und Führer eines jeden Volkes waren, sind, soweit es Perser waren, von mir angegeben worden[*] ).



97.

Die Befehlshaber der Seemacht waren folgende: Ariabignes , des Darius Sohn, Prexaspes, des Aspathines Sohn, Mega[**] , des Megabates Sohn, und Achämenes, des Darius Sohn ). Die Jonische und Karische Schaar befehligte Ariabignes, der Sohn des Darius und der Tochter des Gobryas, die Aegyptier führte Achämenes[***] ) an, welcher des Xerxes Bruder von beiden Seiten war, die übrige Schaar aber die beiden andern. Die Zahl der Dreißigrudrer , Fünfzigrudrer, der kleineren Schiffe und der langen Schiffe zum Transport der Pferde belief sich auf dreitausend.



98.

Unter denjenigen, welche auf den Schiffen sich befanden, waren zunächst diesen Feldherren folgende wohl die namhaftesten: Tetramnestus, des Anysus Sohn aus Sidon, Mapen, des Siromus Sohn aus Tyrus, Merbalus, des Agbalus Sohn aus Aradus, Syennesis[†] ) aus Cilicien, des Oromedon Sohn, Kyberniscus, des Sicas Sohn aus Lycien, die beiden Cyprier: Gorgus[††] ), des Chersis Sohn, und Timonax, des Timagoras Sohn; von den Karern Histiäus, des Tymnes Sohn[†††] ), Pigres, des Seldomus Sohn, und Damasithymus, des Kandaules Sohn.



99.

Der übrigen Führer der Heeresabtheilungen habe ich hier nicht gedacht, weil ich eben es nicht nöthig finde; nur eines Weibes, welches wider Hellas zu Felde zog, will ich gedenken, nämlich der Artemisia[§] ), da ich ihr alle Bewunderung zolle. Nach dem Tode ihres Mannes blieb sie in dem Besitz der Herrschaft, und obwohl sie einen jungen Sohn hatte, machte sie, getrieben von Muth und Tapferkeit, den Feldzug mit, ohne daß sie irgendwie dazu genöthigt war. Ihr Name war Artemisia; sie war eine Tochter des Lygdamus, und stammte väterlicherseits aus Halicarnassus, mütterlicherseits aus Kreta. Fünf Schiffe stellte sie zum Feldzug und führte den Oberbefehl über die Halicarnasser, Koer[*] ), Nisyrier und Kalydnier[**] ); ihre Schiffe waren , nach den Sidonischen wenigstens, die herrlichsten in der ganzen Flotte, und eben so ertheilte sie dem König unter allen Verbündeten die besten Rathschläge. Das Volk aber, über dessen Städte sie, wie ich bemerkt, herrschte, kann ich ganz als Dorisch bezeichnen, die Halicarnasser nämlich stammen von Trözen, die übrigen von Epidaurus. So viel nun ist über die Flotte angegeben.



100.

Nachdem das Heer gezählt und geordnet war, wünschte Xerxes selbst durch dasselbe hindurchzufahren und es zu besichtigen[***] ). Er that es auch nachher, und fuhr auf einem Wagen hindurch an jedem einzelnen Volke vorbei und ließ es sich angeben; die Schreiber[†] ) zeichneten es dann auf, bis er von dem einen Ende zu dem andern gekommen war, der Reiterei sowohl wie des Fußvolks. Nachdem dieß von ihm geschehen war und die Schiffe in das Meer gezogen worden waren, da stieg Xerxes aus dem Wagen in ein Sidonisches Schiff[††] ) und nahm unter einem goldenen Zelt seinen Sitz, worauf er an den Vordertheilen der Schiffe vorbeifuhr und sich eben so, wie bei dem Fußvolk, nach jedem Schiffe erkundigte und es aufschreiben ließ. Es hatten aber die Befehlshaber der Flotte die Schiffe etwa vier Plethren[*] ) weit vom Gestade in die See hinaus geführt und ließen sie alle hier vor Anker liegen, mit den Schiffsvordertheilen nach dem Lande zu gewendet in einer geschlossenen Fronte, wobei die Seesoldaten wie zum Krieg gerüstet waren. Er aber, indem er zwischen den Vordertheilen und dem Gestade fuhr, besichtigte sie.



101.-105

Als er aber auch durch diese hindurchgefahren war und aus dem Schiff ans Land gestiegen, ließ er den Demaratus[**] ), des Ariston Sohn, welcher mit ihm wider Hellas zu Felde zog, zu sich rufen; und nachdem er ihn gerufen, frug er ihn Folgendes: Demaratus, ich habe jetzt Lust, dich nach Etwas zu fragen, was ich wissen will. Du bist ein Hellene, und wie ich von dir und den andern Hellenen, mit welchen ich mich in ein Gespräch einließ, vernehme, weder aus der geringsten noch aus der schwächsten Stadt. Gib mir nun darüber Auskunft, ob die Hellenen sich unterstehen werden, die Hände wider mich zu erheben. Denn, wie ich glaube, auch wenn alle Hellenen und die übrigen nach Westen zu wohnenden Menschen versammelt wären, so werden sie doch nicht stark genug sein, meinen Angriff auszuhalten, wenn sie nicht miteinander einig sind. Ich wünsche nun auch deine Ansicht zu erfahren, was du darüber denkst. Dieß war seine Frage. Jener aber erwiderte sogleich: o König: soll ich die Wahrheit sagen, oder dir zu Gefallen reden? Da forderte ihn der König auf die Wahrheit zu sprechen, mit der Versicherung, er werde ihm nicht weniger angenehm sein wie zuvor.


***
102.

Als dieß Demaratus vernommen hatte, sprach er Folgendes: o König, da du verlangst, daß ich durchaus dir die volle Wahrheit Sage und das angebe, worin Niemand von dir später der Lüge überführt werden wird, so merke dir: Mit Hellas von Seher verschwistert ist die Armuth, die Tugend aber hat es sich angeeignet und gewonnen durch Weisheit und ein starkes Gesetz[*] ): mittelst dieser wehrt Hellas die Armuth von sich ab und die Herrschaft der Gewalt. Ich lobe nun zwar alle Hellenen, welche in jenen dorischen Gauen wohnen; das Folgende aber will ich nicht von allen diesen sagen, sondern blos von den Lacedämoniern: erstlich, daß sie unmöglich deine Vorschläge je annehmen werden, welche Knechtschaft über Hellas bringen ; zweitens, daß sie dir in den Kampf entgegengehen werden, auch wenn die übrigen Hellenen alle auf deiner Seite sind. Hinsichtlich ihrer Zahl frage nicht, wie viel derer sind, welche dieß zu thun im Stande sind: denn wenn es nur tausend sind, die ins Feld ausgezogen sind, diese werden mit dir kämpfen, und seien es auch noch weniger als diese, oder auch noch mehr.



***
103.

Als Xerxes dieß vernommen hatte, lachte er und sprach: Demaratus, was für ein Wort hast du gesprochen! tausend Männer sollten mit einem solchen Heere den Kampf wagen! Wohlan, nun sag' mir doch: du behauptest, selbst König dieser Männer gewesen zu sein; wirst du dich nun entschließen sofort mit zehn Männern zu kämpfen? Fürwahr, wenn euer Volk ganz so ist, wie du es darstellst, so mußt du als der König derselben wohl der doppelten Anzahl dich entgegenstellen, nach euren Gesetzen. Denn wenn von Jenen ein Jeder zehn Männern meines Heeres gewachsen ist, so verlange ich denn, daß du wenigstens mit zwanzig derselben es aufnimmst; so erst würde das, was du gesagt hast, sich als richtig erweisen. Wenn ihr aber solche Leute seid und so stark, wie du und die Hellenen, welche zu mir zur Unterredung kommen, und wenn ihr noch so sehr prahlt, so glaube ich, diese Worte, die du gesprochen, sind nichts als eitle Prahlerei. Wohlan, laß mich einmal die Sache vernünftig betrachten; wir können tausend oder auch zehntausend oder auch fünfzigtausend, die alle gleich frei sind und nicht von Einem beherrscht werden, einem so großen Heere entgegentretend da doch mehr als tausend auf jeden Einzelnen kommen, auch wenn es Jener fünftausend sind. Denn wären sie von Einem befehligt, nach unserer Weise, so würden sie vor diesem sich fürchten und selbst wider ihre Natur sich tapferer zeigen und gezwungen mit Peitschenhieben[*] ) gegen eine Mehrheit vorgehen, auch wenn sie schwächer wären: ganz freigelassen aber, werden sie wohl Keines von Beiden thun. Ich glaube aber, daß die Hellenen, selbst wenn sie in der Zahl gleich wären, schwerlich mit den Persern allein kämpfen würden; bei uns vielmehr kommt das, was du sagst, wenn auch nicht gerade häufig, sondern selten vor. Es gibt nämlich unter meinen persischen Lanzenträgern Männer, welche lieber mit drei hellenischen Männern zugleich werden kämpfen wollen: du kennst dieselben freilich nicht, und darum sprichst du so einfältiges Zeug.



***
104.

Darauf sprach Demaratus: o König! ich wußte von Anfang an, daß ich, wenn ich mich an die Wahrheit halte, dir nichts Angenehmes sagen werde. Da du mich aber genöthigt hast, die volle Wahrheit zu sagen, so sagte ich das, was von den Spartanern gilt. Und doch weißt du selbst am besten, wie es eben jetzt mit meiner Liebe zu denselben steht, da sie mir Ehren und Würden, die mir vom Vater her zukommen, entzogen und mich zu einem heimathlosen Flüchtling gemacht haben; dein Vater hat mich aufgenommen und mir Mittel zum Leben und eine Wohnung **) gegeben; nun ist es aber doch nicht zu erwarten, daß ein vernünftiger Mann das Wohlwollen, das ihm erzeigt wird, von sich stoße, sondern daß er dafür alle Liebe zeige. Ich kann es nicht auf mich nehmen, mit gehn oder mit zwei Männern zu kämpfen, ja, von freien Stücken möchte ich auch nicht mit Einem in einen Kampf mich einlassen. Wenn es aber nothwendig sein muß, oder ein großer Preis zum Kampfe treibt, so möchte ich am liebsten unter Allen mit einem derjenigen Männer kämpfen. von welchen ein Jeder es mit drei Hellenen aufnehmen will. Ebenso sind auch die Lacedämonier, wenn sie Mann wider Mann kämpfen, nicht minder tapfer, wie irgend ein Andrer, wenn sie aber zusammengeschaart sind, sind sie von allen Männern die tapfersten. Denn obwohl sie frei sind, sind sie doch nicht in Allem frei. Haben sie doch über sich einen Gebieter , das Gesetz[*] ), vor welchem sie sich weit mehr fürchten, als deine Leute vor dir; was dieses nun ihnen gebietet, das thun sie; es stellt aber an sie stets dasselbe Gebot, vor keiner Menschenmenge aus dem Kampfe zu fliehen, sondern in der Reihe auszuhalten und so entweder zu siegen oder zu sterben. Erscheint dir aber diese Rede als Faselei, so will ich das Uebrige fürderhin lieber verschweigen; ich habe dieß jetzt nur gezwungen gesagt. Möchte es indeß, o König, nach deinem Wunsche dir ergehen.



***
105.

Dieß war seine Erwiderung. Xerxes aber gerieth darüber ins Lachen, und zeigte nicht den geringsten Unwillen, sondern entließ ihn in Milde. Nach dieser Unterredung setzte Xerxes den Maskames, den Sohn des Megadostes, zum Statthalter in diesem Doriscus **) ein, nachdem er den von Darius bestellten entlassen hatte, und zog dann mit seinem Heere fort durch Thracien wider Hellas.




106.

Es hatte aber Xerxes den Maskames zurückgelassen, weil er ein solcher Mann war, daß der König ihm allein Geschenke zuschickte[*] ), indem er der vorzüglichste unter allen den Statthaltern war, welche er selbst oder Darius eingesetzt hatte; er schickte dieselben ihm aber jedes Jahr, und ebenso that es auch Artaxerxes, des Xerxes Sohn, den Nachkommen dieses Maskames. Es waren nämlich schon vor diesem Zuge Statthalter in Thracien und an allen Orten des Hellespont eingesetzt worden; alle diese aber wurden aus Thracien wie aus dem Hellespont, mit Ausnahme des zu Doriscus, von den Hellenen später nach diesem Feldzuge aus ihren Städten vertrieben; nur den Maskames zu Doriscus vermochten sie in keiner Weise zu vertreiben, so oft sie es auch versucht hatten. Deßwegen werden ihm diese Geschenke von dem jedesmaligen König der Perser zugeschickt.



107.

Von denjenigen Statthaltern aber, welche von den Hellenen vertrieben wurden, hielt Xerxes keinen für einen tapfern Mann. ausgenommen den Boges zu Eion[**] ); diesen lobte er unablässig und ehrte auch insbesondere die am Leben gebliebenen Söhne desselben in Persien, weil auch Boges großen Lobes würdig sich erwiesen hatte, da er, als er von den Athenern und von Cimon, dem Sohne des Miltiades, belagert wurde und es ihm freistand, gemäß eines Vertrags, abzuziehen und nach Asien zurückzukehren, dieß nicht thun wollte, damit der König nicht glaube, er sei aus Feigheit am Leben geblieben, sondern er hielt bis auf das Aeußerste aus; und als keine Nahrung mehr in der Veste war, ließ er einen großen Scheiterhaufen aufführen, seine Kinder wie sein Weib und die Kebsweiber sammt den Sklaven abschlachten und hernach ins Feuer werfen: nach diesem ließ er alles Gold und Silber aus der Stadt in den Strymon von der Mauer herab werfen, und als er dieß gethan, stürzte er sich selbst in die Flammen. Also wird dieser mit Recht noch bis auf diesen Tag von den Persern gepriesen.



108

Von Doriscus zog Xerxes weiter gegen Hellas: wobei er die, welche ihm in den Weg kamen, jedesmal zwang, mit ihm weiter zu ziehen. Es war nämlich, wie auch früher von mir bemerkt worden ist[*] ), das ganze Land bis nach Thessalien unterworfen worden und dem König zinspflichtig, seit Megabazus und später Mardonius dasselbe erobert hatte. Auf dem Zuge von Doriscus kam Xerxes zuerst vorbei an den Samothracischen Vesten[**] ), von welchen die äußerste nach Abend zu die Stadt ist, welche Mesambria[***] ) heißt; an diese stößt Stryma, eine Stadt der Thasier; mitten dazwischen fließt der Fluß Lissus, dessen Wasser damals für das Heer des Xerxes nicht genügte zum Trinken, sondern ausging. Diess Landschaft hieß vor Alters Gallaika, jetzt aber heißt sie Briantika, gehört jedoch nach der richtigsten Angabe zu dem Lande der Kikonen[†] ).



109.

Nachdem Xerxes das ausgetrocknete Bett des Flusses Lissus überschritten hatte, zog er an folgenden hellenischen Stadien vorbei: Maronea[††] ), Dicäa, Abdera[†††] ) An diesen also zog er vorbei und ebenso an folgenden dabei liegenden namhaften Seen, an dem See Ismaris, welcher zwischen Maronea und Stryma liegt, an dem See Bitonis[§] ) bei Dicäa, in welchen zwei Flüsse sich ergießen, der Trauus und Kompsatus[*] ); bei Abdera zog Xerxes an keinem namhaften See vorbei, wohl aber an dem Fluß Nestus[**] ), welcher ins Meer fließt. Nach diesen Gegenden kam er auf seinem Zuge weiter vorbei an den Städten des Binnenlandes; bei einer derselben befindet sich ein See in einem Umfang von wohl dreißig[***] ) Stadien, welcher fischreich ist und ganz salzig: diesen See trank blos das Zugvieh aus und legte ihn trocken; es heißt aber diese Stadt Pistyrus. An diesen Städten nun, die an der Küste lagen und hellenisch waren, zog Xerxes vorbei, indem er sie zur Linken ließ.



110.

Die Thracischen Völker aber, durch deren Land er seinen Weg nahm, sind folgende: Pater, Kikonen, Bistonen, Sapäer, Dersäer , Edonen, Satren[†] ). Von diesen folgten diejenigen, welche am Meere wohnen, in ihren Schiffen; diejenigen aber, welche im Binnenland wohnen und von mir angegeben sind, diese alle, mit Ausnahme der Satren, folgten gezwungen zu Fuße.



111.

Es waren aber die Satren, so weit wir wissen, noch nie irgend Jemand unterthan gewesen, sondern sie sind, allein von den Thraciern, stets frei geblieben bis auf meine Zeit. Sie bewohnen nämlich hohe Berge, welche mit Waldungen mancherlei Art und Schnee bedeckt sind, und sind im Kriege tapfer; sie sind es auch, welche das Orakel des Dionysus[*] ) besitzen. Dieses Orakel befindet sich auf den höchsten Bergen; von den Satren sind aber die Besten[**] ), die Priester des Heiligthums. Die Orakel ertheilt, wie zu Delphi, und in einer nicht zweideutigeren Sprache, eine Priesterin.



112.

Als Xerxes an der bemerkten Stelle vorüber gezogen war, kam er nach diesem an den Vesten der Pierer[***] ) vorbei, von welchen die eine Phagres, die andere Pergamus heißt. Hier nahm er seinen Weg hart an den Vesten vorbei und ließ zur rechten Hand das Pangäische Gebirge[†] ). welches gros und hoch ist; darin befinden sich auch Gold und Silberbergwerke, in deren Besitz die Pierer wie die Odomanten und besonders die Satren sind.



113.

An den ober dem Pangäischen Gebirge nach Norden zu wohnenden Päonen[††] ), Doberern und Päoplen[†††] ) zog er ebenfalls vorbei westwärts, bis er zu dem Fluß Strymon[§] ) und zu der Stadt Eion kam, in welcher der damals noch lebende Boges gebot, dessen ich kurz zuvor erwähnte. Diese Landschaft um das Pangäische Gebirge wird Phyllis genannt, westwärts zieht sie sich bis an den Fluß Angites, welcher in den Strymon mündet, nach Süden zu bis an den Strymon selbst, wo die Magier weiße Rosse schlachteten zu einem günstigen Uebergang[§§] ).



114.

Nachdem sie zur Beruhigung des Flusses dieses und noch vieles Andere gethan, zogen sie bei Ennea Hodoi (d. i. Neunwege)[*] ) im Lande der Hedonen über die Brücken, da sie den Strymon überbrückt gefunden hatten[**] ), Und wie sie hörten, daß dieser Ort Ennea Hodoi genannt werde, begruben sie bei demselben eben so viele (neun) Knaben und Jungfrauen von den Landesbewohnern lebendig. Es ist nämlich persische Sitte, lebendig zu begraben[***] ), wie ich ja auch vernehme, daß Amestris, des Xerxes Weib[†] ), in ihrem Alter zweimal sieben persische Knaben von angesehenen Männern vergraben ließ, um dem Gott, der unter der Erde wohnen soll, damit sich dankbar zu erweisen.



115.

Wie aber das Heer von dem Strymon sich auf den Weg machte, so kommt nach Sonnenuntergang zu ein Gestade, an welchem Argilus[††] ), eine hellenische Stadt, liegt, wo das Heer vorbeizog. Dieses Land und was darüber liegt, heißt Bisaltia[†††] ). Von da zog das Heer, indem es den Meerbusen von Posideium[§)] zur Linken ließ, durch die sogenannte Sylische Ebene, an Stagirus, einer hellenischen Stadt, vorbei und kam nach Akanthus[*] ), wobei es mit sich führte ein jedes dieser Völker so wie der um das Pangäische Gebirge wohnenden, auf gleiche Weise wie die früher bezeichneten, indem die am Meere wohnenden auf den Schiffen dienen, die oberhalb des Meeres aber zu Fuß folgen mußten[**] ). Diesen Weg aber, auf welchem der König Xerxes das Heer führte, werfen die Thracier nicht ein und besäen ihn nicht, sondern erweisen ihm eine große Verehrung bis auf meine Zeit.



116.

Als aber der Perserkönig nach Akanthus gekommen war, ließ er den Akanthiern Gastfreundschaft[***] ) verkünden und beschenkte sie mit medischer Kleidung ), lobte sie auch, als er sah, daß sie so eifrig für den Krieg waren, und als er von dem Graben hörte.



117.

Während Xerxes zu Akanthus sich befand, begab es sich, daß in Folge einer Krankheit Artachäes starb, welcher die Aufsicht geführt über den Graben[††] ), ein Mann, der bei Xerxes angesehen und von Geschlecht ein Achämenide war, an Gestalt der größeste unter allen Persern (denn es fehlten ihm zu fünf königlichen Ellen nur vier Finger)[†††] ). der auch die lauteste Stimme von Allen besaß; daher Xerxes , der großes Leid daran nahm, ihn aufs herrlichste hinausbringen und bestatten ließ; das ganze Heer warf einen Grabhügel auf. Diesem Artachäes opfern die Akanthier, zufolge eines Götterspruches, wie einem Heros, wobei sie seinen Namen anrufen[§] ). Also betrauerte der König Xerxes den Tod des Artachäes.



118.

Diejenigen Hellenen aber, welche das Heer aufnahmen und den Xerxes bewirtheten, waren in die allerschlimmste Lage gekommen, so daß sie selbst ihre Wohnungen verlassen mußten; insofern den Thasiern, welche für ihre Städte auf dem Festlande das Heer des Xerxes aufgenommen und bewirthet hatten, Antipater, der Sohn des Orgeus, der dazu gewählt war, ein unter seinen Mitbürgern höchst angesehener Mann, einen Aufwand von vierhundert Talenten Silbers[*] ) für die Bewirthung berechnete.



119.

Auch in den übrigen Städten erreichte der Aufwand eine gleiche Höhe nach der Rechnung der damit Beauftragten. Denn die Bewirthung geschah in folgender Weise, da sie ja lange Zeit zuvor angesagt war und sehr darauf gehalten ward. So wie die Bürger nämlich von den überall herum ansagenden Heroiden benachrichtigt waren, theilten sie in den Städten Frucht aus und bereiteten daraus Weizen- und Gerstenmehl, Alle auf viele Monate; dann nisten sie Vieh, das herrlichste, das sie ausfindig gemacht hatten, fütterten Land- und Seevögel in Käfigen und Teichen, zur Aufnahme des Heeres; endlich ließen sie goldene und silberne Becher und Mischkrüge machen, so wie alles Andere, was auf den Tisch gesetzt wird. Dieß geschah nun für den König selbst und die ,welche mit ihm zu Tische saßen[**] ); das übrige Heer erhielt nur das, was zu seiner Nahrung bestimmt war. So oft aber das Heer ankam, war ein Zelt aufgeschlagen in Bereitschaft, in welchem der König selbst seinen Aufenthalt nahm; das übrige Heer blieb unter freiem Himmel. So wie aber die Essenszeit gekommen war, hatten die, welche das Heer aufnahmen, ihre Mühe; die anderen aber, wenn sie sich satt gegessen und die Nacht daselbst zugebracht hatten, brachen am folgenden Tage das Zelt ab, nahmen alle Geräthschaften und zogen also fort, ohne irgend etwas dazulassen, sondern Alles mit sich nehmend.



120.

Hier nun hat Megakreon aus Abdera ein ganz wahres Wort gesprochen, indem er den Abderiten den Rath gab, sie sollten allesammt, Männer wie Weiber, in ihre Tempel ziehen, hier als Schützlinge der Götter sich hinsetzen und dieselben bitten, sie möchten sie in Zukunft vor der Hälfte der kommenden Uebel bewahren; für die vorübergegangenen aber sollten sie ihnen großen Dank abstatten, weil der König Xerxes nicht zweimal an jedem Tage ein Mahl einzunehmen gewohnt sei. Denn wenn den Abderiten angesagt worden wäre, ein Frühstück auf gleiche Weise wie das Mittagsmahl herzurichten, so hätten sie entweder des Xerxes Anzug gar nicht abwarten dürfen, oder, wenn sie geblieben wären. würden sie am schlimmsten unter allen Menschen weggekommen sein. Diese also, so sehr sie auch bedrückt wurden, leisteten doch auf gleiche Weise (wie die andern Städte), was ihnen auferlegt war.



121.

Xerxes trennte sich nun von der Flotte und ließ die Schiffe von Akanthus aus weiter ziehen, nachdem er ihren Führern den Befehl ertheilt hatte, mit der Seemacht bei Therma[*] ) zu warten, welches an dem Thermaischen Busen liegt, der eben seinen Namen von dieser Stadt trägt; denn hier, erfuhr er, wäre der Weg am kürzesten. Bis Akanthus nämlich machte das Heer den Weg von Doriscus in folgender Weise geordnet. Das ganze Landheer hatte Xerxes in drei Abtheilungen getheilt, die eine derselben hatte er angewiesen, den Weg längs des Meeres zu nehmen zugleich mit der Seemacht; diese Abtheilung befehligten Mardonius und Masistes: die andere dieser drei Heeresabtheilungen, welche Tritantaichmes und Gergis befehligten, hatte den Befehl landeinwärts zu ziehen; die dritte Abtheilung, mit welcher Xerxes selbst zog, nahm den Weg zwischen diesen beiden in der Mitte und hatte zu Feldherren den Smerdomenes und Megabyzus.



122.

So wie nun die Flotte von Xerxes entlassen und durch den Graben geschifft war, welcher am Athos gezogen war und in den Meerbusen lief[**] ), an dem die Städte Assa, Pilorus, Singus und Sarta[*] ) liegen, so fuhr sie, nachdem sie aus diesen Städten Mannschaft zum Heere mitgenommen hatte, von da sogleich weiter nach dem Thermaischen Meerbusen; indem sie bei Ampelus, der Spitze von Tarone, umbog, kam sie an folgenden hellenischen Städten vorbei, aus welchen sie Schiffe und Mannschaft mitnahm: Tarone, Galepsus, Sermyle, Mekyberna, Olynthus[**] ) Es wird diese Landschaft Sithonia genannt.



123.

Indem die Flotte des Xerxes auf diesem Wege von dem Vorgebirge Ampelus aus das Vorgebirge Kanasträum[***] ) erreichte, welches die äußerste Spitze von ganz Pallene bildet, nahm sie von da Schiffe und Mannschaft mit, nämlich aus Potidäa, Aphytis, Neapolis, Aige, Therambus, Scione, Mende und Sane[*] ): denn dieß sind die Städte, welche die jetzt Pallene, früher Phlegra genannte Landschaft besitzen. Indem die Flotte auch an dieser Landschaft vorbeifuhr, schiffte sie dann nach dem Orte ihrer Bestimmung und nahm Mannschaft mit auch aus den an Pallene grenzenden Städten, welche nahe an dem Thermaischen Busen liegen und folgende Namen haben; Lipaxus, Kombrea, Lisä, Gigonus, Kampsa, Smila, Aenea[**] ) Das Land derselben wird noch bis auf diese Zeit Krossäa genannt. Von Aenea aber, das ich zuletzt nannte bei Aufzählung der Städte, von da an fuhr die Flotte in den Thermaischen Busen selbst ein und nach dem Mygdonischen Lande. Und so gelangte sie dann auf ihrer Fahrt nach dem vorher bestimmten Therma, so wie zu der Stadt Sindus und Chalestra[***] ), an den Fluß Axius[†] ), welcher die Grenze bildet zwischen der Landschaft Mygdonia und Bottiäis, in welcher auf dem schmalen Küstenstrich die Städte Ichnä und Pella[††] ) liegen.



124.

Hier nun, an dem Fluß Axius und der Stadt Therma und den dazwischen liegenden Städten, blieb die Flotte liegen, um den König erwarten. Xerxes aber brach mit dem Landheere von Akanlhus auf und nahm den Weg mitten durch das Binnenland, um nach Therma zu kommen: er zog nämlich durch das Päonische[*] ) und Krestonische[**] ) Land an den Fluß Echidorus, welcher aus dem Lande der Krestonäer kommt, dann durch das Mygdonische Land fließt und bei dem Sumpf am Flusse Axius mündet.



125.

Auf diesem Zuge geschah es, daß Löwen[***] ) seine mit Lebensmitteln belasteten Kameele anfielen. Die Löwen nämlich, welche während der Nacht ihr Lager verlieren und herankamen, machten sich an sonst Nichts, weder an Menschen noch an Vieh, sondern griffen nur die Kameele an. Ich wundere mich, was es wohl für eine Ursache haben mag, daß die Löwen von allem Andern sich fern hielten und blos die Kameele anfielen, ein Thier, das sie nie vorher gesehen und an dem sie nie sich versucht hatten.



126.

Es gibt aber in diesen Gegenden viele Löwen und wilde Ochsen[†] ), deren Hörner über die Maßen groß sind; die auch zu den Hellenen kommen. Die Grenze für die Löwen bildet der Fluß Nestus, der durch Abdera fließt, und der Achelous[††] ), der durch Akarnanien fließt[†††] ). Denn weder ostwärts von Nestus irgendwo in dem ganzen vorderen Europa kann man einen Löwen sehen, noch westwärts vom Achelous in dem übrigen Festlande, sondern nur zwischen diesen Flüssen kommen sie vor.



127.

Als nun Xerxes nach Therma gekommen war, ließ er hier sein Heer Platz nehmen, und es nahm sein Heer, als es sich lagerte, die große Strecke längs des Meeres ein, von der Stadt Therma und der Landschaft Mygdonia angefangen bis zum Flusse Lydias und Haliakmon, welche die Grenze der Landschaften Bottiäis und Mygdonia bilden, indem sie sich in einen Strom verbinden[*] ) In diesen Gegenden nun lagerten die Barbaren. Von diesen eben genannten Flüssen war es allein der aus dem Lande der Krestonäer kommende Echidorus[**] ), der nicht Wasser genug zum Trinken für das Heer hatte, sondern ausging.



128.

Als Xerxes von Therma aus die Thessalischen Berge erblickte, den Olympus und Ossa in ihrer gewaltigen Höhe und Größe[***] ), und erfuhr, daß zwischen beiden in der Mitte eine enge Schlucht sei, durch welche der Peneus fließe[†] ), auch weiter hörte, daß hier ein Weg nach Thessalien gehe, so verlangte es ihn, auf der See dahin zu fahren und den Ausfluss des Peneus zu betrachten, weil er den oberen Weg ziehen wollte, durch das obere Macedonien, zu den Perrhäbern bei der Stadt Gonnus: denn dieß, so hörte er, sei der sicherste Weg. Und wie ihn gelüstet hatte, also that er es auch. Er bestieg ein Sidonisches Schiff[*] ), auf welches er jedesmal sich begab, so oft er Etwas der Art thun wollte, und gab auch den Uebrigen ein Zeichen, in die hohe See zu steuern, nachdem er das Landheer dort zurückgelassen hatte. Als nun Xerxes an den Ort kam und den Ausfluß des Peneus betrachtete, ward er ganz von Bewunderung erfüllt, dann ließ er die Führer des Wegs rufen und stellte an sie die Frage, ob es möglich wäre, den Fluß abzulenken und ihn an einer andern Seite ins Meer zu leiten ?



129.

Thessalien nämlich war, wie man sagt, vor Alters ein See, eingeschlossen von allen Seiten durch himmelhohe Berge[**] ). Denn was nach Osten zu liegt, schließt der Berg Pelion[***] ) und Ossa ab, welche beide sich am Fusse einander nähern, nach Norden der Olympus, nach Abend der Pindus[†] ) nach Mittag und Süden der Berg Othrys: was zwischen den angegebenen Bergen in der Mitte liegt, ist Thessalien, welches auf diese Weise einen Kessel bildet In diesen Kessel ergießen sich nun nicht nur viele andere Flüsse, sondern insbesondere die fünf folgenden bedeutenden: der Peneus, Apidanus, Onochonus, Enipeus und Pamisus[*] ); diese Flüsse, welche diesen Namen haben, sammeln sich in diese Ebene von den Bergen herab, welche Thessalien einschließen, und haben durch eine einzige Schlucht, und zwar eine enge, ihren Ausfluß ins Meer, indem sie ihr Wasser zu Einem Strom vereinigen: so wie aber diese Vereinigung stattgefunden, tritt von da an der Name Peneus ausschließlich hervor und macht den Namen der andern verschwinden. Vor Alters aber, so wird erzählt, war diese Schlucht und dieser Ausfluß noch nicht vorhanden und diese Flüsse, und außer denselben auch noch der Böbeische See[**] ), hatten noch nicht die Namen, die sie jetzt haben, flossen aber darum nicht weniger als jetzt und machten dadurch ganz Thessalien zu einem Meer. Poseidon aber habe, so erzählen die Thessalier selbst, die Schlucht, durch welche der Peneus fließt, geschaffen, und haben sie darin Recht. Denn wer da glaubt, daß Poseidon die Erde erschüttere, und das, was durch Erdbeben von einander getrennt ist, für ein Wert dieses Gottes hält, der kann auch wohl, wenn er dieß angesehen hat, sagen, Poseidon habe es gemacht. Denn die Trennung der Gebirge ist, wie es mir zu sein scheint, ein Werk einer Erderschütterung[***] ).



130.

Die Wegweiser aber gaben auf die Frage des Xerxes, ob der Peneus keinen andern Ausgang in das Meer habe? eben weil sie es genau wußten, die Antwort; o König! dieser Fluß hat keinen anderen Ausgang ins Meer, als diesen allein: denn ganz Thessalien ist von einem Kranz von Bergen umgeben. Darauf soll Xerxes gesagt haben; die Thessalier sind kluge Männer: das haben sie wohl eingesehen und darum vor langer Zeit sich vorgesehen, nicht blos aus andern Rücksichten, sondern auch darum, weil sie ein Land besitzen, das leicht wegzunehmen und schnell zu erobern ist. Denn man hätte blos nöthig, den Fluß auf ihr Land zu leiten, indem man ihn mittelst eines Dammes aus der Schlucht heraus führte und in ein anderes Bett, als das, durch welches er jetzt fließt, brächte, so daß ganz Thessalien, die Berge ausgenommen, unter Wasser gesetzt würde. Er sagte dieß aber in Bezug auf die Söhne des Aleuas, weil diese, welche Thessalier waren, zuerst unter den Hellenen dem König sich übergeben hatten[*] ) und Xerxes der Meinung war, als hätten sie ihm von Seiten des ganzen Volkes Freundschaft angetragen. Nachdem er dieß gesagt und Alles betrachtet hatte, fuhr er nach Therma zurück.



131.

In Pierien[**] ) verweilte er nun viele Tage. Denn die eine der drei Abtheilungen des Heeres machte das Macedonische Gebirge ganz rein, damit das gesammte Heer hier durchziehen könnte zu den Perrhäbern. Auch die Herolde, welche nach Hellas geschickt worden waren, um Erde zu verlangen[***] ). kamen zurück, die einen leer, die andern mit Erde und Wasser.



132.

Zu denen, welche es gaben, gehörten folgende[†):] Thessalier, Doloper, Enienen, Perrhäber, Lokrer, Magneten, Melier, Achäer zu Phthia, Thebaner und die übrigen Böotier mit Ausnahme der Thespier und der Platäer. Wider diese schlossen die Hellenen, welche den Krieg mit den Barbaren aufgenommen hatten, einen Bund, und verhielt es sich mit diesem Bund also: Alle, welche als Hellenen, ohne dazu genöthigt zu sein, weil ihre Lage ganz gut war, dem Perser sich übergeben hätten, diese sollten dem Gotte zu Delphi den Sehnten entrichten[*][).] Also nun verhielt es sich mit diesem Bunde der Hellenen.



138.

Nach Athen und Sparta hatte der Perser keine Herolde geschickt, welche Erde verlangen sollten, um folgender Ursache willen: als Darius früher zu eben diesem Zweck Herolde schickte, so warfen die einen von ihnen die Fordernden in den Abgrund, die andern in einen Brunnen und hießen sie Erde und Wasser daraus nehmen und zum König bringen. Deßwegen hatte Xerxes keine Herolde mit dieser Forderung dahin geschickt[**] ). Was aber den Athenern für das, was sie den Heroiden angethan, Schlimmes widerfuhr, vermag ich nicht anzugeben, außer daß ihr Land wie ihre Stadt verheeret worden ist: aber ich glaube nicht, daß es um dieser Ursache willen geschah[***] ).



134.

Dagegen über die Lacedämonier schwebte noch der Zorn des Talthybius[*] ), des Heroldes des Agamemnon. In Sparta nämlich befindet sich ein Heiligthum des Talthybius; auch gibt daselbst Nachkommen des Talthybius, die sogenannten Talthybiaden, welchen der gesammte Heroldsdienst von Sparta aus als ein Ehrenamt übertragen ist[**] ). Nach diesem war es den Spartanern nicht möglich, ein günstiges Opfer zu erhalten, und es dauerte dieß bei ihnen lange Zeit. Da sie nun darüber sich betrübten und es sich zu Leid nahmen, auch mehrmals eine Volksversammlung zusammentrat und durch den Herold ein Ausruf der Art ergangen war: ob Jemand von den Lacedämoniern für Sparta sterben wolle, da nahmen es Sperthias, der Sohn des Aneristus, und Bulis, der Sohn des Nicolaus, Spartaner, die von vornehmer Geburt waren und eben so hervorragend durch ihr Vermögen[***] ), freiwillig auf sich, zu büßen dem Xerxes für die zu Sparta ermordeten Herolde des Darius. Also schickten nun die Spartaner diese zu den Medern, um dort den Tod zu erleiden.



135.

Diese Kühnheit dieser Männer ist der Bewunderung würdig, und zu dem auch folgende Worte. Auf ihrer Reise nach Susa nämlich kamen sie zu Hydarnes. Dieser Hydarnes war ein Perser von Geburt †) und Befehlshaber[††] ) aller der an der Küste Asiens befindlichen Truppen, welcher sie gastfreundlich aufnahm und bewirthete. Bei dieser Bewirthung aber richtete er an sie die folgende Frage; Ihr Lacedämonier, warum denn wollt ihr durchaus keine Freunde des Königs werden? ihr seht doch, daß der König tüchtige Männer zu ehren weiß, wenn ihr nur auf mich und meine Macht einen Blick werft. Gerade so würde es auch euch ergehen, wenn ihr euch selbst dem König übergeben wollt, denn er hat von euch die Meinung , daß ihr tüchtige Männer seid; ein Jeder von euch würde dann Gebieter sein über eine Landschaft von Hellas, die ihm der König verleihen würde. Darauf erwiderten sie folgendes: nicht gleich steht es mit dem Rath, so weit er auf uns sich bezieht; denn du gibst uns diesen Rath, indem du das eine wohl aus Erfahrung kennst, das Andere aber gar nicht. Wohl verstehst du dich nämlich auf die Knechtschaft ; aber die Freiheit hast du noch nicht gekostet, ob sie süß ist oder nicht. Denn hättest du dieselbe gekostet, so würdest du uns rathen, nicht mit Speeren um dieselbe zu kämpfen, sondern selbst mit Beilen. Diese Antwort gaben sie dem Hydarnes.



136.

Als sie nun von da hinauf nach Susa gezogen und vor das Angesicht des Königs getreten waren, geboten ihnen erstmals die Leibwächter, niederzufallen vor dem König *) und demselben ihre Ehrfurcht zu beweisen; allein obschon man sie dazu zwingen wollte, weigerten sie sich dessen und erklärten, sie würden es nimmer thun, auch wenn man sie auf die Erde mit dem Kopf stieße: denn ihre Sitte sei es nicht, vor einem Menschen niederzufallen. und deßwegen seien sie auch nicht gekommen. Nachdem sie dieß nun von sich abgewiesen, sprachen sie dann zum andernmal folgendes und blieben auch dabei: o König der Meder, die Lacedämonier haben uns geschickt, um zu büßen für die zu Sparta umgekommenen Herolde. Auf diese Worte erklärte ihnen Xerxes aus Großmuth, er wolle es nicht ebenso machen , wie die Lacedämonier; denn diese hätten das, was unter allen Menschen Recht sei, durch den Mord der Herolde umgestoßen; er werde aber das nicht thun, was er ihnen zum Vorwurf mache, und die Lacedämonier nicht von ihrer Schuld dadurch lösen, daß er sie wieder tödte.



137.

Also hörete der Zorn des Talthybius, nachdem die Spartaner dieß gethan hatten, alsbald auf, obwohl Sperthias und Bulis nach Sparta zurückgekommen waren; erst lange Zeit nachher erwachte er wieder, wie die Lacedämonier angeben, bei dem Kriege des Peloponnesier und Athener[*] ). Dieß scheint mir nun auf einer besonderen göttlichen Fügung zu beruhen. Denn daß der Zorn des Talthybius auf die Gesandten fiel und nicht eher rastete, als bis er zu Ende gekommen war, brachte die Gerechtigkeit also mit sich: daß er aber auf die Söhne der Männer fiel, welche um des Zornes willen zu dem Könige hinauf gezogen waren, auf Nikolaus, den Sohn des Bulis, und auf Aneristus, den Sohn des Sperthias, welcher auf einem mit Männern besetzten Lastschiff herangeschifft war und die Fischerstadt[**] ) von Tirynth erobert hatte, dieß macht es mir klar, daß eine göttliche Fügung war von jenem Zorne her. Denn diese, welche von den Lacedämoniern als Gesandte nach Asien geschickt worden waren, wurden in Folge des Verraths des Sitalkes, des Sohnes des Tereus, Königs der Thracier, und des Nymphodorus[***] ), des Sohnes des Pytheas, eines Abderiten, gefangen genommen bei Bisantha[†)] am Hellespont, nach Athen gebracht und von den Athenern hingerichtet, mit ihnen auch Aristeas, des Adimantus Sohn. ein Korinther[††] ). Dies geschah nun viele Jahre später[†††] ) als der Zug des Königs.



188.

Ich kehre nun zu der früheren Erzählung zurück §). Der Feldzug des Königs ging zwar dem Namen nach wider Athen, er war aber gegen ganz Hellas gerichtet. Die Hellenen, obwohl sie es lange vorher wußten, waren aber nicht alle gleich in ihren Gesinnungen: der eine Theil von ihnen nämlich, welcher dem Perser Erde und Wasser gegeben hatte[*] ), war des festen Glaubens, es würde ihnen kein Leid von den Barbaren widerfahren; die Andern welche es nicht gegeben hatten, schwebten in großer Furcht, weil in Hellas nicht Schiffe genug waren. welche, der Zahl nach, es mit dem herannahenden Feind hätten aufnehmen können, und auch die Menge am Krieg sich gar nicht betheiligen wollte, sondern eifrig medisch gesinnt war.



139.

Hier fühle ich mich gedrungen, meine Ansicht darzulegen[**] ) die zwar der Mehrzahl nicht gefallen wird, die ich aber nicht zurückhalten will, in so weit es mir wahr zu sein scheint. Wenn die Athener aus Furcht vor der herannahenden Gefahr ihr Land verlassen hatten, oder wenn sie es auch nicht verlassen, sondern geblieben wären und sich selbst dem Xerxes ergeben hätten, so würde Niemand es versucht haben, zur See dem König entgegen zu treten: wenn nun Niemand zur See dem Xerxes entgegen getreten wäre, so wäre es denn wohl zu Lande also gekommen: Wenn auch die Peloponnesier noch so viele Mauern hinter einander als Brustwehren durch den Isthmus gezogen hätten, so würden die Lacedämonier, von ihren Verbündeten verlassen, zwar nicht freiwillig, sondern gezwungen, indem eine Stadt nach der andern von der Seemacht des Königs erobert worden wäre, vereinzelt geblieben sein: so vereinzelt würden sie, wenn sie auch noch so tapfer gekämpft hätten, doch zuletzt nur einen rühmlichen Tod gefunden haben. Entweder dieß hätten sie erduldet, oder sie würden, in der Voraussicht, daß auch die übrigen Hellenen neidisch gesinnt Wären, mit dem Xerxes einen Vergleich eingegangen sein: in beiden Fällen würde auf diese Weise Hellas den Persern unterthan geworden sein. Denn was für einen Nutzen die durch den Isthmus gezogenen Mauern gehabt hätten, da der König Herr der See war, vermag ich nicht einzusehen. So aber wird man nicht in der Wahrheit irren, wenn man die Athener für die Retter von Hellas erklärt. Denn auf welche Seite sie sich wendeten, mußten sie den Ausschlag geben. Da sie aber die Erhaltung der Freiheit von Hellas vorzogen , so waren sie es eben, welche das ganze übrige Volk der Hellenen , so weit es nicht medisch gesinnt war, aufgerichtet und, nach den Göttern zunächst, den König zurückgeschlagen haben; ja nicht einmal furchtbare Orakelsprüche, die von Delphi kamen und sie in Schrecken setzten, vermochten sie zu bewegen, Hellas zu verlassen, sondern sie blieben und wagten es, den Angriff wider ihr Land aufzunehmen.



140.141

Es hatten nämlich die Athener Gesandte nach Delphi geschickt und waren bereit, das Orakel zu befragen. Nachdem sie nun im Tempel die üblichen Opfer dargebracht und dann in das Innere eintretend sich niedergesetzt hatten, gab ihnen die Pythia, deren Name Aristonike war, folgenden Spruch[*] ):

O! was sitzet ihr hier, Unglückliche! fliehet hinweg doch
Fort zu den Enden der Erd' und fort zu den Höhen der Rundstadt[**] ),
Denn es bleibt nicht stehen das Haupt, noch der übrige Körper,
Noch auch die Füsse zuletzt, noch Händ', noch was in der mitte,
Sondern dahin wird es sein; denn Feuer wird es zerstören
Und auch der grimmige Ares, führend den Syrischen[***] ) Wagen
Auch viel andere Besten vernichtet er, nicht blos die deine;
Und der Unsterblichen Tempel in Menge dem Feuer er preisgibt,
Welche jetzt triefend vom Schweiß dastehn und erbleicht sind von Sorgen[†] ),
Zitternd und bebend vor Angst: denn hoch von den Gipfeln der Tempel
Strömet ein bunkers Blut zum Zeichen des kommenden unglücks.
Darum verlaßt das Gemach und erfasset euch Muth bei dem Unheil,

***
141.

Als die Gesandten der Athener dieß gehört hatten, nahmen sie sich es sehr Leid; und da sie sich selbst aufgaben in Folge des ihnen geweissagten Unglücks, gab ihnen Timon, des Androbulus Sohn, einer von den angesehensten Männern Delphi, den Rath, sie sollten Oelzweige nehmen und dann noch einmal kommen und als Schützlinge an das Orakel sich wenden. Als die Athener dieß befolgten und sprachen: o König! gib uns einen bessern Spruch über unser Vaterland aus Achtung vor diesen Oelzweigen, mit welchen wir vor dich getreten sind, oder wir gehen nicht aus diesem Heiligthum, sondern wir bleiben hier an dieser Stelle, bis wir todt sind! so gab ihnen auf diese Worte die Pythia zum zweitenmal folgenden Spruch[*] );

Auch nicht Pallas[**] ) vermag den Olympischen Zeus zu versöhnen,
Wenn sie auch noch so sehr bittet mit Worten und kluger Berathung,
Dir aber sag' ich zum Andern das Wort, das fest ist wie Eisen:
Denn, wenn Alles erlieget dem Feind, was die Grenze des Cecrops
sich befaßt und die Schluchten des göttlichen Berges Cithäron[***] ),
Läßt doch der waltende Zeus seiner Tochter[†] ) die hötzerne Mauer[††] )
Unverheeret allein, zum Nutzen für dich wie die Kinder.
Barte du nicht auf die Schaaren der Reiter und Schaaren des Fussvolks,
Welche vom Land aus in Menge heranziehn, wende du ruhig
Ihnen den Rücken und weiche: dereinst wirst du kommen zum Streite,
O Salamis, du göttliches Land, du vertitgest die Söhne,
Wenn der Demeter Frucht[†††] ) zerstreut wird oder gesammelt.



142.

Dieses schrieben sie sich auf (denn es war wirklich milder, wie das frühere, und kam ihnen auch so vor), und dann zogen sie heim nach Athen. Als aber die Gesandten zurückgekommen waren und dem Volk berichteten, wurden viele verschiedene Meinungen über den fraglichen Sinn des Orakels laut, darunter auch besonders die folgenden, einander ganz entgegenstehenden: Einige nämlich von den Aelteren behaupteten, nach ihrer Ansicht hätte der Gott damit die Erhaltung der Burg bezeichnet; denn die Burg der Athener war vor Alters mit einem Dornzaun eingehegt; diese Umzäunung, so schlossen sie, wäre jene hölzerne Mauer. Die andern dagegen behaupteten, der Gott bezeichne damit die Schiffe, und darum sollte man diese vor Allem in Bereitschaft setzen, alles Andere aber gehen lassen. Diejenigen nun, weiche in den Schiffen die hölzerne Mauer erkannten, wurden jedoch irre an den beiden letzten Versen der Pythia;

O Salamis, du göttliches Land, du vertilgt die Söhne,
Wenn der Demeter Frucht zerstreut wird oder gesammelt,

An diesen Worten stießen sich die Ansichten Derjenigen, welche die hölzerne Mauer von den Schiffen verstanden. Denn die Orakeldeuter nahmen dieselben in dem Sinne, daß sie bei Salamis eine Niederlage erleiden müßten, wenn sie zur Seeschlacht sich rüsteten.



143.

Es befand sich aber unter den Athenern ein Mann, der erst neuerdings angekommen war, Themistokles mit Namen, und des Neokles Sohn genannt. Dieser Mann behauptete, die Zeichendeuter hätten den ganzen Spruch nicht richtig verstanden, er selbst sprach sich dahin aus: wenn das besagte Wort wirklich auf die Athener sich bezöge, so würde, nach seiner Ansicht, der Spruch nicht so milde gelautet haben, sondern folgendermaßen: "o grausames Salamis statt; "o göttliches Salamis", wenn nämlich die Bewohner bei ihm selbst den Tod hätten finden sollen. Allein wenn man es richtig auslege, so beziehe sich der Spruch des Gottes auf die Feinde, aber nicht auf die Athener; daher rieth er ihnen, sie sollten sich zu einer Seeschlacht rüsten, indem darauf die hölzerne Maner sich beziehe[*] ). Indem Themistokles auf diese Weise das Orakel erklärte, sahen die Athener ein, daß dieß doch annehmbarer für sie sei, als die Erklärung der Orakeldeuter, welche ihnen van den Zurüstungen zu einer Seeschlacht abriethen und darauf Alles setzten, daß sie keine Hand wider den Seind erheben, sondern das attische Land verlassen und irgendwo anders sich niederlassen sollten.



144.

Es war aber schon vor diesem eine andere Meinung des Themistokles zur rechten Zeit[**] ) durchgegangen, als in dem Staatsschatz der Athener große Summen von dem Ertrag der Laurischen[***] ) Bergwerke eingelaufen waren, welche nun vertheilt werden sollten, zehn Drachmen †) auf jeden Mann: da rieth Themistokles den Athenern, von dieser Vertheilung abzustehen und von diesem Gelde zweihundert Schiffe bauen zu lassen, angeblich zum Krieg wider Aegina. Denn dieser Krieg, der sich entsponnen hatte[††] ), rettete damals Hellas, weil er die Athener zwang, ein Seevolk zu werden. Nun wurden zwar die Schiffe zu dem Zweck, zu dem sie gebaut waren, nicht gebraucht, aber sie kamen um so mehr Hellas zu gut. Diese Schiffe hatten also die Athener vorher gebaut und nun sollten sie noch andere dazu bauen lassen. Auch beschlossen sie in einer nach dem Orakelspruch abgehaltenen Berathung, den Angriff des Barbaren wider Hellas mit ihrer ganzen Seemacht aufzunehmen, folgsam der Weisung des Gottes und zugleich mit den Hellenen, welche es wollten. Diese Göttersprüche also hatten die Athener erhalten.



145.

Als sich aber die Hellenen im Lande Hellas[*] ), welche gut gesinnt waren, versammelten und mit einander auf Treu und Glauben verbanden[**] ), da beschlossen sie in der Berathung, vor allen Dingen auszugleichen die Feindschaften und die Kriege, die sie unter sich hatten . Es waren nämlich Einige von ihnen in Krieg mit einander verwickelt, hauptsächlich aber die Athener und Aegineten. Hernach aber, als sie vernahmen, daß Xerxes mit seinem Heere zu Sardes verweile, beschlossen sie Kundschafter nach Asien zu schicken hinsichtlich der Macht des Königs, desgleichen Boten nach Argos, um ein Bündniß abzuschließen wider den Perser, und andere nach Sicilien zum Gela, dem Sohne des Deinomenes, und nach Korcyra, um dieselben aufzufordern Hellas beizustehen, andere auch nach Kreta, in der Absicht, ob etwa das Hellenenvolk einig werden und sie alle einträchtig und gemeinsam handeln könnten, da ja doch allen Hellenen eine gleiche Gefahr drohe. Gelo's Macht aber sollte groß sein, größer als irgend eine hellenische Macht[***] ).



146.

Nachdem sie dieß beschlossen und darauf ihre Feindschaften ausgeglichen hatten, schickten sie zuerst nach Asien drei Männer als Kundschafter. Diese aber, als sie nach Sardes gekommen und das Heer des Königs besichtigt hatten, wurden entdeckt, und nachdem sie von den Feldherren des Landheeres in Untersuchung genommen worden waren, abgeführt zur Hinrichtung. Denn es war der Tod über sie erkannt worden. Wie Xerxes dieß erfuhr, tadelte er die Entscheidung seiner Feldherren und schickte einige seiner Lanzenträger mit dem Auftrag fort, wenn sie die Kundschafter noch lebend erreichten, dieselben zu ihm zu führen. Sie trafen dieselben noch lebend und führten sie dann vor das Angesicht des Königs, welcher, nachdem er von ihnen vernommen, weßhalb sie gekommen wären, den Lanzenträgern befahl, sie herumzuführen und ihnen das ganze Heer zu Fuß wie zu Pferde zu zeigen; wenn sie dann sich satt gesehen hätten, sollten sie dieselben, ohne irgend Etwas ihnen anzuthun, gehen lassen, wohin sie wollten.



147.

Er setzte aber bei diesem Befehl folgenden Grund hinzu: wenn die Kundschafter umkämen, so würden die Hellenen von seiner Macht, die doch über alle Beschreibung gehe, Nichts vorher erfahren haben, und ebenso würden sie den Feinden keinen besonderen Schaden zugefügt haben, wenn sie drei Männer um's Leben brächten; kehreten aber diese nach Hellas zurück, so würden, meinte er, die Hellenen, wenn sie von seiner Macht gehört, noch vor dem Eintritt des Zuges ihre eigene Freiheit hingeben und auf diese Weise würde es gar nicht nöthig sein, sich Mühe zu machen mit einem Feldzug wider dieselben. Diese Ansicht des Xerxes gleicht noch einer andern desselben. Als nämlich Xerxes zu Abydus sich befand, sah er mit Frucht befrachtete Schiffe aus dem Pontus durch den Hellespont fahren, um dieselbe nach Aegina und dem Peloponnes zu bringen. Die Männer, die bei dem König saßen, waren, als sie erfuhren, es seien feindliche Schiffe, bereit dieselben wegzunehmen und blickten nur auf den König, wann er es befehle. Xerxes aber frug sie, wohin die Schiffe führen, worauf sie erwiderten: deinen Feinden, o König, führen sie Getreide zu. Er aber gab darauf sogleich die Antwort: fahren wir nicht auch dahin, wohin diese, wohl versehen mit allem Andern wie mit Frucht? Was thun diese denn Unrechtes, wenn sie uns Frucht zuführen? So kehrten nun die Kundschafter, nachdem sie Alles angesehen und entlassen worden waren, nach Europa zurück.



148.

Die Hellenen, die sich eidlich wider den Perser verbunden hatten[*] ), schickten nach der Absendung der Kundschafter zum zweitenmal Boten nach Argos. Die Argiver aber gaben an, bei ihnen sei die Sache also gestanden: sie hätten nämlich gleich von Anfang Kunde gehabt von dem Anschlag des Barbaren wider Hellas. In Folge dieser Kunde und weil sie bemerkt, daß die Hellenen versuchen würden, sie mitzunehmen wider den Perser, hätten sie Gesandte nach Delphi geschickt, um den Gott zu befragen, wie sie am besten sich verhalten sollten: denn noch neulich seien Sechstausend der Ihrigen erschlagen worden[**] ) von den Lacedämoniern und Kleomenes, dem Sohne des Anaxandridas: deßwegen eben hätten sie geschickt. Auf diese Frage soll die Pythia folgende Antwort gegeben haben:

Feind der umwohnenden, bist du ein Freund der unsterblichen Götter;
Halte noch innen den Speer und zeige dich wohl auf der Wache;
Wahre du nur das Haupt[***] ), das Haupt wird erretten den Körper.

Diesen Spruch hätte die Pythia ihnen früher schon gegeben, hernach aber, als die Boten nach Argos gekommen, wären dieselben vor die Rathsversammlung getreten und hätten ihre Aufträge angegeben Die Argiver hätten hierauf die Antwort gegeben, sie seien bereit dies zu thun, wenn sie mit den Lacedämoniern einen Frieden auf dreißig Jahre abgeschlossen und sie den halben Antheil an der Führung der gesammten Bundesgenossenschaft bekämen; obwohl ihnen nach dem Recht die ganze Führung zukomme, wollten sie sich doch mit der Hälfte begnügen.[†]



149.

Diese Antwort, behaupten sie, hätte der Rath gegeben, obwohl das Orakel ihnen untersagte, in die Bundesgenossenschaft mit den Hellenen einzutreten; es sei ihnen aber daran gelegen gewesen zu einem dreißigjährigen Vertrag zu kommen , so sehr sie auch vor dem Orakel sich fürchteten, damit ihre Kinder innerhalb dieser dreißig Jahre zu Männern herangewachsen wären; denn wenn kein Vertrag da sei, so dachten sie, sie würden, wenn zu der Noth, in die sie gekommen, , noch ein anderer Unfall durch den Perser sie treffe, dann zukünftig den Lacedämoniern unterthan sein. Auf diese Erklärung des Rathes sollen die von den Boten, welche aus Sparta waren, Folgendes geantwortet haben: Hinsichtlich des Vertrages würden sie an die Landesgemeinde[*] ) berichten, hinsichtlich der Anführung sei ihnen aber eine Antwort aufgetragen, die sie auch abgeben wollten: sie hätten zwei Könige, die Argiver aber nur Einen[**] ); nun sei es doch nicht möglich, dem Einen der Spartanischen Könige die Führung zu entziehen, dagegen stehe Nichts im Wege, daß der Argivische König mit ihren beiden Königen gleiches Stimmrecht erhalte. Nun behaupten die Argiver, sie hätten den Vorrang der Spartaner nicht ertragen, sondern lieber unter die Herrschaft der Barbaren kommen wollen, als den Lacedämoniern in Etwas nachzugeben; und sonach hätten sie den Boten befohlen, vor Sonnenuntergang sich aus dem Land der Argiver zu entfernen; wo nicht, so würden sie als Feinde behandelt werden.



150.

So viel geben darüber die Argiver selbst an. Es ist aber darüber noch eine andere Erzählung in Hellas verbreitet, wonach Xerxes einen Herold nach Argos geschickt habe, noch bevor sein Heer wider Hellas aufbrach. Dieser Herold soll nach seiner Ankunft also gesprochen haben: Ihr Männer von Argos! der König Xerxes läßt euch folgendes sagen: Wir glauben, daß Perses, von welchem wir abstammen, ein Sohn des Perseus, des Sohnes der Danae, ist, geboren von der Andromeda, der Tochter des Cepheus[***] ): auf diese Weise würden wir eure Abkömmlinge sein: nun geht es weder für uns an, wider unsere Vorfahren zu Feld zu ziehen, noch für euch, Anderen Beistand zu leisten und uns entgegenzutreten, sondern ihr sollt lieber ruhig zu Hause bleiben. Denn, wenn es mir nach Wunsch geht, so werde ich Keine höher achten, als euch. Wie dieß die Argiver vernommen, hätten sie, sagt man, es wohl aufgenommen und daher Anfangs kein Anerbieten und keine Forderung gestellt; als aber die Hellenen sie zum Anschluß veranlassen wollten, da erst hätten sie, in der Ueberzeugung, daß die Lacedämonier die Führung mit ihnen nicht theilen würden, jene Forderung gestellt, um dann unter einem guten Vorwand ruhig bleiben zu können.



151.

Damit aber, so behaupten Einige unter den Hellenen, treffe noch folgendes zusammen, was viele Jahre nachher sich zugetragen haben soll. In dem Memnonischen Susa[*] ) befanden sich gerade um eines andern Geschäftes willen[**] ) Gesandte der Athener, Kallias[***] ), des Hipponicus Sohn, und diejenigen, die mit ihm die Reise dahin gemacht hatten; eben derselben Zeit hätten aber auch die Argiver nach Susa Boten geschickt, um den Artaxerxes, den Sohn des Xerxes, zu fragen, ob die Freundschaft, die sie mit Xerxes geschlossen , noch für sie bestehe, oder ob sie für seine Feinde angesehen werden sollten, worauf der König Artaxerxes erwiderte, dieselbe bestehe noch vollkommen, und sehe er die Stadt Argos für seine beste Freundin an.



152.

Ob nun Xerxes einen Herold mit jenen Anträgen nach Argos geschickt hat, und die Boten der Argiver nach Susa hinauf reisten und an den Artaxerxes die Frage über die Freundschaft stellten, vermag ich nicht mit Bestimmtheit anzugeben: und spreche ich auch hier mich nicht anders aus, als wie die Argiver selbst angeben. Ich weiß aber so viel, daß, wenn alle Menschen ihre eigenen Leiden auf einen Haufen zusammentragen würden, um mit ihren Nachbarn zu tauschen, ein Jeder, wenn er sich die Leiden des Nachbars näher angesehen, lieber wieder das, was er mitgebracht, nach Hause mitnehmen würde. Dergestalt ist auch die Handlungsweise der Argiver keine ganz schimpfliche[*)] . Ich aber muß das, was erzählt wird, hier anführen; zu glauben freilich brauche ich es durchaus nicht[**] ). Und soll dieses Wort von der ganzen Erzählung gelten, da ja auch behauptet wird, daß die Argiver es waren, welche den Perser wider Hellas gerufen , da der Kampf mit den Lacedämoniern sich für sie übel gestaltet und sie lieber Alles ertragen wollten, als das gegenwärtige Leid. Dieß sind die Angaben über die Argiver.



153.

Nach Sicilien aber waren von den Verbündeten andere Boten gekommen, um mit Gela sich zu benehmen, darunter auch von den Lacedämoniern Syagrus. Der Ahnherr dieses Gelo, einer der Gründer von Gela, stammte aus der Insel Telus[***] ), welche bei Triopium liegt, und wurde bei der Gründung von Gela von den Lindiern aus Rhodus und von Antiphemus[†)] ), dazu genommen. Mit der Zeit aber gelangten seine Nachkommen zu dem Priesterthum der unterirdischen Götter[*] ) und blieben in dieser Würde, welche Telines, einer der Ahnen (Gelo's), auf folgende Weise erworben hatte. Nach Maktorium, einer Stadt, welche über Gela liegt[**] ), flohen Männer aus Gela, welche da in einem Aufstand unterlegen waren: diese führte nun Telines nach Gela zurück, ohne irgend welche Mannschaft, sondern blos mit den Heiligthümern[***] ) dieser Gottheiten. Woher er dieselben genommen, oder ob er sie selbst besaß, dieß kann ich nicht angeben. Im Vertrauen auf diese Heiligthümer führte er nun dieselben zurück, unter der Bedingung, daß seine Nachkommen Priester dieser Gottheiten werden sollten. Ich wundere mich nun auch darüber, daß Telines, wie ich höre, eine solche That ausgeführt hat. Denn solche Thaten sind nach meiner Ueberzeugung nicht jedweden Mannes Sache, sondern es ,gehört dazu guter Muth und männliche Kraft: er soll aber nach Versicherung der Bewohner Siciliens gerade das Gegentheil davon gewesen sein und von Natur ein weibischer und verweichlichter Mensch. Auf diese Weise nun erwarb er sich diese Würde.



154.

Als Kleander, des Pantares Sohn, welcher sieben Jahre lang[†] ) über Gela geherrscht hatte, sein Leben geendigt hatte - er ward nämlich von Sabyllus, einem Mann aus Gela, erschlagen — da übernahm Hippokrates, welcher des Kleander Bruder war, die Alleinherrschaft. Während Hipookratea die Herrschaft besaß, kam Gelo, welcher ein Nachkomme jenes Priesters Telines war, mit vielen andern, darunter auch Aenesidemus, des Pataïcus Sohn, sich befand, welcher des Hippokrates Lanzenträger[*)] war, in dessen Umgebung[**)] und ward nach nicht langer Zeit um seiner Tüchtigkeit willen zum Befehlshaber der gesammten Reiterei ernannt. Als nämlich Hippokrates die Kallipoliten[***] ), die Naxier[†)] , die Zankläer und Leontiner belagerte und außerdem die Syracusaner so wie zahlreiche Städte der Barbaren, zeichnete sich Gelo in diesen Kämpfen auf das glänzendste aus. Denn von den Städten, welche ich genannt habe, entging keine der Knechtschaft des Hippokrates, außer Syracus. Syracus aber, nachdem es an dem Fluß Helorus[††] ) eine Niederlage erlitten hatte, retteten die Korinther und Korcyräer[†††] ): diese retteten Syracus, nachdem sie unter der Bedingung eine Aussöhnung zu Stande gebracht hatten, daß die Syracusaner Kamarina, das ihnen von Alters her gehörte, dem Hippokrates übergäben[§] ).



155.

Als aber auch Hippokrates, welcher eben so viele Jahre, wie sein Bruder Kleander, die Herrschaft geführt hatte, seinen Tod fand bei der Stadt Hybla, auf einem Feldzug wider die Sikeler[§§] ), da stellte sich Gela, als wenn er beistehen wolle den Söhnen des Hippokrates, Eukleides und Kleander, welchen die Bürger (von Gela) nicht mehr unterthan sein wollten, in der That aber ergriff er, sowie er in einer Schlacht Herr der Geloer geworden war, die Herrschaft selbst, die er den Söhnen des Hippokrates entrissen hatte. Nach diesem glücklichen Erfolg führte Gela die sogenannten Gamoren[*] ) von Syracus, welche von dem Volke und von ihren Sklaven, den sogenannten Kyllyriern[**] ), vertrieben worden waren, aus der Stadt Kasmena[***] ) nach Syracus zurück und setzte sich auch in den Besitz dieser Stadt[†] ). Denn das Volk der Syracusaner übergab dem heranrückenden Gelo die Stadt und sich selber.



156.

Nachdem er Syracus in seine Gewalt bekommen hatte, machte er sich nicht mehr so viel aus Gela, das er beherrschte, sondern übergab es seinem Bruder Hiero; er suchte aber Syracus stark zu machen und war ihm Syracus Alles. Daher auch die Stadt alsbald sich empor hob und aufblühete. Denn erstlich führte er alle Kamarinäer nach Syracus und machte sie zu Bürgern, worauf er die Stadt Kamarina niederriß; sodann machte er es mit mehr als der Hälfte der Bürger von Gela eben so, wie mit den Kamarinäern. Und als die Megarer in Sicilien[††] ) sich in Folge einer Belagerung auf einen Vergleich übergeben hatten, so führte er die Reichen unter ihnen, welche den Krieg wider ihn erhoben hatten und deßhalb die Todesstrafe erwarteten, nach Syracus und machte sie zu Bürgern: dagegen das Volk der Megarer, welches gar keine Schuld an diesem Kriege trug und nicht erwartete, daß ihm irgend Etwas zu Leid geschehe, auch dieses führte er nach Syracus und verkaufte sie zur Ausfuhr als Sklaven aus Sicilien. Eben so machte er es auch mit den Euböern in Sicilien[*] ), nachdem er eine ähnliche Auswahl getroffen hatte Dieß that er aber den beiden Völkern an, weil er glaubte, das Volk, mit dem man zusammen wohnen müsse, sei etwas ganz Widerwärtiges[**] ). Auf solche Weise war Gelo ein großer Herrscher geworden .



157.

Damals aber, als die Boten der Hellenen nach Syracus gekommen waren, traten sie mit ihm in eine Unterredung und sprachen folgendermaßen: Uns haben die Lacedämonier und die Athener und die Verbündeten derselben geschickt, dich zum Anschluß an uns zu veranlassen wider den Barbaren: denn du hast wohl Kunde, daß ein Perser wider Hellas anrückt, welcher, nachdem er eine Brücke über den Hellespont geschlagen, mit der ganzen Macht des Ostens, aus Asien, wider Hellas zu Felde zu ziehen gedenkt, wobei er den Vorwand nimmt, wie wenn er gegen Athen zöge, während er im Sinne hat, ganz Hellas sich zu unterwerfen. Du aber bist zu großer Macht gelangt und nicht der geringste Theil von Hellas ist dir zugefallen, da du ja Sicilien beherrschest: darum leiste Beistand denen, welche Hellas befreien wollen und hilf es mit befreien. Denn wenn ganz Hellas zusammensteht, so kommt eine große Macht zusammen und wir werden den Gegnern im Kampfe gewachsen sein; wenn aber Einige von uns zu Verräthern werden und die Andern nicht helfen wollen, hingegen das, was von Hellas gesunden Sinnes ist, klein ist, dann steht es allerdings zu befürchten, daß ganz Hellas fällt. Glaube nur nicht, daß der Perser, wenn er uns im Kampfe besiegt und unterworfen hat, zu dir nicht komme, sondern siehe dich nur vor: denn wenn du uns beistehst , hilfst du dir selbst: und ist eine Sache wohl überlegt worden, so pflegt gewöhnlich ein gutes Ende dann zu kommen. Dieß waren ihre Worte.



158.

Gelo aber fuhr sie hart an mit folgenden Worten: Ihr Hellenen führt eine unverschämte Sprache, da ihr euch untersteht, mich aufzufordern, als Bundesgenosse wider den Barbaren zu kommen. Da ich früher mir euren Beistand erbat wider ein barbarischen Heer, als ich mit den Karthagern in einen Streit gerathen war, und in euch drang, den Tod des Dorieus, des Sohnes des Anaxandridas[*] ), an den Egestäern zu rächen, auch mich erbot mitzuwirken zur Befreiung der Handelsplätze, von welchen ihr so große Vortheile und so großen Nutzen gezogen habt, da seid ihr nicht gekommen. mir Beistand zu leisten und den Tod des Dorieus zu rächen: wenn es auf euch angekommen, so wäre dieß Alles jetzt in den Händen der Barbaren, aber so hat es sich gut für uns und zum Besseren gewendet. Jetzt aber, da der Krieg umgekehrt an euch gekommen ist, da ist euch die Erinnerung an Gela gekommen. Obwohl ich nun ungebührlich von euch behandelt worden bin, will ich doch nicht Gleiches euch anthun, sondern ich bin bereit, Beistand zu leisten, indem ich zweihundert Dreirudrer, zwanzigtausend Schwerbewaffnete, zweitausend Reiter, zweitausend Bogenschützen, zweitausend Schleuderer und zweitausend leichte Reiter stelle[**] ); auch verspreche ich, Frucht[***] ) für das gesammte hellenische Heer, so lange wir Krieg führen werden, zu liefern. Ich verspreche dieß aber unter der Bedingung, daß ich Feldherr und Führer der Hellenen gegen den Barbaren werde; unter keiner andern Bedingung kann ich selbst kommen oder Andere schicken.



159.

Als Syagrus dieß gehört hatte, hielt er sich nicht länger, sondern sprach folgendes: Fürwahr, laut würde Agamemnon, der Pelopide, jammern[*] ), wenn er erführe, daß die Führerschaft den Spartanern von Gela und den Syracusanern entrissen worden ist. Darum komme nicht mehr mit diesem Vorschlag, daß wir dir die Führerschaft übergeben, sondern, wenn du Hellas helfen willst, so wisse, daß du unter den Lacedämoniern stehen wirst: willst du aber nicht unter ihnen stehen, so hilf uns lieber gar nicht.



160.

Darauf machte (Gelo, als er bemerkte, daß des Syagrus Worte ganz entgegen waren, zuletzt noch ihnen folgenden Vorschlag; o Spartanischer Gastfreund! Schmähungen, welche einen Menschen tresen, pflegen seinen Unmuth zu steigern, Indessen hast du doch, nachdem du im uebermuth dich ausgesprochen, mich nicht bewogen, in der Erwiderung unanständig zu erscheinen. Da ihr auf der Führerschaft so sehr besteht, so muß auch ich natürlich noch mehr, wie ihr, dar ,in halten, da ich Herr eines weit zahlreicheren Heeres bin und weit mehr Schiffe habe. Da jedoch eure Rede dem durchaus entgegen steht, so wollen wir Etwas von dem früheren Vorschlag nachlassen; wenn ihr die Führung des Landheeres übernehmt, so will ich die der Seemacht nehmen: habt ihr aber Lust zur See zu befehligen, so will ich es zu Lande. Und nun müsst ihr entweder dieß annehmen, oder von dannen abziehen ohne solche Bundesgenossen.



161.

Diesen Vorschlag nun bot Gela an. Da kam aber der Athenische Gesandte dem Lacedämonischen zuvor und erwiderte ihm mit folgendem: o König der Syracusaner, nicht um einen Führer zu erbitten, hat uns Hellas zu dir gesendet, sondern um ein Heer. Du aber erklärst dich nicht dahin, ein Heer uns senden zu wollen, ohne daß du an die Spitze von Hellas kommst, sondern du trachtest nach der Führung desselben im Krieg. In so fern du nun verlangtest, das gesammte Heer der Hellenen zu befehligen, so konnten wir Athener darüber ganz ruhig sein, weil wir wohl wußten, daß der Lakauer hinreichend im Stande sein würde, auch für uns beide das Wort zu führen ; da du aber nun von dem Oberbefehl über das Ganze abstehst und nur den Befehl über die Seemacht verlangst, so steht es damit also; auch wenn der Lakoner dir den Befehl darüber überlassen würde, so würden wir es nicht zulassen; denn dieser gebührt uns, wenn die Lacedämonier selbst ihn nicht haben wollen. Wenn diese nun die Führung übernehmen wollen, so werden wir nicht entgegen sein, aber keinem Andern werden wir die Führung der Flotte überlassen: denn dann hätten wir wahrlich umsonst die größeste Seemacht unter den Hellenen erworben, wenn wir den Syracusanern den Oberbefehl überlassen wollten, wir, die wir Athener sind, als das älteste Volk auftreten , das allein unter den Hellenen seine Wohnsitze nicht verändert hat, von welchem, wie schon der Dichter Homerus gesungen hat, der trefflichste Mann nach Ilium gekommen, um aufzustellen und zu ordnen das Heer[*] ). So ist es für uns keine Schande, dieß zu behaupten.



162.

Darauf erwiderte Gelo mit folgendem; Athenischer Gastfreund, wie es mir vorkommt, habt ihr wohl solche, die befehlen, aber keine, welche gehorchen wollen. Da ihr nun in Nichts nachgeben, sondern Alles behalten wollt, so macht euch so schnell wie möglich auf den Weg nach Hause und meldet nach Hellas, daß der Frühling ihm aus dem Jahre genommen ist. Es will aber dem Sinne nach dieser Ausdruck offenbar besagen, daß, wie im Jahre der Frühling das Herrlichste ist, so auch sein Heer in dem Heere der Hellenen es sei; wenn nun Hellas seines Beistandes im Kriege verlustig sei, so sei es gerade so, wie wenn der Frühling aus dem Jahre genommen sei[**] ).Dem kam nimmer auf Erden ein Sterblicher gleich in der Kunde, Rosse zu lenken im Kampf und beschildete Männer zu ordnen. Nestor maß sich allein, der bejahrtere Mann, mit Menestheus.



163.

Nach diesen Unterhandlungen mit Gela schifften nun die Gesandten der Hellenen weg. Gelo aber, welcher in Folge dessen besorgt war um die Hellenen, sie möchten nicht im Stande sein, den Barbaren zu bewältigen, auf der andern Seite aber es doch für arg und unerträglich hielt, nach dem Peloponnes zu gehen und von den Lacedämoniern sich befehligen zu lassen, da er Herr von Sicilien sei, gab diesen Weg auf und schlug einen andern ein. So wie er nämlich erfahren hatte, daß der Perser über den Hellespont gegangen, schickte er mit drei Fünfzigruderern den Kadmus, den Sohn des Scythes[*] ), einen Koer, nach Delphi, mit vielen Schätzen, so wie mit freundlichen Worten[**] ), um den Ausgang des Kampfes abzuwarten; wenn nämlich der Barbar siege, solle er ihm nicht blos die Schätze übergeben, sondern auch Erde und Wasser[***] ) von Allem, was Gelo beherrsche; wenn aber die Hellenen Sieger blieben, so solle er Alles wieder zurückbringen .



164,

Dieser Kadmus, welcher in einer früheren Zeit von seinem Vater die Herrschaft über Kos in gutem Stande überkommen, hatte aus freien Stücken und ohne daß irgend eine Gefahr ihm drohte, sondern aus Gerechtigkeitsgefühl, seine Herrschaft zum Besten der Koer niedergelegt und war nach Sicilien gegangen, wo er in Verbindung mit den Samiern die Stadt Zankle, die ihren Namen in Messene umänderte, besetzte und sich hier niederließ. Diesen Kadmus nun, der auf solche Weise nach Sicilien gekommen war, sendete Gelo ab, wegen seiner Gerechtigkeit, die er auch bei andern Gelegenheiten erprobt hatte, und dieser fügte den andern gerechten Handlungen, die er vollbracht hatte, auch die folgende hinzu, die nicht als die geringste darunter erscheint. Denn obwohl er im Besitz großer Schätze war, welche Gelo ihm anvertraut hatte, und derselben sich bemächtigen konnte, so wollte er dieß doch nicht thun, sondern, nachdem die Hellenen zur See gesiegt hatten und Xerxes davongeeilt war, so kam auch er nach Sicilien und brachte alle die Schätze wieder mit.



165.

Von denen. die in Sicilien wohnen[*] ), wird aber auch noch folgendes erzählt: Gela würde, wenn er auch unter den Befehl der Lacedämonier hätte kommen sollen, dennoch den Hellenen Beistand geleistet haben, wenn nicht der von Theron, dem Sohn des Aenesidemus, dem Alleinherrscher von Agrigent[**] ), aus Himera vertriebene Terillus, des Crinippus Sohn, welcher Herr von Himera war, um eben diese Zeit wider ihn herangeführt hätte[***] ) ein Heer von dreimalhundert tausend Phönikern, Libyern, Iberern, Ligyern, Helisyken, Sardoniern und Kyrniern[*] ), unter der Führung des Amilkas, des Sohnes des Annon, welcher dazumal König[**] ) der Karthager war: diesen hatte Terillus dazu bewogen, in Folge der Gastfreundschaft mit ihm, so wie besonders in Folge der eifrigen Bemühung des Anaxilas[***] ), des Sohnes des Kretines, welcher Herr von Rhegium war und nachdem er seine Kinder als Geiseln dem Amilkas übergeben hatte, diesen nach Sicilien führte, um seinem Schwiegervater beizustehen. Denn Anaxilas hatte eine Tochter des Terillus, welche den Namen Cydippa trug. Auf diese Weise sei es allerdings dem Gela nicht möglich gewesen , den Hellenen Beistand zu leisten, und darum habe er die Schätze nach Delphi geschickt.



166.

Außerdem erzählen sie auch noch, wie es sich getroffen, daß an demselben Tage in Sicilien Gelo und Thero[†] ) den Sieg über Amilkas und die Karthager errangen, an welchem die Hellenen zu Salamis den Perser besiegten[††] ). Dieser Amilkas, welcher väterlicher Seits ein Karthager, mütterlicher Seits aber ein Syracusaner war, und wegen seiner Tapferkeit zum König der Karthager erhoben worden war, soll, wie ich höre, als es zur Schlacht kam, in der er eine Niederlage erlitt, verschwunden sein: denn nirgendswo sei er zum Vorschein gekommen, weder lebend noch todt, obwohl Gelo Alles habe durchsuchen lassen.



167.

Die Karthager selbst geben darüber Folgendes an, was auch wahrscheinlich ist: die Barbaren hätten mit den Hellenen in Sicilien gekämpft von früh Morgens an bis spät Abends: so lange hätte sich der Kampf hingezogen; Amilkas blieb während dieser Zeit im Lager und brachte ein Opfer zu einem glücklichen Erfolg, indem er auf einem großen Scheiterhaufen ganze Leiber[*] ) verbrennen ließ: wie er nun die Flucht der Seinigen wahrnahm, als er gerade bei dem Opfer die Spende darbrachte, so stürzte er sich in das Feuer: also wäre er in den Flammen verschwunden. Mag nun Amiltas auf solche Weise verschwunden sein, wie die Phöniker angeben, oder auf eine andere, wie die Syracusaner behaupten, die Karthager bringen ihm nicht blos Opfer dar, sondern errichteten ihm auch Denkmäler in allen Städten ihrer Kolonien, das größeste aber zu Karthago selbst. So viel nun von Sicilien.



168.

Die Kercyräer[**] ) aber gaben den Gesandten die folgende Antwort und thaten dann also: denn dieselben Gesandten, die nach Sicilien gekommen waren, suchten auch sie zu gewinnen, indem sie dieselbe Sprache führten, die sie auch bei Gelo geführt hatten. Sie versprachen nämlich sogleich, sie wollten Hülfe schicken zu ihrem Beistand , und bemerkten dabei, sie dürften dem Untergang von Hellas nicht ruhig zusehen: denn wenn dieses fiele, so würden auch sie am ersten Tage sicher nur Knechtschaft zu erwarten haben; darum müßten sie nach besten Kräften Beistand leisten. Diese Antwort lautete ganz schön; aber als sie nun Hülfe leisten sollten, hatten sie ganz andere Gedanken; sie bemannten nämlich sechzig Schiffe; kaum aber waren sie in die See gegangen und hatten sich dem Peloponnes genähert, so legten sie bei Pylus[*] ) und Tänarum im Lande der Lacedämonier vor Anker, um ebenfalls den Ausgang des Krieges abzuwarten, weil sie keine Hoffnung auf einen Sieg der Hellenen hatten, sondern glaubten, der Perser würde einen vollständigen Sieg erringen und dann Herr von ganz Hellas werden. Sie thaten es also mit Fleiß, damit sie zu dem Perser so etwa sprechen könnten: o König! als uns die Hellenen zu diesem Krieg aufforderten, haben wir, die wir nicht die geringste Macht besitzen, und auch nicht die wenigsten, sondern nach den Athenern wohl die meisten Schiffe gestellt haben würden, doch nicht dir entgegen ziehen, noch etwas dir Mißfälliges thun wollen. Durch solche Worte hofften sie besser als die Andern sich zu stellen: und es wäre dieß auch, nach meinem Ermessen, so gekommen. Gegen die Hellenen aber hatten sie einen Vorwand ersonnen, von welchem sie auch wirklich Gebrauch gemacht haben. Als nämlich die Hellenen sich über den unterlassenen Beistand beschwerten, versicherten sie sechzig Dreirudrer bemannt zu haben, aber vor den Nord Winden hätten sie nicht über Malea[**] ) hinaus kommen können; so wären sie nicht nach Salamis gekommen, und es sei nicht ihre Schuld, daß sie an der Seeschlacht keinen Antheil genommen. Auf diese Weise wiesen sie die Vorwürfe der Hellenen von sich ab.



169.

Die Kreter aber thaten, als die damit beauftragten Hellenen sie aufforderten, Folgendes. Sie schickten gemeinsam Boten nach Delphi, den Gott zu befragen, ob es für sie gut sei, den Hellenen bei zustehen. Die Pythia gab ihnen darauf folgende Antwort: o ihr Thoren, beschwert euch vielmehr über all den Jammer, welchen in Folge des dem Menelaus geleisteten Beistandes Minos in seinem Groll über euch geschickt hat, weil die Einen nicht halfen, seinen Tod bei Kamikus zu rächen, ihr aber Jenen halft, wegen eines Weibes, das aus Sparta durch einen Barbaren geraubt worden war. Als die Kreter diese Antwort des Orakels vernahmen, standen sie von aller Hülfe ab.



170.

Minos nämlich soll, als er den Dädalus aufsuchte[*] ), nach Sikanien[**] ), welches jetzt Sicilien heißt, gekommen und hier eines gewaltsamen Todes gestorben sein. Nach einiger Zeit aber wären, auf Antrieb des Gottes, die Kreter alle, mit Ausnahme der Polichniten und Präsier[***] ), mit einer großen Flotte[†] ) nach Sikanien gekommen und hätten fünf Jahre lang die Stadt Kamikus[††] ) belagert, welche bis zu meiner Zeit Akragantiner bewohnten; endlich aber, als sie weder die Stadt zu erobern, noch länger auszuhalten vermochten, weil sie von Hunger gedrängt waren, wären sie davon gezogen. Als sie aber auf der Fahrt bei Japygia[*)] sich befanden, hätte ein gewaltiger Sturm sie gefaßt und ans Land geworfen; da ihre Schiffe zertrümmert waren, hätten sie, weil ihnen die Rückkehr nach Kreta nicht mehr möglich erschienen, dort die Stadt Hyria gegründet, und wären auch daselbst geblieben unter verändertem Namen, so daß sie statt Kreter Japygische Messapier wurden und statt Inselbewohner Bewohner des Festlandes. Bon der Stadt Hyria aus hätten sie dann die übrigen Städte gegründet, welche die Tarantiner in einer viel späteren Zeit hätten wegnehmen wollen, wobei sie aber eine schwere Niederlage[**] ) erlitten, und war dieß in der That das größeste Blutvergießen der Hellenen, unter allen, die wir kennen, der Tarantiner selbst wie der Rheginer, welche aus der Zahl der Bürger durch Micythus, den Sohn des Chörus, gezwungen zum Beistande der Tarantiner gekommen waren und so ihren Tod fanden, dreitausend an der Zahl: die Zahl der Tarantiner selbst war nicht geringer. Dieser Micythus[***] ), welcher ein Sklave des Anaxilas war und als Statt halter zu Rhegium zurückgelassen worden, ist eben derjenige, welcher, aus Rhegium vertrieben, zu Tegea in Arkadien sich niederließ und zu Olympia die vielen Bildsäulen stiftete.



171.

Diese Angabe in Betreff der Rheginer und Tarantiner ist jedoch von mir nur nebenbei in die Erzählung aufgenommen. In das verlassene Kreta aber zogen, wie die Präsier angeben, nicht nur Andere ein, sondern auch insbesondere Hellenen: im dritten Geschlecht[*] ) nach dem Tode des Minos erfolgte dann der Zug gegen Troja, an welchem die Kreter offenbar thätigen Antheil nahmen und dem Menelaus recht tapfer beistanden[**)] ; dafür wäre nach ihrer Rückkehr von Troja Hungersnoth und Pest über sie selbst wie über ihr Vieh gekommen, und Kreta zum zweitenmal verödet worden, das jetzt Kreter mit den Uebriggebliebenen zum drittenmal bewohnen. Daran nun erinnerte sie die Pythia und hielt sie ab, den Hellenen, wie sie wollten, Beistand zu leisten.



172.

Die Thessalier hatten zuerst nur gezwungen die Partei der Meder genommen, wie sie denn auch zeigten, daß ihnen die Ränke der Aleuaden[***] ) nicht gefielen. So wie sie nämlich Kunde erhalten hatten, daß der Perser im Begriff stehe, nach Europa überzusetzen, schickten sie nach dem Isthmus Gesandte; auf dem Isthmus nämlich waren versammelt Berather von Hellas[†] ), ausgewählt von denjenigen Städten in Hellas, welche gut gesinnt waren. Als nun die Gesandten der Thessalier zu diesen gekommen waren, sprachen sie also: Ihr Männer von Hellas ihr müßt den Eingang bei dem Olympus bewachen, damit Thessalien und das gesammte Hellas vor dem Kriege geschützt ist. Wir sind nun bereit, an der Bewachung Theil zu nehmen, aber auch ihr müßt ein zahlreiches Heer schicken; wenn ihr es nicht schickt, so wisset, daß wir mit dem Perser einen Vertrag abschließen werden; denn wir, die wir so weit von dem übrigen Hellas liegen, werden doch nicht allein für euch umkommen sollen. Wenn ihr aber keinen Beistand leisten wollt, so werdet ihr auf keine Weise im Stande sein, uns dazu zu zwingen; denn es gibt keinen Zwang, der stärker ist, als die Unmöglichkeit[*)] ; wir aber werden dann versuchen, selbst auf unser Heil bedacht zu sein. Dieses sprachen die Thessalier.



173.

Daraufhin beschlossen die Hellenen, ein Landheer zur See nach Thessalien zu schicken, und den Eingang zu bewachen. Und wie das Heer versammelt war, fuhr es durch den Euripus[**)] , und als es nach Alus in Achäa[***] ) gelangt war, stieg es ans Land und nahm den Weg nach Thessalien, während die Schiffe daselbst zurückblieben. So kam es nach Tempe in den Engpaß[†)] welcher von dem unteren Macedonien nach Thessalien führt längs dem Flusse Peneius, der zwischen dem Berg Olympus und dem Ossa fließt. Hier fanden sich im Lager etwa zehntausend schwer bewaffnete Hellenen zusammen, und es kam noch dazu die Reiterei der Thessalier. Feldherr der Lacedämonier war Euänetus, der Sohn des Karanus, welcher von den Polemarchen[††] ) gewählt, von königlicher Abkunft jedoch nicht war[†††] ) Feldherr der Athener war Themistokles, des Neokles Sohn. Sie blieben indeß hier nur wenige Tage. Denn es waren Boten eingetroffen von Alexander[*] ), dem Sohne des Amyntas, einem Macedonier, welche ihnen den Rath gaben, sich zurückzuziehen, und nicht in dem Enpaß zu bleiben, um sich zertreten zu lassen von dem anrückenden Heere, dessen Menge so wie die Zahl der Schiffe sie angaben. Als diese ihnen nun diesen Rath gaben, so folgten sie, denn der Rath schien ganz gut zu sein, und der Macedonier war ihnen wohl freundlich gesinnt. Nach meiner Ansicht aber war es die Furcht, welche sie dazu bewog, da sie erfuhren, daß es auch noch einen andern Engpaß gäbe, welcher nach Thessalien führe, bei dem oberen Macedonien durch das Land der Perrhäber in der Nähe der Stadt Gonnus[**] ), auf welchem auch wirklich das Heer des Xerxes eingefallen ist. So zogen die Hellenen wieder herab zu ihren Schiffen und kehrten nach dem Isthmus zurück.



174.

Dieser Feldzug nach Thessalien fand statt, als der König im Begriff war, nach Europa aus Asien überzusetzen, und bereits Abydus sich befand. Die Thessalier aber, von Bundesgenossen verlassen, wurden nun erst recht eifrig in einer nicht mehr zweifelhaften Weise medisch gesinnt, so daß sie bei dieser Unternehmung sich als Männer von dem größesten Nutzen für den König erwiesen.



175.

Als aber die Hellenen nach dem Isthmus gekommen waren , berathschlagten sie in Folge der Mittheilung des Alexander, wie sie den Krieg führen sollten und an welchen Orten. Die Ansicht nun, welche durchdrang, ging dahin, den Eingang bei den Thermopylen[***] ) zu bewachen. Denn offenbar war er enger als der andere Paß, der nach Thessalien führt, und zugleich näher bei ihrem eignen Land. Den Fußpfad aber, welcher die Ursache der Gefangennehmung der Hellenen bei den Thermopylen geworden ist[*)] , kannten sie gar nicht früher, bevor sie zu den Thermopylen kamen, wo sie durch die Trachinier[**] ) davon hörten. Diesen Eingang nun beschlossen sie zu bewachen, und den Barbaren nicht nach Hellas einzulassen; die Flotte aber sollte nach Artemisium fahren im Lande Histiäotis[***] ); denn dieß ist nahe bei einander, so daß jeder Theil von dem andern Nachricht erhalten konnte; und verhält es sich mit diesen Orten folgendermaßen.



176.

Erstlich was Artemisium betrifft, so zieht von dem Thracischen Meere[†)] her aus der Weite es sich zusammen in eine enge Furth, welche zwischen der Insel Sciathus[††)] und dem Festland Magnes ist; auf diese Enge folgt ein Küstenstrich Euböa's der Artemisium heißt, worauf ein Tempel der Artemis steht. Dann aber ist der Eingang (zu Lande) nach Hellas durch Trachis, da, wo er am engsten ist, von der Breite eines halben Plethrum's[*] ). Jedoch ist hier nicht die allerengste Stelle dieses ganzen Striches, sondern vor den Thermopylen und hinter denselben, bei Alpenö[**] ), welches hinter den Thermopylen liegt, nur in der Breite eines Wagens zum Fahren, und vornen bei dem Fluß Phönix nahe bei der Stadt Anthele[***] ), ebenfalls nur in der Breite eines Wagens zum Fahren; das Gebirge, das westwärts von den Thermopylen sich erhebt, ist unzugänglich und abschüssig, hoch und zieht sich hinauf nach dem Oeta; ostwärts stößt das Meer an den Weg und Sümpfe. An diesem Eingang befinden sich warme Bäder[†] ), welche die Einheimischen Chytren (Kessel) nennen , und bei denselben ist ein Altar des Herkules errichtet[††] ). Bei diesen Eingängen war eine Mauer erbaut worden, und befanden sich vor Alters Thore daran; die Phoker hatten diese Mauer gebaut aus Furcht, nachdem die Thessalier aus dem Land der Thesproter[†††] ) gekommen waren, um sich in dem Aeolischen Lande[§] ) niederzulassen, das sie jetzt besitzen. Da nämlich die Thessalier sie zu unterwerfen versuchten, so hatten die Phoker diese Mauer zu ihrem Schutze errichtet; auch ließen sie das warme Wasser damals nach dem Eingang laufen, damit der Boden zerrissen und unwegsam würde, weil sie auf jedes Mittel sannen, damit die Thessalier nicht in ihr Land einfallen könnten . Die alte Mauer nun, die seit langer Zeit erbaut worden war, lag großentheils schon in Folge der Zeit eingefallen da; sie beschlossen daher sie wieder aufzurichten und hier den Barbaren von Hellas abzuhalten . Ganz nahe am Wege liegt ein Dorf, Alpenö mit Namen: aus diesem gedachten die Hellenen sich mit Lebensmitteln zu versorgen.



177.

Diese Orte schienen nun den Hellenen gelegen zu sein. Denn nachdem sie alles vorher überlegt, und in Erwägung gezogen hatten, daß die Barbaren weder von ihrer Menge, noch von der Reiterei Gebrauch machen könnten, beschlossen sie hier den wider Hellas ziehenden Feind zu empfangen. Als sie nun erfuhren, daß der Perser in Pierien wäre, so lösten sie ihre Versammlung auf dem Ihstmus[**] ) auf und zogen von da, der eine Theil nach den Thermopylen zu Fuß, der andere zur See nach Artemisium.



178.

Schnell rückten nun die Hellenen, so wie sie angewiesen waren[***] ), zur Hülfe heran. Die Delpher aber befragten in dieser Zeit den Gott, besorgt um sich wie um Hellas. Darauf ward ihnen der Spruch, sie sollten zu den Winden flehen, denn an diesen würde Hellas mächtigen Beistand finden. Die Delpher, nachdem sie das Orakel angenommen hatten, verkündigten zuerst denjenigen Hellenen, welche frei sein wollten, das, was ihnen geweissagt worden war, und erwarben sich durch diese Mittheilung an jene, die in arger Furcht vor dem Barbaren waren, unsterblichen Dank. Hernach errichteten die Delpher den Winden einen Altar zu Thyia, da, wo das Heiligthum der Thyia, der Tochter des Kephisus, ist, nach welcher auch dieser Ort seinen Namen erhalten hat, und brachten ihnen Opfer dar[†] ). In Folge dieses Orakels verehren nun die Delpher noch bis jetzt die Winde.



179.

Die Seemacht des Xerxes schickte bei dem Aufbruch von der Stadt Therme[*)] zehn Schiffe, die am schnellsten segelten, in gerader Richtung voraus nach Sciathus, wo eine Vorhut von drei Hellenischen Schiffen sich befand, eines von Trözen, eines von Aegina und eines von Athen. Wie diese die Schiffe der Barbaren von ferne erblickten, ergriffen sie die Flucht,



180.

Das Trözenische Schiff nun, welches Prexinus befehligte, nahmen die Barbaren, welche nachfolgten, sogleich weg; und hernach führten sie von der Bemannung desselben den schönsten Mann auf das Vordertheil des Schiffes und schlachteten ihn hier[**)] , indem sie es als ein günstiges Vorzeichen nahmen, daß der erste der Hellenen, den sie gefangen, auch der schönste gewesen. Dieser Abgeschlachtete hatte den Namen Leon (Löwe), und mag er vielleicht dieses Ende auch durch seinen Namen sich zugezogen haben.



181.

Der Aeginetische Dreirudrer, welchen Asonides befehligte, machte ihnen aber einigermaßen zu schaffen, indem Pythes[***)] , des Ischenous Sohn, auf diesem Schiff dient, der an diesem Tage als der tapferste Mann sich bewies, da er, als das Schiff schon genommen war, so lange Widerstand leistete, bis er ganz in Stücke zerhauen war. Und als er gefallen, aber noch nicht todt, sondern noch lebend war, boten die Persischen Soldaten, die auf den Schiken waren, wegen seiner Tapferkeit alles Mögliche auf, ihn am Leben zu erhalten, indem sie seine Wunden mit Myrrhen heilten und mit Riemen von Leinwand umwickelten. Als sie darauf zu ihrem Heer zurückgekommen waren, zeigten sie ihn sogar, voll von Bewunderung, dem gesammten Heere und behandelten ihn gut, während sie die Uebrigen, die sie auf dem Schiffe gefangen hatten, wie Sklaven behandelten.



182.

Die beiden Schiffe nun wurden auf solche Weise genommen . Das dritte Schiff, ein Dreirudrer, welchen Phorus, ein Athener, befehligte, gerieth bei der Flucht auf den Strand bei der Mündung des Peneus[*] ) und es bemächtigten sich die Barbaren des Fahrzeuges, aber nicht der Mannschaft. Denn so wie das Schiff auf den Strand gelaufen war, sprangen die Athener heraus, nahmen dann ihren Weg nach Thessalien und begaben sich nach Athen. Dieß erfuhren die Hellenen, die bei Artemisium mit ihren Schiffen lagen, mittelst Feuerzeichen aus Sciathus[**] ); wie sie dieß aber erfahren hatten, geriethen sie in Furcht und steuerten von Artemisium nach Chalcis, um den Euripus[***] ) zu bewachen, mit Zurücklassung von Tageswächtern auf den Höhen von Euböa,



183.

Von den zehn Schiffen der Barbaren fuhren drei zu der Klippe, welche zwischen Sciathus und Magnesia liegt und Myrmex (Ameise) genannt wird. Auf diese Klippe brachten sie dann eine steinerne Säule, welche sie ausstellten, und darauf fuhren sie, als sie von Therme abgesegelt waren, weil ihnen das Hinderniß beseitigt war, mit allen Schiffen heran, nach Verlauf von eilf Tagen nach dem Abzug des Königs aus Therme. Diese Klippe aber, welche mitten in dem Fahrwasser liegt, hatte Pammon aus Scyrus[†] ) ihnen gezeigt. Nach der Fahrt eines ganzen Tages erreichten die Barbaren Sepias[††] ) in dem Lande Magnesia, so wie die Küste, welche zwischen der Stadt Kastanäa und dem Vorgebirge Sepias liegt.



184.-185

Bis zu diesem Punkte und bis zu den Thermopylen hatte das Heer Nichts zu leiden gehabt und doch war seine Menge, wie ich bei meiner Berechnung finde, damals so groß: auf den Schiffen aus Asien, deren Zahl sich auf zwölfhundert sieben[*)] belief, befand sich, was anfänglich von einem jeden der Völker[**] ) gestellt worden war, in der Gesammtzahl von zweimalhundert vierundvierzig tausend vierhundert Mann, wenn man nämlich zweihundert Mann[***] ) auf jedes Schiff rechnet: es befanden sich aber auf diesen Schiffen außer der inländischen Mannschaft auf jedem noch dreißig Mann, Perser, Meder und Saken[†] ): dieß macht weiter eine Schaar von sechsunddreißigtausend zweihundert zehn Mann. Zu dieser und der früheren Zahl will ich noch hinzufügen die Bemannung der Fünfzigrudrer, indem ich, es mag nun etwas mehr aber weniger gewesen sein, achtzig Mann für jedes Schiff annehme. Es belief sich aber die Zahl dieser Fahrzeuge wie dieß auch früher von mir angegeben worden[††] ), auf dreitausend ; sonach würden auf denselben zweimalhundert vierzigtausend Mann sich befunden haben. Dieß war nun die gesammte Seemacht aus Asien, Alles zusammen, fünfmalhundert und zehntausend Mann und dazu noch siebentausend sechshundert zehn. Die Zahl des Fußvolks betrug siebenzehnmal hunderttausend Mann[†††] ), der Reiterei achtzigtausend[§] ): dazu rechne ich noch die Araber, welche Kameele ritten und die Libyer zu Wagen[§§] ), indem ich die Masse zu zwanzigtausend Mann anschlage. Rechnet man nun die gesammte See, und Landmacht zusammen, so ergibt sich ein Heer von zwei Millionen dreimalhundert und zehntausend Mann und dazu siebentausend sechshundert zehn. Damit ist angegeben das Heer, das aus Asien selbst ausgezogen war, ohne die Dienerschaft, welche folgte, und ohne die Schiffe mit den Lebensmitteln und was darauf sich befand.


***
185.

Nun muß aber auch zu dieser ganzen Zahl noch das aus Europa mitgenommene Heer hinzugerechnet werden, was ich indessen nur so, wie ich es mir denke, angeben kann. Die Griechen in Thracien und auf den Thracien nahe liegenden Inseln stellten hundert zwanzig Schiffe: von diesen Schiffen nun kommt eine Zahl von vierundzwanzig tausend Mann heraus. An Fußvolk, welches die Thracier[*] ) stellten, die Päonen[**] ) Eordäer, Bottiäer, der Chaldäische Stamm, die Bryger, Pierer, Macedonier, Perrhäber, Enienen, Doloper , Magneten und Achäer, so wie alle diejenigen, welche die Seeküste Thraciens bewohnen, belief sich nach meiner Schätzung das, was von diesen Völkern kam, auf dreimalhundert tausend Mann. Diese Zahl, hinzugefügt der Zahl des aus Asien kommenden Heeres, ergibt eine Gesammtzahl von zwei Millionen sechsmalhundert und vierzigtausend streitbaren Männern, und dazu kommen noch sechzehnhundert und zehn.




186.

Wenn also die streitbare Mannschaft so hoch sich stellte, so war die Dienerschaft, welche derselben folgte, dann die auf den Kähnen , welche die Lebensmittel führten, Befindlichen so wie die auf den übrigen Schiffen, welche zugleich mit dem Heere fuhren, nach meinem Ermessen, nicht geringer an Zahl, als die streitbare Mannschaft, sondern eher noch mehr. Und nehme ich auch an, daß sie jener an Zahl gleich waren, weder mehr noch weniger, so machen sie, wenn sie dem streitbaren Heere gleich angenommen werden, die gleiche Zahl von Tausenden voll. Auf diese Weise hat Xerxes, des Darius Sohn, bis Sepias und bis zu den Thermopylen ein Heer von fünf Millionen zweimalhundert dreiundachtzig tausend zweihundert zwanzig Mann geführt[*] ).



187.

Dieß ist also die Gesammtzahl der ganzen Macht des Xerxes. Die Zahl der Köchinnen[**] ), der Kebsweiber und der Eunuchen könnte wohl Niemand genau angeben, eben so wenig die des Zugviehes und der übrigen Lastthiere, so wie der Indischen Hunde[***)] ***),I Seemacht: 1, Bemannung von 1207 Schiffen a 200 Mann . . . . 241,100 2. Besatzung derselben an Persern u. s. w a Mann . 36,210 8, Bemannung für 3000 Schiffe a 80 Manu . . , . 240,000 517,610 II. Landmacht: 1. Fußvolk , . . . . , . . . . . . . . . 1,700,000 2. Reiterei . . . .. , , , , , . . 80,000 8. Araber und Libyer . . . , , , . , , 20,060 2'317'610 III. Bemannung von 120 Schiffen aus Thracien u. s. w. a 200 24,000 Landtruppen eben daher . . . . . . , , . . . 300,000 Summa: 2,641,610 IV, Verdoppelung dieser Zahl durch die Dienerschaft u, s w. . 5,283,220 welche folgten: und könnte wohl Niemand vor der Menge die Zahl angeben. Daher nimmt es mich gar nicht Wunder, daß das Wasser einiger Flüsse ausging, sondern wundere ich mich vielmehr, wie die Lebensmittel für so viele Tausende ausreichten. Denn bei einer Berechnung finde ich, daß, wenn ein Jeder des Tages nur einen Chönix Weizen empfing und nicht mehr, einmalhundert und zehntausend Medimnen auf jeden Tag verwendet wurden und dazu noch weiter dreihundert vierzig Medimnen[*)] ; dabei rechne ich gar nicht den Bedarf für die Weiber, die Eunuchen, das Zugvieh und die Hunde. Unter so vielen Tausenden von Männern war aber Keiner, der an Schönheit und Größe mit Xerxes selbst um den Besitz dieser Macht sich hätte messen können.



188.

Als die Flotte aufgebrochen war und auf ihrer Fahrt die Küste, die zwischen der Stadt Kasthanäa und dem Vorgebirge Sepias liegt, im Magnesischen Gebiet erreichte, so blieben die ersten Schiffe am Land liegen, die andern aber hinter ihnen vor Anker; denn da die Küste nicht groß ist, so lagen sie mit dem Vordertheil ins Meer hinein in Reihen von je acht Schiffen. Diese Nacht nun brachten sie auf diese Weise zu, mit dem frühen Morgen aber, als nach heiterem Himmel und völliger Windstille das Meer unruhig ward, überfiel sie ein gewaltiger Sturm und ein heftiger Nordostwind, welchen die Bewohner dieser Gegenden den Hellespontischen[**] ) nennen; so viele nun von ihnen merkten, wie der Wind zunahm, und nach Verhältniß des Ankerplatzes es thun konnten, diese zogen noch vor dem Sturme die Schiffe ans Land und retteten sich selbst, wie ihre Schiffe; alle Schiffe aber, welche der Wind auf der See erfaßte, warf er zum Theil an die sogenannten Ipnoi (Oefen) am Pelion[***] ), zum andern Theil an die Küste; andere scheiterten bei Sepias selbst, einige wurden bei der Stadt Meliböa[*] ), einige bei Kasthanäa ans Land geworfen; und war der Sturm nicht zum Aushalten.



189.

Es geht aber die Sage, daß die Athener in Folge eines Götterspruches den Boreas angerufen, nachdem ihnen ein anderes Orakel zugekommen war, daß sie ihren Schwager zu Hülfe rufen sollten. Boreas nämlich hat nach der Sage der Hellenen ein Attisches Weib, die Orithyia[**] ), des Erechtheus Tochter. In Bezug auf diese Verwandtschaft nun schlossen die Athener, wie die Sage lautet, Boreas sei ihr Schwager, und während sie bei Chalcis auf Euböa lagen, so opferten sie, als sie merkten, wie der Sturm zunahm, oder auch zuvor schon, und riefen den Boreas und die Orithyia an, ihnen beizustehen und die Schiffe der Barbaren zu vernichten, wie zuvor bei dem Athos[***] ). Ob nun deßwegen der Boreas über die Barbaren fiel, als sie vor Anker lagen, vermag ich nicht anzugeben; die Athener nämlich behaupten, es habe der Boreas ihnen früher schon Beistand geleistet und auch damals dieß bewirkt; daher sie, als sie heimgezogen waren, dem Boreas einen Tempel an dem Fluß Ilissus erbauten.



190.

In dieser Noth sind nach der geringsten Angabe nicht weniger als vierhundert Schiffe zu Grunde gegangen und unzählige Menschen, sowie eine unendliche Menge von andern Gegenständen, so daß Aminocles, des Kretines Sohn, ein Magneter, der bei Sepias Grundstücke besaß, großen Nutzen aus diesem Schiffbruch zog, da er viele goldene wie silberne Trinkgefäße, die in späterer Zeit ans Land geworfen wurden, aufhob und Schätze der Perser fand und in den Besitz von andern unzähligen Dingen aus Gold kam. So wurde derselbe, obwohl er sonst nicht glücklich war, ein sehr reicher Mann; denn auch auf ihm lastete kummervoll ein hartes Geschick um den Tod seiner Kinder[*)] .



191.

Es läßt sich aber die Zahl der Frucht führenden Lastschiffe und der übrigen Fahrzeuge, welche zu Grunde gingen, gar nicht angeben , so daß die Befehlshaber der Seemacht, aus Furcht, es möchten die Thessalier auf sie, während sie in einer so schlimmen Lage wären, einen Angriff machen, aus den Schiffstrümmern einen hohen Wall ringsherum aufführen ließen: denn drei Tage hindurch stürmte es; endlich gelang es durch Todtenopfer[**] ), welche die Magier schlachteten, und durch Zaubersprüche, womit sie den Wind beschworen, und außerdem noch durch Opfer, die sie der Thetis und den Nereiden brachten, am vierten Tage ein Ende herbeizuführen, oder es ruhete sonst der Wind von selbst[***] ): Der Thetis opferten sie, weil sie von den Ioniern die Sage vernommen hatten, daß dieselbe aus diesem Lande von Peleus geraubt worden, und daß die ganze Küste Sepias ihr und den übrigen Nereiden gehöre. Also legte sich der Wind am vierten Tage.



192.

Den Hellenen aber gaben die Wächter, welche von den Höhen Euböa's am andern Tage, nachdem der Sturm angefangen, herabgelaufen waren, Nachricht von allem dem, was bei dem Schiffbruch vorgefallen war; als sie dieß erfuhren, fleheten sie zu dem Retter Poseidon, brachten ihm Spenden dar und eilten dann aufs schnellste zurück nach Artemisium, in der Erwartung, daß nur wenige Schiffe ihnen entgegen kommen würden. Also kamen sie zum zweitenmal nach Artemisium und legten sich daselbst vor Anker: seit dieser Zeit und bis auf jetzt führt bei ihnen Poseidon den Beinamen des Retters.



193.

Nachdem der Wind aufgehört und die Wogen sich gelegt hatten, zogen die Barbaren ihre Schiffe ins Wasser und fuhren dann weiter am Festlande hin, bogen darauf um die Spitze von Magnesia und segelten in gerader Richtung nach dem Meerbusen, welcher sich nach Pagasä hinzieht[*)] . In dieser Bucht von Magnesia ist ein Ort, wo Herkules von Jason und seinen Gefährten zurückgelassen worden sein soll, als er aus der Argo abgeschickt war nach Wasser, damals wie sie nach dem Vließ schifften zu der Kolchischen Aea[**] ), denn sie wollten hier sich mit Wasser versehen und dann von da in die hohe See fahren. Daher hat dieser Ort den Namen Aphetä[***] ). An diesem Orte nun blieben die Leute des Xerxes liegen.



194.

Fünfzehn von diesen Schiffen, welche die letzten waren, waren weiter in die See gerathen und hatten die bei Artemisium liegenden Schiffe der Hellenen erblickt; da nun die Barbaren meinten, es seien ihre Schiffe, so schifften sie heran und geriethen so mitten in die Feinde. Es befehligte diese Schiffe Sandokes, des Thamasius Sohn, Statthalter aus dem Aeolischen Kumä, welchen vor diesen Ereignissen der König Darius, um folgender Ursache willen, ans Kreuz hatte schlagen lassen[†)] . Sandokes, welcher einer von den königlichen Richtern war[††] ), hatte um Geld ein ungerechtes Urtheil gesprochen. Wie er nun am Kreuze hing, überlegte es sich Darms und fand, daß er mehr Gutes als Schlimmes dem königlichen Hause angethan[†††)] . Als er dieß gefunden und erkannt hatte, daß er selbst schneller als weise zu Werke gegangen sei, ließ Darius darauf ihn vom Kreuze losmachen. So blieb er am Leben, nachdem er bei dem König Darius auf diese Weise durchgekommen und nicht gestorben war; damals aber, als er zu den Hellenen hinfuhr, sollte er nicht zum zweitenmale durchkommen. Denn sowie die Hellenen Jene heranschiffen sahen, und den Irrthum derselben bemerkten, fuhren sie auf dieselben zu und nahmen sie mit leichter Mühe gefangen.



195.

Auf einem dieser Schiffe befand sich Aridolis, der Herrscher von Alabanda in Karien[*)] , welcher gefangen ward, auf einem anderen der Anführer der Paphia Penthylus, des Demonous Sohn, welcher zwölf Schiffe aus Paphus führte, und nachdem er eilf von denselben in dem Sturme bei Sepias verloren hatte, mit dem einen übriggebliebenen nach Artemisium fuhr und hier gefangen ward. Die Hellenen schickten dieselben, nachdem sie sie ausgesagt über das, was sie von dem Heere des Xerxes zu erfahren wünschten, gebunden ,nach dem Korinthischen Isthmus[**)] .



196.

Die Seemacht der Barbaren war also, mit Ausnahme der fünfzehn Schiffe, welche, wie ich bemerkte, Sandokes befehligte, nach Aphetä gekommen. Xerxes dagegen mit dem Landheer zog durch Thessalien und Achäa[***)] und rückte dann am dritten Tage in das Land der Melier ein, nachdem er in Thessalien einen Wettkampf seiner eigenen Reiterei veranstaltet hatte, um auch die Thessalische Reiterei zu versuchen, weil er gehört hatte, daß sie die beste in Hellas sei[†)] ; hier blieben nun die Hellenischen Pferde weit zurück. Von den Flüssen in Thessalien reichten allein der Onochonus[††)] nicht aus zum Trinken für das Heer; von den Flüssen in Achäa genügte auch der, welcher von ihnen der größeste ist, der Epidanus[†††)] , nicht völlig, sondern nur kümmerlich.



197.

Als Xerxes nach Alus[*)] in Achäa gekommen war, erzählten ihm die Wegweiser, die ihm Alles erklären wollten, eine einheimische Sage hinsichtlich des Heiligthums des Laphystischen Zeus[**] ), wie Athamas, des Aeolus Sohn, nachdem er mit der Ino sich berathen , die Ermordung des Phrixus beabsichtigt, und wie hernach, in Folge eines Götterspruches, die Achäer seinen Nachkommen folgende Kämpfe auferlegt: Wer von diesem Geschlechte der älteste ist, dem legen sie auf, das Rathhaus nicht zu betreten, und halten selber dabei Wache; es nennen aber die Achäer das Rathhaus Leiton (d. i. Haus des Volkes). Wenn er aber demungeachtet hineingegangen ist, so ist es ihm nicht möglich, wieder herauszukommen, wenn er sich nicht will opfern lassen. Und zu dem erzählen sie noch, wie schon Manche von denen, welche geopfert werden sollten, aus Furcht in ein anderes Land entlaufen , nach einiger Zeit aber wieder zurückgekehrt, wenn sie bei dem Eintritt in das Rathhaus ergriffen wurden, geschlachtet wurden, ein Jeder mit Kränzen dicht bedeckt und wie in einem Festzuge herausgeführt. Dieses widerfährt den Nachkommen des Cytissorus, des Sohnes des Phrixus, weil damals, als die Achäer in Folge eines Götterspruches den Athamas, den Sohn des Aeolus, zu einem Sühnungsopfer für das Land nahmen und abschlachten wollten, eben dieser Cytissorus aus der Kolchischen Aea ankam und ihn errettete: durch diese That warf er aber den Zorn des Gottes auf seine eigenen Nachkommen. Als Xerxes dieß gehört hatte, so betrat er selbst, als er an den Hain gekommen war, denselben nicht und untersagte es auch seinem ganzen Heere; das Haus der Nachkommen des Athamas ehrte er aber wie das Heiligthum.



198.

Dieses fiel in Thessalien und Achäa vor. Von diesen Gegenden zog Xerxes dann in das Melische Land längs dem Busen des Meeres[*)] , in welchem Ebbe und Fluth an jedem Tage stattfindet. Um diesen Busen erstreckt sich eine ebene Gegend, auf der einen Seite breit, auf der andern aber ganz eng; um diese Gegend erheben sich hohe und unzugängliche Berge, welche das ganze Melische Land ringsherum einschließen, die sogenannten Trachinischen Felsen[**] ). Die erste Stadt an dem Meerbusen, wenn man von Achäa ***) kommt, ist Anticyra[†] ), an welcher der Fluß Spercheius vorbeifließt, der aus dem Lande der Eniener[*] ) kommt und hier ins Meer sich ergießt. Von diesem etwa zwanzig Stadien[**] ) entfernt ist ein anderer Fluß, welcher den Namen Duras hat und, wie die Sage geht, zum Vorschein kam, um dem brennenden Herkules[***] ) zu helfen. Von da in der Entfernung von zwanzig andern Stadien ist ein anderer Fluß, welcher Melas genannt wird.



199.

Von diesem Fluß Melas fünf Stadien[†] ) entfernt liegt die Stadt Trachis. Hier ist auch die breiteste Stelle des ganzen Landes von den Bergen aus am Meer hin, da wo die Stadt Trachis erbaut ist; denn die Ebene hat zwei und zwanzig tausend Plethren in die Breite[††] ). In dem Gebirge aber, welches das Trachinische Land ringsherum einschließt, befindet sich nach Mittag zu von Trachis eine Schlucht; durch diese Schlucht fließt der Asopusfluß am Fuße des Gebirges hin.



200.

Südlich von Asopus fließt noch ein anderer, nicht bedeutender Fluß, der Phönix[*] ), welcher von diesen Bergen kommt und in den Asopus sich ergießt. Bei dem Flusse Phönix aber ist die Gegend am engsten: denn der Weg, der hier angelegt ist, hat nur die Breite von einem Wagen zum Fahren[**] ): von dem Fluß Phönix aber sind es fünfzehn Stadien[***] ) nach den Thermopylen. Zwischen dem Fluß Phönix und den Thermopylen in der Mitte liegt ein Dorf, welches den Namen Anthela[†] ) hat, an welchem der Asopus vorbeifließt und dann ins Meer mündet; um dasselbe ist ein breiter Platz, auf welchem der Tempel der Amphiktyonischen Demeter erbaut ist und die Sitze der Amphiktyonen sich befinden, so wie das Heiligthum des Amphiktyon selbst[††] ).



201.

Der König Xerxes schlug nun sein Lager auf in dem Gebiete von Trachis, im Melischen Lande; die Hellenen aber lagerten in dem Paß. Dieser Ort wird von der Mehrzahl der Hellenen Thermopylen genannt, von den Einheimischen wie von den Umwohnenden Pylä (Thore)[†††] ). An diesen Orten nun lagerten beide Theile. Jener war Herr von Allem, was nach Norden zu liegt bis Trachis; diese hatten dagegen inne, was nach Süden und Mittag hin sich erstreckt auf diesem Festlande.



202.

Es waren aber folgende Hellenen, welche den Perser an dieser Stelle erwarteten: dreihundert schwerbewaffnete Spartaner[§] ), tausend Tegeaten und Mantineer[*] ), von jedem Theil die Hälfte, aus Orchomenus in Arkadien hundert und zwanzig, und tausend aus dem übrigen Arkadien; von Korinth vierhundert, von Phlius[**] ) zweihundert und von Mycenä[***] ) achtzig; diese waren aus dem Peloponnes erschienen; von den Böotern und Thespiern siebenhundert und von Theben vierhundert[†] ).



203.

Dazu kamen noch in Folge einer Aufforderung die Opuntischen Lokrer mit der ganzen streitbaren Mannschaft und tausend Phoker[††] ); denn die Hellenen selber hatten sie aufgefordert und ihnen durch Boten sagen lassen, daß sie selbst gekommen seien als Vorläufer der Andern, und daß die übrigen Verbündeten jeden Tag erwartet würden, das Meer aber ihnen Sicherheit biete, da es von den Athenern, den Aegineten und den der Seemacht Zugetheilten bewacht werde, von dieser Seite also für sie nichts zu fürchten sei; denn es sei kein Gott, der wider Hellas heranziehe, sondern ein Mensch; es gäbe aber keinen Sterblichen und würde keinen geben, dem nicht von seiner Geburt an etwas Schlimmes widerfahren, und zwar den Größesten das Größte. So müsse nun auch der, welcher heranziehe, da er ja ein Sterblicher sei, aus seiner Einbildung fallen[*] ). Wie sie dieß hörten, eilten sie zur Hülfe nach Trachis.



204.

Diese hatten nun ihre verschiedenen Führer, je nach den einzelnen Städten; der aber, welcher am meisten bewundert wurde und das gesammte Heer anführte, war der Lacedämonier Leonidas, der Sohn des Anaxandridas, des Sohnes des Leon, des Sohnes des Surykratidas, des Sohnes des Anaxander, des Sohnes des Eurykrates, des Sohnes des Polydorus, des Sohnes des Alkamenes, des Sohnes des Teleklus, des Sohnes des Archelas, des Sohnes des Hegesilas, des Sohnes des Doryssus, des Sohnes des Leobotes, des Sohnes des Echestratus, des Sohnes des Agis, des Sohnes des Eurysthenes, des Sohnes des Aristodemus, des Sohnes des Aristomachus , des Sohnes des Kleodäus, des Sohnes des Hyllus, des Sohnes des Herkules; derselbige hatte das Königthum erlangt wider alles Erwarten.



205.

Da er nämlich zwei ältere Brüder hatte, Kleomenes und Dorieus, so hatte er sich jeden Gedankens an das Königthum begeben. Als aber Kleomenes ohne männliche Nachkommenschaft gestorben war und Dorieus auch nicht mehr am Leben war, sondern gleichfalls gestorben war in Sicilien[**] ), so ging nun die königliche Würde auf Leonidas über, nicht nur weil er vor Kleombrotus, welcher der jüngste Sohn des Anaxandridas war, auf die Welt gekommen war, sondern auch weil er die Tochter des Kleomenes zur Frau hatte. Dieser zog damals nach den Thermopylen, nachdem er die dreihundert Männer gesetzten Alters, und solche, die Söhne hatten[*)] , ausgewählt hatte. Mit diesen war er gekommen, so wie mit den Thebanern, deren Zahl ich angegeben habe, über welche Leontiades, der Sohn des Eurymachus, den Befehl hatte. Leonidas hatte aber deßhalb sich eifrig bemüht, diese allein von den Hellenen mitzunehmen, weil sie sehr im Verdacht standen, medisch gesinnt zu sein. Daher forderte er sie zum Krieg auf, weil er erfahren wollte, ob sie Hülfe senden, oder auch ganz offen der hellenischen Bundesgenossenschaft entsagen würden. Aber sie schickten, obwohl sie anderer Gesinnung waren, Hülfe.



206.

Diese Schaar mit Leonidas hatten die Spartaner zuerst abgeschickt, damit die übrigen Verbündeten, wenn sie diese sähen, ebenfalls ins Feld zögen und nicht medisch gesinnt würden, wenn sie hörten, daß jene selbst noch zögerten. Hernach aber, wenn sie die Karneen[**] ), welches Fest ihnen im Wege stand, gefeiert, und eine Bewachung zu Sparta zurückgelassen, gedachten sie schnell mit aller Sacht zu Hülfe zu eilen. Eben so gedachten auch die übrigen Verbündeten es zu machen; denn es fiel zu derselben Zeit das Olympische Fest[***] ) mit diesen Ereignissen zusammen. Weil sie nun nicht glaubten, daß der Kampf bei den Thermopylen so schnell würde entschieden werden, schickten sie diese voraus. Diese nun gedachten also zu thun.



207.

Die Hellenen aber, welche bei den Thermopylen standen, geriethen, als der Perser dem Engpaß nahe gekommen war, in Furcht und berathschlagten sich über den Rückzug. Die übrigen Peloponnesier nun waren der Ansicht, nach dem Peloponnes zu gehen und den Isthmus zu bewachen[*] ); Leonidas aber, da die Phoker und Lokrer dieser Ansicht heftig entgegentraten, gab seine Stimme dahin ab, hier zu bleiben und Boten in die Städte zu schicken mit der Bitte um weitere Hülfe, weil sie allein zu schwach seien, das Heer der Meder abzuwehren.



208.

Während dieser Berathung schickte Xerxes einen Kundschafter zu Pferd ab, welcher sehen sollte, wie viel es ihrer seien und was sie machten. Er hatte nämlich, wie er noch in Thessalien war, gehört , daß hier ein kleines Heer versammelt sei, und an der Spitze desselben Lacedämonier stünden und Leonidas von des Herkules Geschlecht . Als darauf der Reiter an das Lager heranritt, betrachtete er und besah nicht zwar das ganze Lager: denn es war nicht möglich, die zu sehen, welche innerhalb der Mauer[**] ), welche sie aufgerichtet hatten und bewachten, aufgestellt waren, sondern er bemerkte nur die, welche außerhalb derselben sich befanden, deren Waffen vor der Mauer lagen: es waren nämlich gerade zu dieser Zeit die Lacedämonier außerhalb der Mauer aufgestellt. Da sah er nun, wie Etliche von den Männern turnten, Andere sich ihr Haar kämmten[***] ): wie er dieß nun sah, gerieth er in Verwunderung und merkte sich die Zahl. Nachdem er aber Alles genau bemerkt hatte, ritt er ruhig wieder zurück; denn Niemand verfolgte ihn und man bekümmerte sich gar nicht um ihn. Als er zurückgekommen war, erzählte er dem Xerxes Alles, was er gesehen hatte.



209.

Als Xerxes dieß hörte, konnte er gar nicht den wahren Grund ahnen, daß sie sich wirklich männiglich rüsteten zum Tod oder zum Sieg, sondern weil ihm ihr Thun lächerlich vorkam, so ließ er den Demaratus, des Ariston Sohn, welcher im Lager sich befand, zu sich rufen, und als dieser zu ihm gekommen, frug er ihn nach Jeglichem davon, weil er wissen wollte, was die Lacedämonier trieben. Dieser aber sprach zu ihm: Du hast wohl von mir schon früher, als wir aufbrachen wider Hellas, von diesen Männern gehört; und als du es gehört, hast du mich verlacht, als ich diese Dinge, die ich kommen sah, angab. Denn es ist für mich die schwerste Aufgabe, die Wahrheit vor dir zu sagen. So höre sie denn auch jetzt. Diese Männer sind gekommen, um uns den Eintritt streitig zu machen, und dazu rüsten sie sich. Denn sie haben ein Gesetz, welches also bestimmt. Wenn sie sollen ihr Leben einsetzen, dann schmücken sie ihre Häupter. Wisse aber, wenn du diese und das, was in Sparta zurückgeblieben ist, unterwirfst, so gibt es kein Volk auf der Welt mehr, welches es wagen wird, die Hände wider dich, o König, erheben. Denn jetzt trittst du dem herrlichsten Königthum und den tapfersten Männern entgegen. Diese Worte kamen dem Xerxes ganz unglaublich vor und er fragte zum zweitenmal, auf welche Weise eine solche Zahl mit seinem Heere kämpfen werde? worauf derselbe erwiderte: o König! Du solltest mich für einen Lügner halten, wenn dieß nicht so kommt, wie ich es sage.



210.

Mit diesen Worten machte er jedoch auf Xerxes keinen Eindruck; doch ließ dieser vier Tage vorüber gehen, weil er immer hoffte, Jene würden davon laufen. Am fünften Tage aber, als sie sich nicht entfernten, sondern aus Unverschämtheit und Rathlosigkeit, wie er glaubte, blieben, schickte er voll Zorn gegen sie Meder und Kissier[*)] mit dem Auftrag, sie lebendig zu fangen und vor sein Angesicht zu bringen. Als nun die Meder mit aller Gewalt auf die Hellenen stürzten, fielen eine Menge, und auch Andere, welche nachrückten, waren , obwohl sie großen Verlust erlitten, nicht im Stande, die Hellenen wegzutreiben. So ward es einem Jeden, und am meisten dem König selbst, offenbar, daß es zwar viele Menschen seien, aber nur wenige Männer. Es dauerte aber der Kampf den ganzen Tag hindurch.



211.

Die Meder, da sie übel zugerichtet waren, zogen sich darauf zurück und an ihre Stelle rückten Perser heran, welche der König die Unsterblichen[*)] nannte, unter Führung des Hydarnes, in der Erwartung, sie würden leicht mit den Hellenen fertig werden. Als nun auch diese mit den Hellenen handgemein wurden, vermochten sie eben so wenig, wie die Medische Heeresschaar, Etwas auszurichten, sondern es ging ihnen eben so, weil sie nämlich in einem engen Raum kämpften, auch kürzere Lanzen[**)] hatten, als die Hellenen, und von ihrer größeren Zahl keinen Gebrauch machen konnten. Es kämpften aber die Lacedämonier auf eine anerkennenswerthe Weise, und bewiesen, daß sie den Kampf zu führen verstanden vor solchen, die es nicht verstanden, insbesondere auch dadurch, daß sie den Feinden mehrmals den Rücken kehrten, und dem Anschein nach sämmtlich die Flucht ergriffen , worauf die Barbaren, die sie fliehen sahen, mit Geschrei und Lärmen nachrückten; dann aber, wenn sie eingeholt wurden, wendeten sie sich um, den Barbaren entgegen. In Folge dieser Wendung warfen sie unzählige Perser nieder; es fielen aber auch hier einige Wenige von den Spartanern. Da nun die Perser, aller Versuche ungeachtet, des Eingangs nicht sich bemeistern konnten, so sehr sie auch in einzelnen Abtheilungen oder mit allen Truppen angriffen, zogen sie sich zurück.



212.

Bei diesen öfteren Angriffen soll der König, welcher zusah, dreimal von seinem Stuhl[***] ) aufgefahren sein, aus Furcht um sein Heer. Damals nun kämpften sie also. Am folgenden Tage aber ging es ihnen im Kampfe nicht besser. Denn weil es nur so wenige Hellenen waren, so dachten sie, dieselben wären verwundet und nicht im Stande mehr die Hände wider sie zu erheben, und griffen darum an. Die Hellenen aber waren wohlgeordnet nach ihren Reihen und Völkern, und Jegliche fochten an ihrem Theil, außer die Phoker, welche nach dem Gebirge abgeordnet waren, um den Fußsteig zu bewachen . Als aber die Perser es nicht anders fanden, wie am Tage zuvor, so zogen sie sich zurück,



213.

Da nun der König in Verlegenheit war, was er in seiner gegenwärtigen Lage anfangen solle, kam Ephialtes, des Eurydemus Sohn, ein Melier, zu ihm in's Gespräch, in der Meinung, eine große Belohnung vom König zu erhalten; er gab ihm nämlich einen Fußweg an, welcher durch das Gebirge nach Thessalien führt, und stürzte dadurch die hier zurückgebliebenen Hellenen in's Verderben. Späterhin floh er aus Furcht vor den Lacedämoniern nach Thessalien; und als er entflohen war, ward von den Pylagoren[*] ), bei der Versammlung der Amphiktyonen zu Pylä[**] ), ein Preis auf seinen Kopf öffentlich verkündet. Indeß einige Zeit nachher, als er nach Anticyra[***] ) gekommen war, ward er von Athenades, einem Trachinier, erschlagen. Dieser Athenades tödtete jedoch den Ephialtes um einer andern Ursache villen, die ich später in der Erzählung angeben werde[*] ) er wurde aber nichts desto weniger von den Lacedämoniern mit dem Preise beehrt. Auf diese Weise kam Ephialtes später ums Leben.



214.

Es ist aber auch noch eine andere Sage darüber verbreitet[**] ) wornach Onatas, der Sohn des Phanagoras aus Karystus[***] ), und Korydallus aus Anticyra es gewesen, welche dem Könige diese Angaben gemacht und die Perser um das Gebirge herum geführt hätten; aber, sie erscheint mir keineswegs glaubwürdig: denn erstlich kann man doch daraus einen Schluß ziehen, daß die Hellenischen Pylagoren die es doch wohl ganz genau wissen mußten, nicht einen Preis auf Onatas und Korydallus, sondern auf den Trachinier Ephialtes setzten; dann aber auch wissen wir sicher, daß Ephialtes um dieser Schuld willen entflohen ist. Zwar konnte Onatas, wenn er auch kein Meder war, doch diesen Fußweg gekannt haben, in so fern er in der Gegend sich viel aufgehalten hatte; aber Ephialtes ist es, welcher auf dem Fußwege die Perser über das Gebirge geführt hat, und darum gebe ich ihn hier als den Schuldigen an.



215.

Dem Xerxes gefiel, was Ephialtes auszuführen versprochen hatte, und voller Freude schickte er sofort den Hydarnes und die Schaar, die er befehligte[†] ), ab. Sie brachen aber aus dem Lager auf zu der Zeit, wo man die Lichter anzündet[††] ). Diesen Fußpfad hatten die einheimischen Melier gefunden, und als sie ihn gefunden, die Thessalier wider die Phoker geführt, damals, als diese den Eingang mit einer Mauer[*] ) versperrt hatten und dadurch sich vor dem Krieg geschützt glaubten: seit dieser Zeit jedoch haben offenbar die Melier keinen Nutzen mehr davon gehabt.



216.

Mit diesem Fußweg[**] ) verhält es sich aber also: er fängt an bei dem Fluß Asopus[***] ), der durch die Schlucht fließt, und hat dieses Gebirge, wie der Fußpfad, einen und denselben Namen Anopäa[†] ): dieser Fußpfad Anopäa zieht sich hin an dem Rücken des Gebirges und endet bei der Stadt Alpenus[††] ), welches die erste unter den Lokrischen Städten ist, von Seiten der Melier, und bei dem sogenannten Stein Melampygus[†††] ) und bei den Sitzen der Cerkopen, wo auch die engste Stelle ist.



217.

Auf diesem Fußpfad, welcher also läuft, zogen die Perser ; nachdem sie den Asopus überschritten, die ganze Nacht; zur Rechten hatten sie die Gebirge der Ötäer, zur Linken die der Trachinier; und als die Morgenröthe anbrach, befanden sie sich auf der Höhe des Gebirges. An dieser Stelle des Gebirges hielten, wie ich schon früher bemerkt habe, tausend schwerbewaffnete Shoker Wache, um ihr eigenes Land zu schützen und den Fußpfad zu bewachen. Denn der Engpaß unten wurde von denen, die ich angegeben[*] ), bewacht; den Fußpfad durch das Gebirge hatten die Phoker freiwillig dem Leonidas versprochen zu bewachen.



218.

Die Phoker bemerkten jene, als sie auf der Höhe angelangt waren, auf folgende Weise. Denn bei dem Aufsteigen waren die Perser unbemerkt geblieben, da das ganze Gebirge voll von Eichen war[**] ). Nun war es zwar gänzliche Windstille, als aber, wie zu erwarten, ein großes Geräusch entstand von den Blättern, welche unter den Füßen ausgebreitet waren, da erhoben sich die Phoker und legten ihre Rüstung an. Und alsbald waren die Barbaren da. Diese, wie sie Männer erblickten, welche ihre Rüstung angelegt hatten, geriethen in Verwunderung; denn sie hatten erwartet, keinen Feind hier zu treffen, und nun stießen sie mit einmal auf ein Heer. Da frug Hydarnes, voll Furcht, die Phoker möchten Lacedämonier sein, den Ephialtes, von welchem Volke dieß Heer sei; als er es aber bestimmt erfahren, stellte er die Perser wie zum Kampfe auf. Die Phoker jedoch, als sie von vielen und dichten Geschossen getroffen wurden, ergriffen eiligst die Flucht auf den Gipfel des Berges, in der Meinung, daß jene ganz und gar wider sie angerückt seien, und rüsteten sich in Erwartung des Todes: also nun dachten sie, allein die Perser mit Ephialtes und Hydarnes kümmerten sich nicht weiter um die Phoker, sondern stiegen schleunigst den Berg herunter.



219.

Denjenigen Hellenen aber, welche bei den Thermopylen waren, hatte der Seher Megistias, nachdem er die Opfer betrachtet, den Tod verkündet, der sie mit Sonnenaufgang treffen würde; überdem waren auch Überläufer da, welche von dem Zuge der Perser über das Gebirge ihnen Nachricht gaben; diese hatten es ihnen noch im Laufe der Nacht angezeigt; zum dritten kamen aber auch die Späher; welche von den Höhen herabgelaufen waren, als eben der Tag anbrach. Da berathschlagten nun die Hellenen mit einander und waren ihre Meinungen getheilt. Die einen nämlich wollten es nicht zugeben, die Stellung zu verlassen: die andern stritten dagegen; hernach aber gingen sie auseinander und zog der eine Theil ab und zerstreute sich, indem ein Jeder nach seiner Heimat sich wendete; die andern aber mit Leonidas waren gerüstet, um hier zu bleiben.



220.

Es wird weiter erzählt, daß Leonidas selbst sie entlassen, weil er für ihr Leben besorgt war: ihm aber und den Spartanern, die da waren, stand es nicht wohl zu, die Stellung zu verlassen, zu deren Bewachung sie überhaupt gekommen waren. Und dieß ist auch durchaus meine Meinung, daß Leonidas, wie er bemerkte, daß seine Verbündeten gar keinen Eifer zeigten und mit ihm in der Gefahr nicht aushalten wollten, ihnen den Befehl zum Abzuge ertheilt habe: ihm selbst aber ziemte es nicht wegzugehen; aber indem er daselbst blieb, hinterließ er sich großen Ruhm, und Spartas Macht litt keinen Abbruch. Es war nämlich den Spartanern, als sie über diesen Krieg, gleich am Anfang, wie er ausbrach, das Orakel befrugen, von der Pythia der Spruch gegeben worden: entweder werde Lacedämon von den Barbaren zerstört werden, oder ihr König würde umkommen. Diesen Spruch erhielten sie in sechsmaßigen Versen und lautete derselbe also[*] ):

Die ihr bewohnt die geräumige[**] ) Sparta, vernehmet es von mir:
Euch wird entweder fallen die Stadt, die von Allen gepriesen,
Durch der Persiden[*] ) Hand, oder dieß nicht, sondern betrauern
Wird das Lakonische Land den Fürsten aus Herkules' Stamme.
Denn nicht der tiere Gewalt, noch der Löwen[**] ) wird ihn bezwingen;
Denn er besitzet die Kraft eines Zeus; und ich denke nicht, daß er
Inne wird halten, bevor er das Eine der beiden[***] ) erlangt hat.

Dieses nun, wie ich glaube, bedachte Leonidas bei sich, und da er allein den Spartanern Ruhm zuwenden wollte, entließ er lieber die Verbündeten, als daß diese, die unter einander uneins waren, so ohne alle Ordnung davon gelaufen wären,



221.

Als Zeugniß, und nicht als das geringste, gilt mir auch Folgendes hinsichtlich dieser Sache: es ist nämlich offenbar, daß Leonidas nicht blos die übrigen, sondern auch den Seher, welcher diesem Heere folgte, den Megistias aus Akarnanien, welcher von Melampus[†] ) abstammen soll, eben den, welcher aus dem Opfer ihnen verkündet hatte, was ihnen kommen solle, weggeschickt hat, damit er nicht mit ihm umkomme. Dieser aber verließ ihn ungeachtet der angebotenen Entlassung nicht; aber seinen Sohn, der mit in's Feld gezogen war, schickte er, da er sein einziger Sohn war, zurück.



222.

So zogen nun die entlassenen Verbündeten eilig ab und leisteten dem Leonidas Folge; nur die Thespier und Thebaner blieben bei den Lacedämoniern; von diesen blieben die Thebaner ungern und wider Willen: Leonidas nämlich hielt sie zurück, indem er sie als Geiseln betrachtete[††] ); die Thespier dagegen thaten es recht gerne und erklärten, sie würden nicht den Leonidas und seine Schaar verlassen und nach Hause gehen, sondern sie blieben und fanden auch mit ihm den Tod; ihr Führer aber war Demophilus, des Diadromes Sohn.



223.

Xerxes, als er nach Sonnenaufgang eine Spende dargebracht hatte[*] ), wartete darauf einige Zeit und rückte um die Zeit, in welcher der Markt sich füllt[**] ), heran: denn so war es ihm von Ephialtes angegeben worden. Den Berg herunter nämlich ist der Weg kürzer, und die Strecke weit geringer, als der Weg um den Berg herum und den Berg hinauf. Wie nun die Barbaren , welche bei Xerxes waren, heranrückten, so zogen auch die Hellenen, welche bei Leonidas standen, weil sie wohl wußten, daß sie zum Tode auszogen, ihnen entgegen weiter vorwärts, als am Anfang, in den breiteren Theil der Schlucht; denn die Befestigung der Mauer ward stets bewacht und kämpften sie an den früheren Tagen, wo sie ausrückten, in dem engeren Theile der Schlucht, damals aber trafen sie mit dem Barbaren außerhalb der Engen zusammen und fielen hier Barbaren in Menge. Denn hinter denselben schlugen die Führer der Heeresabtheilungen mit ihren Peitschen auf einen jeden Mann[***] ) und trieben die Leute dadurch stets vorwärts. Da nun fielen Manche von ihnen ins Meer und gingen zu Grunde, noch weit mehrere aber wurden lebendig von ihren eigenen Leuten zertreten, und kümmerte man sich dabei gar nicht um den, welcher zu Grunde ging. Denn da die Hellenen wußten, daß sie den Tod durch diejenigen zu erwarten hätten, welche um den Berg herum gegangen waren, so zeigten sie im Kampfe alle Kraft, die sie nur hatten, wider die Barbaren, ohne sich zu schonen und wie Verzweifelte.



224.

Es waren nun schon damals den meisten von ihnen die Lanzen zerbrochen, und schlugen sie mit den Schwertern die Perser nieder. In diesem Gedränge fiel Leonidas, der sich als der Tapferste erwiesen, und mit ihm andere angesehene Spartaner, deren Namen ich erfahren, da sie sich als Männer würdig gezeigt hatten; ich habe aber auch die Namen aller Dreihundert erfahren[*] ). Aber auch von den Persern fielen hier viele andere und namhafte Männer, darunter auch zwei Söhne des Darius, Abrokomas und Hyperanthes[**] ), welche von der Phratagyne, der Tochter des Artanes, dem Darius geboren worden waren. Es war aber dieser Artanes ein Bruder des Königs Darius, ein Sohn des Hystaspes, des Sohnes des Arsames[***] ), und hatte er, als er seine Tochter dem Darius in die Ehe gab, sein ganzes Vermögen mit gegeben, weil diese sein einziges Kind war.



225.

Auch zwei Brüder des Xerxes fielen hier im Kampfe über dem Leichnam des Leonidas, wo ein gewaltiges Gedränge der Perser und Lacedämonier entstanden war, bis zuletzt die Hellenen ihn durch ihre Tapferkeit herausrissen, und viermal die Gegner in die Flucht schlugen. Dieser Kampf dauerte so lange, bis die Leute mit Ephialtes ankamen. Als die Hellenen deren Ankunft erfuhren, so nahm der Kampf von da eine andere Gestalt an. Denn sie wichen zurück in den engern Theil des Weges, und begaben sich, an der Mauer vorbei ziehend, an den Hügel, wo die Uebrigen alle zusammengeschaart, mit Ausnahme der Thebaner sich niederließen. Dieser Hügel befindet sich bei dem Eingang[*] ), da wo jetzt der steinerne Löwe zu Ehren des Leonidas steht. Auf dieser Stelle, wo sie sich wehrten mit Messern, die nämlich, welche solche noch hatten, wie mit Hand und Mund, wurden sie von den Barbaren mit einem Hagel von Geschossen überschüttet, indem die einen von vornen auf sie eindrangen und die Mauerbefestigung niederrissen, die Andern aber sie von allen Seiten umringten.



226.

Obwohl die Lacedämonier und Thespier sich so gehalten hatten, so soll doch der Spartaner Dienekes der tapferste Mann gewesen sein. Von ihm sagt man, er habe, noch ehe sie mit den Medern zusammenstießen, folgendes Wort ausgesprochen, als er von einem der Trachinier erfahren, daß die Barbaren, wenn sie ihre Geschosse würfen, durch die Menge der Pfeile die Sonne verdunkeln, so groß sei ihre Menge; da habe er, ohne dadurch erschreckt zu sein, ausgerufen, unbekümmert um die Menge der Meder, der Trachinische Gastfreund bringe eine ganz gute Nachricht, indem sie, wenn die Meder die Sonne verdunkelten, nun im Schatten, und nicht in der Sonne zu kämpfen hätten[**] ). Diese und andere ähnliche Worte soll der Lacedämonier Dienekes als ein Denkmal der Erinnerung an ihn hinterlassen haben.



227.

Nach diesem sollen zwei Lacedämonische Brüder, Alpheus und Maron, des Orsiphantus Söhne, sich ausgezeichnet haben. Unter den Thespiern that sich am meisten der hervor; dessen Name Dithyrambus war, ein Sohn des Harmatides.



228.

Sie wurden aber beerdigt an eben der Stelle, wo sie gefallen waren, so wie auch die früher Umgekommenen, ehe die Übrigen von Leonidas entlassen worden waren, und findet sich da eine Inschrift gesetzt, welche folgendes besagt[*] ):

Hier einst stritten im Kampfe mit mehr als drei Millionen
Blos der Tausende vier, Peloponnesier-Volk.

Dieß ist nun die Inschrift für Alle; die Spartaner aber haben folgende besonders:

Wanderer kommst du nach Sparta. verkündige dorten, du habest
Uns hier liegen gesehn; wie das Gesetz es befahl[**] ).

Dieß ist nun die Inschrift für die Lacedämonier; der Seher aber hat folgende:

Dieß ist das Grab des gepries'nen Megistias, den einst die Meder
An des Spercheios Strom tödteten, stürmend dahin:
Der als trefflicher Seher wohl kannte die kommenden Keren[***] ),
Aber verlassen nicht wollt' Spartische Führer im Kampf.

Mit Inschriften und Säulen nun, ausgenommen die Inschrift auf den Seher, haben die Amphiktyonen[†] ) sie verherrlicht; die Inschrift auf den Seher Megistias aber hat aus Freundschaft Simonides, des Leoprepes Sohn, gesetzt.



229.

Zwei von diesen Dreihundert, so erzählt man, Eurytus und Aristodemus, hätten beide, wenn sie mit einander einig gewesen wären, entweder zusammen nach Sparta sich retten können, da sie aus dem Lager von Leonidas entlassen waren und zu Alpenö[*] ) sehr schwer an einem Augenübel erkrankt lagen, oder sie konnten, wenn sie nicht zurückkehren wollten, zugleich mit den Uebrigen sterben. Obwohl es ihnen nun freistand, das Eine von Beidem zu thun, so vermochten sie doch nicht mit einander sich zu verständigen, sondern blieben verschiedener Ansicht; Eurytus, als er von dem Zug der Perser über das Gebirge gehört, verlangte seine Waffen, legte sie an und befahl seinem Heloten, ihn zu den Kämpfenden zu führen; als dieser aber ihn dahin führte, lief der Führer davon und er gerieth in das Getümmel, wo er umkam; Aristodemus dagegen blieb aus Schwäche zurück. Wenn nun Aristodemus allein, in Folge seiner Leiden, nach Sparta zurückgekehrt wäre, oder auch beide zusammen den Rückweg angetreten hätten, so würden, meines Erachtens, die Spartaner keinen Groll auf sie geworfen haben; so aber, da der Eine umgekommen war, der Andere aber, obwohl er dieselbe Veranlassung hatte, nicht sterben wollte, mußten sie nothwendig dem Aristodemus sehr grollen.



230.

Einige nun erzählen, auf diese Weise habe Aristodemus nach Sparta sich gerettet und durch einen solchen Vorwand, Andere aber geben an, er sei als Bote aus dem Lager geschickt worden, und wiewohl er zum Beginn der Schlacht hätte eintreffen können, so habe er es nicht gewollt, sondern sei, da er es auf dem Wege abwartete, am Leben geblieben, sein Begleiter, der andere Bote, aber wäre zur Schlacht eingetroffen und umgekommen.



231.

Als Aristodemus nach Sparta zurückgekehrt war, kam er in Schimpf und Schande[**] ). In Folge dieser Beschimpfung mußte er es sich gefallen lassen, daß kein Spartaner ihm Feuer anzündete[*] ) oder mit ihm sprach, und hatte er die Schmach, Aristodemus der Feigling genannt zu werden. Indessen in der Schlacht bei Platää[**] ) machte er die Schuld, die auf ihm lastete, wieder gut.



232.

Auch noch ein Anderer von den Dreihundert, dessen Name Pantites war, soll, da er als Bote nach Thessalien abgeschickt worden, am Leben geblieben sein; als er aber nach Sparta zurückgekehrt war und hier in Schimpf und Schande fiel, habe er sich erhängt.



233.

Die Thebaner aber, welche Leontiades befehligte, kämpften in Verbindung mit den Hellenen, weil sie dazu gezwungen waren, eine Zeit lang gegen das Heer des Königs: wie sie aber sahen, daß die Perser die Oberhand gewannen, da trennten sie sich, als die Hellenen mit Leonidas zu dem Hügel eilten, von diesen, streckten ihre Hände aus und traten näher zu den Barbaren, indem sie sagten, was auch vollkommen die Wahrheit war, daß sie neidisch gesinnt seien, und unter den Ersten Erde und Wasser dein König gegeben[***] ), aber gezwungen nach den Thermopylen gekommen wären und ohne Schuld an dem Verlust seien, welchen der König erlitten. Durch diese Angabe retteten sie ihr Leben; denn sie hatten auch Thessalier zu Zeugen dieser Angabe. Indessen kamen sie doch nicht in Allem ganz gut davon: denn als sie herankamen, ergriffen die Barbaren Einige derselben, Andere hatten sie schon bei dem Anzug getödtet, die meisten von ihnen aber brandmarkten sie auf Befehl des Xerxes mit königlichen Zeichen[†] ), wobei sie den Anfang mit dem Führer Leontiades machten, dessen Sohn Eurymachus einige Zeit nachher die Platäer erschlugen, als er an der Spitze der vierhundert Thebaner die Stadt der Platäer besetzt hatte[††] ).



234.

Also hatten die Hellenen bei den Thermopylen gestritten. Xerxes rief nun den Demaratus zu sich und frug ihn, indem er also anfing: Demaratus, du bist ein braver Mann: ich finde den Beweis dafür in der Wahrheit, denn Alles ist so gekommen, wie du es gesagt hast; nun sage mir aber noch, wie viel sind denn die übrigen Lacedämonier und wie viele von diesen halten sich eben so im Kampf, oder sind sie auch alle so? Darauf erwiderte Demaratus :o König! die Zahl aller Lacedämonier ist groß, und zahlreich sind ihre Städte; was du aber wissen willst, wirst du erfahren. In dem Lande Lacedämon liegt Sparta, eine Stadt von etwa achttausend Männern[*] ) ; diese alle sind denen, die hier gekämpft haben, gleich; die übrigen Lacedämonier sind diesen zwar nicht gleich, aber doch tapfer. Worauf Xerxes sprach: Demaratus, auf welche Weise werden wir mit der geringsten Mühe über diese Männer Herr werden? wohlan, erkläre mir es: denn du kennst ja ihre Wege und Rathschläge, da du ihr König gewesen bist.



235.

Demaratus erwiderte nun: o König, da du mich nun so eifrig zu Rathe ziehst, so bin ich auch verpflichtet, dir das, was das Beste ist, zu sagen. Von deiner Seemacht schicke dreihundert Schiffe nach dem Lacedämonischen Lande: in der Nähe desselben liegt eine Insel, welche den Namen Cythere[*] ) hat; von dieser behauptete Chilon **), der ein sehr weiser Mann bei uns einst gewesen ist, es wäre ein größerer Gewinn für die Spartaner, wenn sie ins Meer hinuntergesunken , als daß sie daraus hervorrage, weil er immer erwartete, es möchte von dort aus Etwas der Art geschehen, was ich dir jetzt angebe, wobei er gar nicht deinen Zug voraussah, sondern jeden Anzug von Männern auf gleiche Weise besorgte: von dieser Insel aus sollen sie nun die Lacedämonier in Schrecken setzen. Ist aber der Krieg ihnen so nahe bei der Heimath, so wirst du von ihnen nicht zu befürchten haben, daß sie, wenn das übrige Hellas von deinem Landheer erobert wird, diesem zu Hülfe eilen. Wenn aber das übrige Hellas unterjocht worden ist, so ist die Lacedämonische Macht, welche allein übrig bleibt, schwach. Thust du dieß aber nicht, so wirst du Folgendes zu erwarten haben: der Peloponnes hat eine schmale Landzunge[***] ): an dieser Stelle haben sich alle Peloponnesier wider dich verschworen und du hast noch härtere Kämpfe, als die bisherigen, zu erwarten. Thust du aber Jenes, so wird ohne Schwertstreich diese Landzunge so wie die Städte dir zufallen.



236.

Nach diesem sprach Achämenes, welcher des Xerxes Bruder war und Befehlshaber der Seemacht[†] ), da er der Unterredung beigewohnt hatte und befürchtete, Xerxes möchte sich bereden lassen, dieß zu thun: ich sehe, daß du die Rathschläge eines Mannes annimmst, der auf dein Glück neidisch ist, oder auch deine Sache verräth. Denn so ist nun eben die Art und Weise der Hellenen, und haben sie daran ihre Freude: sie beneiden das Glück und hassen den Ueberlegeneren. Wenn du bei der gegenwärtigen Lage, wo vierhundert Schiffe im Sturm zu Grunde gegangen sind[*] ), noch weitere dreihundert aus dem Lager abschickst, um den Peloponnes zu umschiffen, so werden die Gegner uns gewachsen sein; bleibt aber die Seemacht zusammen, so werden Jene ihr nichts anhaben können und sie werden überhaupt es mit ihr nicht aufnehmen können. Auch wird dann die ganze Seemacht das Landheer unterstützen, und das Landheer die Seemacht, wenn sie zusammen ihren Weg gehen. Trennst du aber beides von einander, so wirst du weder Jenen nützlich sein, noch Jene dir. Ist bei deinem Heere Alles wohl bestellt, so kannst du überzeugt sein, du brauchst dich nicht um die Lage der Gegner zu bekümmern, wie sie den Krieg führen und was sie thun werden, und wie stark sie sind. Denn jene sind immerhin stark genug, um für sich selbst zu sorgen, eben so aber auch wir. Wenn aber die Lacedämonier den Persern entgegengetreten in den Streit, so werden sie nicht einmal die eine Niederlage wieder gut machen können.



237.

Xerxes erwiderte darauf folgendes: Achämenes, deine Ansicht scheint mir die richtige und ich will dieß thun. Demaratus sagt zwar das, was er für mich am zuträglichsten hält; indessen seine Ansicht unterliegt der deinigen. Denn das kann ich durchaus nicht annehmen , daß er nicht wohl gesinnt ist für mich und meine Sache, weil ich es abnehme aus dem, was er früher gesagt hat, und aus dem, was wahr ist; ein Bürger beneidet zwar den andern um sein Glück und haßt ihn im Stillen, und wenn ihn sein Mitbürger um Rath fragte, würde er auch nicht das ihm rathen, was das Beste ihm zu sein scheint, wenn er nicht in der Tugend recht hoch steht; solche Männer sind aber selten. Dagegen ein Gastfreund hegt gegen den glücklichen Gastfreund das größeste Wohlwollen von Allen, und wird ihm, um seinen Rath befragt, den besten Rath ertheilen[**] ). Daher gebiete ich, daß man fürderhin sich jeder schlimmen Nachrede über Demaratus, der mein Gastfreund ist, enthalte.



238.

Als Xerxes dies gesagt hatte, ging er durch die Leichname hindurch, und ließ dem Leichnam des Leonidas, weil er vernommen hatte, daß er König und Feldherr der Lacedämonier war, den Kopf abschlagen und ihn selbst kreuzigen[*] ). Aus vielen andern Zeichen ist es mir offenbar geworden, und insbesondere auch aus diesem, welches nicht das geringste ist, daß der König Xerxes auf den Leonidas, als er noch lebte, am meisten ergrimmt war: denn sonst würde er nicht, aller Sitte entgegen, den Leichnam desselben so mißhandelt haben, da doch sonst die Perser unter Allen, die ich kenne, am meisten tapfere Kriegsmänner zu ehren pflegen[**] ). Die nun, welche dazu beauftragt waren, thaten es.



239.

Ich will jetzt wieder zurückkehren zu der Erzählung, wo ich sie früher verlassen habe. Die Lacedämonier waren die ersten, welche erfahren hatten, daß der König wider Hellas ziehe, und so hatten sie dann nach dem Orakel zu Delphi geschickt, wo ihnen der Spruch ertheilt ward, den ich kurz zuvor angegeben habe. Sie hatten aber diese Nachricht auf eine wunderbare Weise erhalten. Demaratus nämlich, des Ariston Sohn, war zu den Medern geflohen, und, wie ich glaube, und auch die Wahrscheinlichkeit steht mir zur Seite, nicht geneigt für die Lacedämonier; indessen steht es frei zu urtheilen, ob er aus Wollwollen dieß gethan, oder auch aus Schadenfreude. Denn als Xerxes den Feldzug wider Hellas beschlossen hatte, so wollte Demaratus, der zu Susa sich aufhielt und dieß in Erfahrung gebracht hatte, davon den Lacedämoniern Nachricht geben. Er konnte dieß nun auf keine andere Weise angeben, denn es war gefährlich ihn ertappt zu werden; darum ersann er Folgendes: er nahm eine gefaltete Tafel[*] ), kratzte davon das Wachs ab, und schrieb hernach auf das Holz des Täfelchens den Entschluß des Königs. Nachdem er dieß gethan hatte, klebte er wieder das Wachs auf die Schrift, damit das leere Täfelchen bei der Zusendung keinen Anstoß errege bei den Wächtern des Weges. Als es dann aber nach Lacedämon gekommen war, so vermochten die Lacedämonier es nicht zu verstehen, bis, wie ich höre, Gorgo, die Tochter des Kleomenes, die Frau des Leonidas, ihnen den Rath gab, auf den sie selbst gekommen war, sie sollten das Wachs schaben, dann würden sie auf dem Holz die Schrift finden. Sie folgten ihr, fanden auch dieselbe und lasen sie, hernach gaben sie den übrigen Hellenen davon Nachricht. Dieß soll nun also geschehen sein.